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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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in Gransee haben einbinden lassen. Eigentlich war es
bloß 'ne ,Landwirtschaftliche Zeitung', und alle, die mal
'nen Preis gewonnen haben, die waren drin. Und
Bismarck war auch drin un Kaiser Wilhelm auch."

"Ja, ja, das is gut; das gieb ihr. Und brauchst
ihr auch nich zu sagen, daß sie keine Eselsohren machen
soll; die macht keine."

Wirklich, die "Landwirtschaftliche Zeitung" lag am
andern Morgen da, und Agnes war sehr glücklich, mal
was andres zu haben als ihr Strickzeug und die schönen
Bilder ansehn zu können. Denn es waren auch Schlösser
drin und kleine Teiche, drauf Schwäne fuhren, und auf
einem Bilde, das eine Beilage war, waren sogar Husaren.
Engelke brachte jeden Morgen einen neuen Band, und
mal erschien auch Elfriede, die Lorenzen, um nach
Dubslavs Befinden fragen zu lassen, von der Pfarre
herübergeschickt hatte. "Die kann sich ja die Bilder
mit ansehen," sagte Dubslav; "am Ende macht es ihr
selber auch Spaß, und vielleicht kann sie dem kleinen
Ding, der Agnes, alles so nebenher erklären, und dann
is es so gut wie 'ne Schulstunde."

Elfriede war gleich dazu bereit. Und nun standen
die beiden Kinder nebeneinander und blätterten in dem
Buch, und die Kleine sog jedes Wort ein, was die
Große sagte. Dubslav aber hörte zu und wußte nicht,
wem von beiden er ein größeres Interesse zuwenden
sollte. Zuletzt aber war es doch wohl Elfriede, weil
sie den wehmütigen Zauber all derer hatte, die früh
abberufen werden. Ihr zarter, beinahe körperloser Leib
schien zu sagen: "Ich sterbe." Aber ihre Seele wußte
nichts davon; die leuchtete und sagte: "ich lebe."


Das mit den Bilderbüchern dauerte mehrere Tage.
Dann sagte Dubslav: "Engelke, das Kind fängt heute

in Granſee haben einbinden laſſen. Eigentlich war es
bloß 'ne ‚Landwirtſchaftliche Zeitung‘, und alle, die mal
'nen Preis gewonnen haben, die waren drin. Und
Bismarck war auch drin un Kaiſer Wilhelm auch.“

„Ja, ja, das is gut; das gieb ihr. Und brauchſt
ihr auch nich zu ſagen, daß ſie keine Eſelsohren machen
ſoll; die macht keine.“

Wirklich, die „Landwirtſchaftliche Zeitung“ lag am
andern Morgen da, und Agnes war ſehr glücklich, mal
was andres zu haben als ihr Strickzeug und die ſchönen
Bilder anſehn zu können. Denn es waren auch Schlöſſer
drin und kleine Teiche, drauf Schwäne fuhren, und auf
einem Bilde, das eine Beilage war, waren ſogar Huſaren.
Engelke brachte jeden Morgen einen neuen Band, und
mal erſchien auch Elfriede, die Lorenzen, um nach
Dubslavs Befinden fragen zu laſſen, von der Pfarre
herübergeſchickt hatte. „Die kann ſich ja die Bilder
mit anſehen,“ ſagte Dubslav; „am Ende macht es ihr
ſelber auch Spaß, und vielleicht kann ſie dem kleinen
Ding, der Agnes, alles ſo nebenher erklären, und dann
is es ſo gut wie 'ne Schulſtunde.“

Elfriede war gleich dazu bereit. Und nun ſtanden
die beiden Kinder nebeneinander und blätterten in dem
Buch, und die Kleine ſog jedes Wort ein, was die
Große ſagte. Dubslav aber hörte zu und wußte nicht,
wem von beiden er ein größeres Intereſſe zuwenden
ſollte. Zuletzt aber war es doch wohl Elfriede, weil
ſie den wehmütigen Zauber all derer hatte, die früh
abberufen werden. Ihr zarter, beinahe körperloſer Leib
ſchien zu ſagen: „Ich ſterbe.“ Aber ihre Seele wußte
nichts davon; die leuchtete und ſagte: „ich lebe.“


Das mit den Bilderbüchern dauerte mehrere Tage.
Dann ſagte Dubslav: „Engelke, das Kind fängt heute

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[474/0481] in Granſee haben einbinden laſſen. Eigentlich war es bloß 'ne ‚Landwirtſchaftliche Zeitung‘, und alle, die mal 'nen Preis gewonnen haben, die waren drin. Und Bismarck war auch drin un Kaiſer Wilhelm auch.“ „Ja, ja, das is gut; das gieb ihr. Und brauchſt ihr auch nich zu ſagen, daß ſie keine Eſelsohren machen ſoll; die macht keine.“ Wirklich, die „Landwirtſchaftliche Zeitung“ lag am andern Morgen da, und Agnes war ſehr glücklich, mal was andres zu haben als ihr Strickzeug und die ſchönen Bilder anſehn zu können. Denn es waren auch Schlöſſer drin und kleine Teiche, drauf Schwäne fuhren, und auf einem Bilde, das eine Beilage war, waren ſogar Huſaren. Engelke brachte jeden Morgen einen neuen Band, und mal erſchien auch Elfriede, die Lorenzen, um nach Dubslavs Befinden fragen zu laſſen, von der Pfarre herübergeſchickt hatte. „Die kann ſich ja die Bilder mit anſehen,“ ſagte Dubslav; „am Ende macht es ihr ſelber auch Spaß, und vielleicht kann ſie dem kleinen Ding, der Agnes, alles ſo nebenher erklären, und dann is es ſo gut wie 'ne Schulſtunde.“ Elfriede war gleich dazu bereit. Und nun ſtanden die beiden Kinder nebeneinander und blätterten in dem Buch, und die Kleine ſog jedes Wort ein, was die Große ſagte. Dubslav aber hörte zu und wußte nicht, wem von beiden er ein größeres Intereſſe zuwenden ſollte. Zuletzt aber war es doch wohl Elfriede, weil ſie den wehmütigen Zauber all derer hatte, die früh abberufen werden. Ihr zarter, beinahe körperloſer Leib ſchien zu ſagen: „Ich ſterbe.“ Aber ihre Seele wußte nichts davon; die leuchtete und ſagte: „ich lebe.“ Das mit den Bilderbüchern dauerte mehrere Tage. Dann ſagte Dubslav: „Engelke, das Kind fängt heute

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/481>, abgerufen am 22.11.2024.