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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"Nein, Herr Major. Ich sehe die Bienen oft
schwärmen und sammeln, und seh' auch, wie sie sammeln
und wo sie sammeln. Da sind voran die Linden und
Akazien und das Heidekraut. Nu, die sind die reine
Unschuld; davon red' ich gar nicht erst. Aber nun
sollten Sie die Biene sehn, wenn sie sich auf eine giftige
Blume, sagen wir zum Beispiel auf den Venuswagen
niederläßt. Und in jedem Venuswagen, besonders in
dem roten (aber doch auch in dem blauen), sitzt viel
Gift."

"Venuswagen; kann ich mir denken. Und wie
sammelt da die Biene?"

"Sie nimmt nie das Gift, sie nimmt immer bloß
die Heilkraft."

"Na, Sie müssen es wissen, Krippenstapel. Und
auf Ihre Verantwortung hin will ich mir den Honig
auch schmecken lassen, und die Buschen muß sich drin
finden und sich wohl oder übel zufrieden geben. Übrigens
fällt mir bei der Alten natürlich auch das Kind ein. Da
sitzt es am Fenster. Na, komm mal her, Agnes, und
sage, daß du hier auch was lernst. Ich hab' ihr näm¬
lich Bücher gegeben, mit allerlei Bildern drin, und seit
vorgestern auch eine Götterlehre, das heißt aber noch
eine aus guter, anständiger Zeit und jeder Gott ordent¬
lich angezogen. Und da lernt sie, glaub' ich, ganz gut.
Nicht wahr, Agnes?"

Agnes knickste und ging wieder auf ihren Platz.

"Und dann hab' ich dem Kind auch unsern Dra¬
goner und die Mühle gegeben. Also unsre besten Stücke,
so viel ist richtig. Ich denke mir aber, mein Museums¬
direktor wird über diesen Eingriff nicht böse sein. Eigent¬
lich is es doch besser, das Kind hat was davon als
die Spinnen. Und was macht denn Ihr Oberlehrer in
Templin? Hat er wieder was gefunden?"

"Ja, Herr Major. Münzenfund."

„Nein, Herr Major. Ich ſehe die Bienen oft
ſchwärmen und ſammeln, und ſeh’ auch, wie ſie ſammeln
und wo ſie ſammeln. Da ſind voran die Linden und
Akazien und das Heidekraut. Nu, die ſind die reine
Unſchuld; davon red’ ich gar nicht erſt. Aber nun
ſollten Sie die Biene ſehn, wenn ſie ſich auf eine giftige
Blume, ſagen wir zum Beiſpiel auf den Venuswagen
niederläßt. Und in jedem Venuswagen, beſonders in
dem roten (aber doch auch in dem blauen), ſitzt viel
Gift.“

„Venuswagen; kann ich mir denken. Und wie
ſammelt da die Biene?“

„Sie nimmt nie das Gift, ſie nimmt immer bloß
die Heilkraft.“

„Na, Sie müſſen es wiſſen, Krippenſtapel. Und
auf Ihre Verantwortung hin will ich mir den Honig
auch ſchmecken laſſen, und die Buſchen muß ſich drin
finden und ſich wohl oder übel zufrieden geben. Übrigens
fällt mir bei der Alten natürlich auch das Kind ein. Da
ſitzt es am Fenſter. Na, komm mal her, Agnes, und
ſage, daß du hier auch was lernſt. Ich hab’ ihr näm¬
lich Bücher gegeben, mit allerlei Bildern drin, und ſeit
vorgeſtern auch eine Götterlehre, das heißt aber noch
eine aus guter, anſtändiger Zeit und jeder Gott ordent¬
lich angezogen. Und da lernt ſie, glaub’ ich, ganz gut.
Nicht wahr, Agnes?“

Agnes knickſte und ging wieder auf ihren Platz.

„Und dann hab' ich dem Kind auch unſern Dra¬
goner und die Mühle gegeben. Alſo unſre beſten Stücke,
ſo viel iſt richtig. Ich denke mir aber, mein Muſeums¬
direktor wird über dieſen Eingriff nicht böſe ſein. Eigent¬
lich is es doch beſſer, das Kind hat was davon als
die Spinnen. Und was macht denn Ihr Oberlehrer in
Templin? Hat er wieder was gefunden?“

„Ja, Herr Major. Münzenfund.“

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[478/0485] „Nein, Herr Major. Ich ſehe die Bienen oft ſchwärmen und ſammeln, und ſeh’ auch, wie ſie ſammeln und wo ſie ſammeln. Da ſind voran die Linden und Akazien und das Heidekraut. Nu, die ſind die reine Unſchuld; davon red’ ich gar nicht erſt. Aber nun ſollten Sie die Biene ſehn, wenn ſie ſich auf eine giftige Blume, ſagen wir zum Beiſpiel auf den Venuswagen niederläßt. Und in jedem Venuswagen, beſonders in dem roten (aber doch auch in dem blauen), ſitzt viel Gift.“ „Venuswagen; kann ich mir denken. Und wie ſammelt da die Biene?“ „Sie nimmt nie das Gift, ſie nimmt immer bloß die Heilkraft.“ „Na, Sie müſſen es wiſſen, Krippenſtapel. Und auf Ihre Verantwortung hin will ich mir den Honig auch ſchmecken laſſen, und die Buſchen muß ſich drin finden und ſich wohl oder übel zufrieden geben. Übrigens fällt mir bei der Alten natürlich auch das Kind ein. Da ſitzt es am Fenſter. Na, komm mal her, Agnes, und ſage, daß du hier auch was lernſt. Ich hab’ ihr näm¬ lich Bücher gegeben, mit allerlei Bildern drin, und ſeit vorgeſtern auch eine Götterlehre, das heißt aber noch eine aus guter, anſtändiger Zeit und jeder Gott ordent¬ lich angezogen. Und da lernt ſie, glaub’ ich, ganz gut. Nicht wahr, Agnes?“ Agnes knickſte und ging wieder auf ihren Platz. „Und dann hab' ich dem Kind auch unſern Dra¬ goner und die Mühle gegeben. Alſo unſre beſten Stücke, ſo viel iſt richtig. Ich denke mir aber, mein Muſeums¬ direktor wird über dieſen Eingriff nicht böſe ſein. Eigent¬ lich is es doch beſſer, das Kind hat was davon als die Spinnen. Und was macht denn Ihr Oberlehrer in Templin? Hat er wieder was gefunden?“ „Ja, Herr Major. Münzenfund.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/485>, abgerufen am 22.11.2024.