Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie ja selber. Und nun kommen Sie auch gleich noch
mit 'ner Urne. Hat gewiß ihr Freund Tucheband irgend¬
wo ausgegraben. Oder is es bloß 'ne Terrine? Himmel¬
wetter, Krippenstapel, Sie werden mir doch nich 'ne
Krankensuppe gekocht haben?"

"Nein, Herr Major, keine Krankensuppe. Gewiß
nicht. Und doch is es einigermaßen so was. Es ist
nämlich 'ne Wabe. Habe da heute mittag einen von
meinen Stöcken ausgenommen und wollte mir erlaubt
haben, Ihnen die beste Wabe zu bringen. Es ist bei¬
nah' so was wie der mittelalterliche Zehnte. Der Zehnte,
wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, war eigent¬
lich was Feineres als Geld."

"Find' ich auch. Aber die heutige Menschheit hat
für so was Feines gar keinen Sinn mehr. Immer
alles bar und nochmal bar. O, das gemeine Geld!
Das heißt, wenn man keins hat; wenn man's hat, ist
es so weit ganz gut. Und daß Sie gleich an Ihren
alten Patron -- ein Wort, das übrigens vielleicht zu
hoch gegriffen ist, und unser Verhältnis nicht recht aus¬
drückt, -- gedacht haben! Lorenzen wird es hoffent¬
lich nicht übel nehmen, daß ich Sie, wenn ich mich
Ihren "Patron" nenne, so gleichsam avancieren lasse.
Ja, das mit der Wabe. Freut mich aufrichtig. Aber
ich werde mich wohl nicht drüber her machen dürfen.
Immer heißt es: ,das nicht'. Erst hat mir Sponholz
alles verboten und nu die Buschen, und so leb' ich
eigentlich bloß noch von Bärlapp und Katzenpfötchen."

"Am Ende geht es doch," sagte Krippenstapel. "Ich
weiß wohl, in eine richtige Kur darf der Laie nicht ein¬
greifen. Aber der Honig macht vielleicht 'ne Ausnahme.
Richtiger Honig ist wie gute Medizin und hat die ganze
Heilkraft der Natur."

"Is denn aber nicht auch was drin, was besser
fehlte?"

Sie ja ſelber. Und nun kommen Sie auch gleich noch
mit 'ner Urne. Hat gewiß ihr Freund Tucheband irgend¬
wo ausgegraben. Oder is es bloß 'ne Terrine? Himmel¬
wetter, Krippenſtapel, Sie werden mir doch nich 'ne
Krankenſuppe gekocht haben?“

„Nein, Herr Major, keine Krankenſuppe. Gewiß
nicht. Und doch is es einigermaßen ſo was. Es iſt
nämlich 'ne Wabe. Habe da heute mittag einen von
meinen Stöcken ausgenommen und wollte mir erlaubt
haben, Ihnen die beſte Wabe zu bringen. Es iſt bei¬
nah' ſo was wie der mittelalterliche Zehnte. Der Zehnte,
wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, war eigent¬
lich was Feineres als Geld.“

„Find' ich auch. Aber die heutige Menſchheit hat
für ſo was Feines gar keinen Sinn mehr. Immer
alles bar und nochmal bar. O, das gemeine Geld!
Das heißt, wenn man keins hat; wenn man's hat, iſt
es ſo weit ganz gut. Und daß Sie gleich an Ihren
alten Patron — ein Wort, das übrigens vielleicht zu
hoch gegriffen iſt, und unſer Verhältnis nicht recht aus¬
drückt, — gedacht haben! Lorenzen wird es hoffent¬
lich nicht übel nehmen, daß ich Sie, wenn ich mich
Ihren „Patron“ nenne, ſo gleichſam avancieren laſſe.
Ja, das mit der Wabe. Freut mich aufrichtig. Aber
ich werde mich wohl nicht drüber her machen dürfen.
Immer heißt es: ‚das nicht‘. Erſt hat mir Sponholz
alles verboten und nu die Buſchen, und ſo leb' ich
eigentlich bloß noch von Bärlapp und Katzenpfötchen.“

„Am Ende geht es doch,“ ſagte Krippenſtapel. „Ich
weiß wohl, in eine richtige Kur darf der Laie nicht ein¬
greifen. Aber der Honig macht vielleicht 'ne Ausnahme.
Richtiger Honig iſt wie gute Medizin und hat die ganze
Heilkraft der Natur.“

