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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Gundermann fort, "muß ich wieder an unsern guten
alten Kortschädel denken. Is nu auch hinüber. Na, jeder
muß mal, und wenn irgend einer seinen Platz da oben
sicher hat, der hat ihn. Ehrenmann durch und durch,
und loyal bis auf die Knochen. Redner war er nicht,
was eigentlich immer ein Vorzug, und hat mit seiner
Schwätzerei dem Staate kein Geld gekostet; aber er wußte
ganz gut Bescheid, und, unter vier Augen, ich habe Sachen
von ihm gehört, großartig. Und ich sage mir, solchen
kriegen wir nicht wieder ..."

"Ach, das ist Schwarzseherei, Herr von Gunder¬
mann. Ich glaube, wir haben viele von ähnlicher Ge¬
sinnung. Und ich sehe nicht ein, warum nicht ein Mann
wie Sie ..."

"Geht nicht."

"Warum nicht?"

"Weil Ihr Herr Papa kandidieren will. Und da
muß ich zurückstehen. Ich bin hier ein Neuling. Und die
Stechlins waren hier schon ..."

"Nun gut, ich will dies letztere gelten lassen, und
nur was das Kandidieren meines Vaters angeht -- ich
denke mir, es ist noch nicht so weit, vieles kann noch da¬
zwischen kommen, und jedenfalls wird er schwanken. Aber
nehmen wir mal an, es sei, wie Sie vermuten. In diesem
Falle träfe doch gerade das zu, was ich mir soeben zu
sagen erlaubt habe. Mein Vater ist in jedem Anbetracht
ein treuer Gesinnungsgenosse Kortschädels, und wenn er
an seine Stelle tritt, was ist da verloren? Die Lage bleibt
dieselbe."

"Nein, Herr von Stechlin."

"Nun, was ändert sich?"

"Vieles, alles. Kortschädel war in den großen Fragen
unerbittlich, und Ihr Herr Vater läßt mit sich reden ..."

"Ich weiß nicht, ob Sie da recht haben. Aber wenn
es so wäre, so wäre das doch ein Glück ..."

Gundermann fort, „muß ich wieder an unſern guten
alten Kortſchädel denken. Is nu auch hinüber. Na, jeder
muß mal, und wenn irgend einer ſeinen Platz da oben
ſicher hat, der hat ihn. Ehrenmann durch und durch,
und loyal bis auf die Knochen. Redner war er nicht,
was eigentlich immer ein Vorzug, und hat mit ſeiner
Schwätzerei dem Staate kein Geld gekoſtet; aber er wußte
ganz gut Beſcheid, und, unter vier Augen, ich habe Sachen
von ihm gehört, großartig. Und ich ſage mir, ſolchen
kriegen wir nicht wieder ...“

„Ach, das iſt Schwarzſeherei, Herr von Gunder¬
mann. Ich glaube, wir haben viele von ähnlicher Ge¬
ſinnung. Und ich ſehe nicht ein, warum nicht ein Mann
wie Sie ...“

„Geht nicht.“

„Warum nicht?“

„Weil Ihr Herr Papa kandidieren will. Und da
muß ich zurückſtehen. Ich bin hier ein Neuling. Und die
Stechlins waren hier ſchon ...“

„Nun gut, ich will dies letztere gelten laſſen, und
nur was das Kandidieren meines Vaters angeht — ich
denke mir, es iſt noch nicht ſo weit, vieles kann noch da¬
zwiſchen kommen, und jedenfalls wird er ſchwanken. Aber
nehmen wir mal an, es ſei, wie Sie vermuten. In dieſem
Falle träfe doch gerade das zu, was ich mir ſoeben zu
ſagen erlaubt habe. Mein Vater iſt in jedem Anbetracht
ein treuer Geſinnungsgenoſſe Kortſchädels, und wenn er
an ſeine Stelle tritt, was iſt da verloren? Die Lage bleibt
dieſelbe.“

„Nein, Herr von Stechlin.“

„Nun, was ändert ſich?“

„Vieles, alles. Kortſchädel war in den großen Fragen
unerbittlich, und Ihr Herr Vater läßt mit ſich reden ...“

„Ich weiß nicht, ob Sie da recht haben. Aber wenn
es ſo wäre, ſo wäre das doch ein Glück ...“

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[44/0051] Gundermann fort, „muß ich wieder an unſern guten alten Kortſchädel denken. Is nu auch hinüber. Na, jeder muß mal, und wenn irgend einer ſeinen Platz da oben ſicher hat, der hat ihn. Ehrenmann durch und durch, und loyal bis auf die Knochen. Redner war er nicht, was eigentlich immer ein Vorzug, und hat mit ſeiner Schwätzerei dem Staate kein Geld gekoſtet; aber er wußte ganz gut Beſcheid, und, unter vier Augen, ich habe Sachen von ihm gehört, großartig. Und ich ſage mir, ſolchen kriegen wir nicht wieder ...“ „Ach, das iſt Schwarzſeherei, Herr von Gunder¬ mann. Ich glaube, wir haben viele von ähnlicher Ge¬ ſinnung. Und ich ſehe nicht ein, warum nicht ein Mann wie Sie ...“ „Geht nicht.“ „Warum nicht?“ „Weil Ihr Herr Papa kandidieren will. Und da muß ich zurückſtehen. Ich bin hier ein Neuling. Und die Stechlins waren hier ſchon ...“ „Nun gut, ich will dies letztere gelten laſſen, und nur was das Kandidieren meines Vaters angeht — ich denke mir, es iſt noch nicht ſo weit, vieles kann noch da¬ zwiſchen kommen, und jedenfalls wird er ſchwanken. Aber nehmen wir mal an, es ſei, wie Sie vermuten. In dieſem Falle träfe doch gerade das zu, was ich mir ſoeben zu ſagen erlaubt habe. Mein Vater iſt in jedem Anbetracht ein treuer Geſinnungsgenoſſe Kortſchädels, und wenn er an ſeine Stelle tritt, was iſt da verloren? Die Lage bleibt dieſelbe.“ „Nein, Herr von Stechlin.“ „Nun, was ändert ſich?“ „Vieles, alles. Kortſchädel war in den großen Fragen unerbittlich, und Ihr Herr Vater läßt mit ſich reden ...“ „Ich weiß nicht, ob Sie da recht haben. Aber wenn es ſo wäre, ſo wäre das doch ein Glück ...“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/51>, abgerufen am 02.05.2024.