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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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giebt, auf Adelheid zu, vor der er sich respektvollst ver¬
neigte. Diese bewahrte gute Haltung und dankte. Von
verschiedenen Seiten her aber hörte man leise das Wort
"Affront", während ein in unmittelbarer Nähe des
Edlen Herrn von Alten-Frisack stehender, erst seit kurzem
zu Christentum und Konservatismus übergetretener
Katzensteinscher Kollege lächelnd vor sich hin murmelte:
"Schlauberger!"

Und nun war es Zeit.

Der Zug ordnete sich, Militärmusik aus der nächsten
Garnison schritt vorauf; dann traten die Stechliner
Bauern heran, die darum gebeten hatten, den Sarg
tragen zu dürfen. Diener und Mädchen aus dem Hause
nahmen die Kränze. Dann kam Adelheid mit Pastor
Lorenzen, an die sich die Trauerversammlung (viele
von ihnen in Landstandsuniform) unmittelbar anschloß.
Draußen sah man, daß eine große Zahl kleiner Leute
Spalier gebildet hatte. Das waren die von Globsow.
Sie hatten bei der Rheinsberger Wahl alle für Torgelow
oder doch wenigstens für Katzenstein gestimmt; jetzt aber,
wo der Alte tot war, waren sie doch vorwiegend der
Meinung: "He wihr so wiet janz good."

Die Musik klang wundervoll; kleine Mädchen streuten
Blumen, und so ging es den etwas ansteigenden Kirch¬
hof hinauf, zwischen den Gräbern hindurch und zuletzt
auf das uralte, niedrige Kirchenportal zu. Vor dem
Altar stellten sie den Sarg auf einen mit einer Ver¬
senkungsvorrichtung versehenen Stein, unter dem sich
die Gruft der Stechline befand. Schiff und Emporen
waren überfüllt; bis auf den Kirchhof hinaus stand
alles Kopf an Kopf. Und nun trat Lorenzen an den
Sarg heran, um über den, den er trotz aller Ver¬
schiedenheit der Meinungen so sehr geliebt und verehrt,
ein paar Worte zu sagen.

,"Wer seinen Weg richtig wandelt, kommt zu seiner

giebt, auf Adelheid zu, vor der er ſich reſpektvollſt ver¬
neigte. Dieſe bewahrte gute Haltung und dankte. Von
verſchiedenen Seiten her aber hörte man leiſe das Wort
„Affront“, während ein in unmittelbarer Nähe des
Edlen Herrn von Alten-Friſack ſtehender, erſt ſeit kurzem
zu Chriſtentum und Konſervatismus übergetretener
Katzenſteinſcher Kollege lächelnd vor ſich hin murmelte:
„Schlauberger!“

Und nun war es Zeit.

Der Zug ordnete ſich, Militärmuſik aus der nächſten
Garniſon ſchritt vorauf; dann traten die Stechliner
Bauern heran, die darum gebeten hatten, den Sarg
tragen zu dürfen. Diener und Mädchen aus dem Hauſe
nahmen die Kränze. Dann kam Adelheid mit Paſtor
Lorenzen, an die ſich die Trauerverſammlung (viele
von ihnen in Landſtandsuniform) unmittelbar anſchloß.
Draußen ſah man, daß eine große Zahl kleiner Leute
Spalier gebildet hatte. Das waren die von Globſow.
Sie hatten bei der Rheinsberger Wahl alle für Torgelow
oder doch wenigſtens für Katzenſtein geſtimmt; jetzt aber,
wo der Alte tot war, waren ſie doch vorwiegend der
Meinung: „He wihr ſo wiet janz good.“

Die Muſik klang wundervoll; kleine Mädchen ſtreuten
Blumen, und ſo ging es den etwas anſteigenden Kirch¬
hof hinauf, zwiſchen den Gräbern hindurch und zuletzt
auf das uralte, niedrige Kirchenportal zu. Vor dem
Altar ſtellten ſie den Sarg auf einen mit einer Ver¬
ſenkungsvorrichtung verſehenen Stein, unter dem ſich
die Gruft der Stechline befand. Schiff und Emporen
waren überfüllt; bis auf den Kirchhof hinaus ſtand
alles Kopf an Kopf. Und nun trat Lorenzen an den
Sarg heran, um über den, den er trotz aller Ver¬
ſchiedenheit der Meinungen ſo ſehr geliebt und verehrt,
ein paar Worte zu ſagen.

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[500/0507] giebt, auf Adelheid zu, vor der er ſich reſpektvollſt ver¬ neigte. Dieſe bewahrte gute Haltung und dankte. Von verſchiedenen Seiten her aber hörte man leiſe das Wort „Affront“, während ein in unmittelbarer Nähe des Edlen Herrn von Alten-Friſack ſtehender, erſt ſeit kurzem zu Chriſtentum und Konſervatismus übergetretener Katzenſteinſcher Kollege lächelnd vor ſich hin murmelte: „Schlauberger!“ Und nun war es Zeit. Der Zug ordnete ſich, Militärmuſik aus der nächſten Garniſon ſchritt vorauf; dann traten die Stechliner Bauern heran, die darum gebeten hatten, den Sarg tragen zu dürfen. Diener und Mädchen aus dem Hauſe nahmen die Kränze. Dann kam Adelheid mit Paſtor Lorenzen, an die ſich die Trauerverſammlung (viele von ihnen in Landſtandsuniform) unmittelbar anſchloß. Draußen ſah man, daß eine große Zahl kleiner Leute Spalier gebildet hatte. Das waren die von Globſow. Sie hatten bei der Rheinsberger Wahl alle für Torgelow oder doch wenigſtens für Katzenſtein geſtimmt; jetzt aber, wo der Alte tot war, waren ſie doch vorwiegend der Meinung: „He wihr ſo wiet janz good.“ Die Muſik klang wundervoll; kleine Mädchen ſtreuten Blumen, und ſo ging es den etwas anſteigenden Kirch¬ hof hinauf, zwiſchen den Gräbern hindurch und zuletzt auf das uralte, niedrige Kirchenportal zu. Vor dem Altar ſtellten ſie den Sarg auf einen mit einer Ver¬ ſenkungsvorrichtung verſehenen Stein, unter dem ſich die Gruft der Stechline befand. Schiff und Emporen waren überfüllt; bis auf den Kirchhof hinaus ſtand alles Kopf an Kopf. Und nun trat Lorenzen an den Sarg heran, um über den, den er trotz aller Ver¬ ſchiedenheit der Meinungen ſo ſehr geliebt und verehrt, ein paar Worte zu ſagen. ,„Wer ſeinen Weg richtig wandelt, kommt zu ſeiner

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/507>, abgerufen am 22.11.2024.