„Is denn aber nicht auch was drin, was beſſer
fehlte?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0484" n="477"/>
Sie ja &#x017F;elber. Und nun kommen Sie auch gleich noch<lb/>
mit 'ner Urne. Hat gewiß ihr Freund Tucheband irgend¬<lb/>
wo ausgegraben. Oder is es bloß 'ne Terrine? Himmel¬<lb/>
wetter, Krippen&#x017F;tapel, Sie werden mir doch nich 'ne<lb/>
Kranken&#x017F;uppe gekocht haben?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nein, Herr Major, keine Kranken&#x017F;uppe. Gewiß<lb/>
nicht. Und doch is es einigermaßen &#x017F;o was. Es i&#x017F;t<lb/>
nämlich 'ne Wabe. Habe da heute mittag einen von<lb/>
meinen Stöcken ausgenommen und wollte mir erlaubt<lb/>
haben, Ihnen die be&#x017F;te Wabe zu bringen. Es i&#x017F;t bei¬<lb/>
nah' &#x017F;o was wie der mittelalterliche Zehnte. Der Zehnte,<lb/>
wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, war eigent¬<lb/>
lich was Feineres als Geld.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Find' ich auch. Aber die heutige Men&#x017F;chheit hat<lb/>
für &#x017F;o was Feines gar keinen Sinn mehr. Immer<lb/>
alles bar und nochmal bar. O, das gemeine Geld!<lb/>
Das heißt, wenn man keins hat; wenn man's hat, i&#x017F;t<lb/>
es &#x017F;o weit ganz gut. Und daß Sie gleich an Ihren<lb/>
alten Patron &#x2014; ein Wort, das übrigens vielleicht zu<lb/>
hoch gegriffen i&#x017F;t, und un&#x017F;er Verhältnis nicht recht aus¬<lb/>
drückt, &#x2014; gedacht haben! Lorenzen wird es hoffent¬<lb/>
lich nicht übel nehmen, daß ich Sie, wenn ich mich<lb/>
Ihren &#x201E;Patron&#x201C; nenne, &#x017F;o gleich&#x017F;am avancieren la&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
Ja, das mit der Wabe. Freut mich aufrichtig. Aber<lb/>
ich werde mich wohl nicht drüber her machen dürfen.<lb/>
Immer heißt es: &#x201A;<hi rendition="#g">das</hi> nicht&#x2018;. Er&#x017F;t hat mir Sponholz<lb/>
alles verboten und nu die Bu&#x017F;chen, und &#x017F;o leb' ich<lb/>
eigentlich bloß noch von Bärlapp und Katzenpfötchen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Am Ende geht es doch,&#x201C; &#x017F;agte Krippen&#x017F;tapel. &#x201E;Ich<lb/>
weiß wohl, in eine richtige Kur darf der Laie nicht ein¬<lb/>
greifen. Aber der Honig macht vielleicht 'ne Ausnahme.<lb/>
Richtiger Honig i&#x017F;t wie gute Medizin und hat die ganze<lb/>
Heilkraft der Natur.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Is denn aber nicht auch was drin, was be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
fehlte?&#x201C;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[477/0484] Sie ja ſelber. Und nun kommen Sie auch gleich noch mit 'ner Urne. Hat gewiß ihr Freund Tucheband irgend¬ wo ausgegraben. Oder is es bloß 'ne Terrine? Himmel¬ wetter, Krippenſtapel, Sie werden mir doch nich 'ne Krankenſuppe gekocht haben?“ „Nein, Herr Major, keine Krankenſuppe. Gewiß nicht. Und doch is es einigermaßen ſo was. Es iſt nämlich 'ne Wabe. Habe da heute mittag einen von meinen Stöcken ausgenommen und wollte mir erlaubt haben, Ihnen die beſte Wabe zu bringen. Es iſt bei¬ nah' ſo was wie der mittelalterliche Zehnte. Der Zehnte, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, war eigent¬ lich was Feineres als Geld.“ „Find' ich auch. Aber die heutige Menſchheit hat für ſo was Feines gar keinen Sinn mehr. Immer alles bar und nochmal bar. O, das gemeine Geld! Das heißt, wenn man keins hat; wenn man's hat, iſt es ſo weit ganz gut. Und daß Sie gleich an Ihren alten Patron — ein Wort, das übrigens vielleicht zu hoch gegriffen iſt, und unſer Verhältnis nicht recht aus¬ drückt, — gedacht haben! Lorenzen wird es hoffent¬ lich nicht übel nehmen, daß ich Sie, wenn ich mich Ihren „Patron“ nenne, ſo gleichſam avancieren laſſe. Ja, das mit der Wabe. Freut mich aufrichtig. Aber ich werde mich wohl nicht drüber her machen dürfen. Immer heißt es: ‚das nicht‘. Erſt hat mir Sponholz alles verboten und nu die Buſchen, und ſo leb' ich eigentlich bloß noch von Bärlapp und Katzenpfötchen.“ „Am Ende geht es doch,“ ſagte Krippenſtapel. „Ich weiß wohl, in eine richtige Kur darf der Laie nicht ein¬ greifen. Aber der Honig macht vielleicht 'ne Ausnahme. Richtiger Honig iſt wie gute Medizin und hat die ganze Heilkraft der Natur.“ „Is denn aber nicht auch was drin, was beſſer fehlte?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/484
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/484>, abgerufen am 19.05.2024.