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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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aber auch frisch. Adelheid hing sich ihren Pelzkragen um,
ein altes Familienerbstück, und ging zu Krippenstapel,
um sich seine Bienenstöcke zeigen zu lassen. Sie hoffte
bei der Gelegenheit auch was über den Pastor zu hören,
weil sie davon ausging, daß ein Lehrer immer über
den Prediger und der Prediger immer über den Lehrer
zu klagen hat. Jedes Landfräulein denkt so. Die
Bienen nahm sie so mit in den Kauf.

Es begann zu dunkeln, und als die Domina
schließlich aus dem Herrenhause fort war, war das eine
freie Stunde für Dubslav, der nun nicht länger säumen
mochte, seine Mine zu legen.

"Engelke," sagte er, "du könntest in die Küche
gehn und die Marie zur Buschen schicken. Die Marie
weiß ja Bescheid da. Und da kann sie denn der alten
Hexe sagen, lütt Agnes solle heut abend mit herauf¬
kommen und hier schlafen und immer da sein, wenn ich
was brauche."

Engelke stand verlegen da.

"Nu, was hast du? Bist du dagegen?"

"Nein, gnäd'ger Herr, dagegen bin ich wohl eigent¬
lich nich. Aber ich schlafe doch auch nebenan, und dann
is es ja, wie wenn ich für gar nichts mehr da wär'
und fast so gut wie schon abgesetzt. Und das Kind
kann doch auch nich all das, was nötig is; Agnes is
ja doch noch 'ne lütte Krabb'."

"Ja, das is sie. Und du sollst auch in der andern
Stube bleiben und alles thun wie vorher. Aber trotz¬
dem, die Agnes soll kommen. Ich brauche das Kind.
Und du wirst auch bald sehn, warum."

Und so kam denn auch Agnes, aber erst sehr spät,
als sich Adelheid schon zurückgezogen hatte, dabei nicht
ahnend, welche Ränke mittlerweile gegen sie gesponnen
waren. Auf diese Verheimlichung kam es aber gerade an.
Dubslav hatte sich nämlich wie Franz Moor -- an

aber auch friſch. Adelheid hing ſich ihren Pelzkragen um,
ein altes Familienerbſtück, und ging zu Krippenſtapel,
um ſich ſeine Bienenſtöcke zeigen zu laſſen. Sie hoffte
bei der Gelegenheit auch was über den Paſtor zu hören,
weil ſie davon ausging, daß ein Lehrer immer über
den Prediger und der Prediger immer über den Lehrer
zu klagen hat. Jedes Landfräulein denkt ſo. Die
Bienen nahm ſie ſo mit in den Kauf.

Es begann zu dunkeln, und als die Domina
ſchließlich aus dem Herrenhauſe fort war, war das eine
freie Stunde für Dubslav, der nun nicht länger ſäumen
mochte, ſeine Mine zu legen.

„Engelke,“ ſagte er, „du könnteſt in die Küche
gehn und die Marie zur Buſchen ſchicken. Die Marie
weiß ja Beſcheid da. Und da kann ſie denn der alten
Hexe ſagen, lütt Agnes ſolle heut abend mit herauf¬
kommen und hier ſchlafen und immer da ſein, wenn ich
was brauche.“

Engelke ſtand verlegen da.

„Nu, was haſt du? Biſt du dagegen?“

„Nein, gnäd'ger Herr, dagegen bin ich wohl eigent¬
lich nich. Aber ich ſchlafe doch auch nebenan, und dann
is es ja, wie wenn ich für gar nichts mehr da wär'
und faſt ſo gut wie ſchon abgeſetzt. Und das Kind
kann doch auch nich all das, was nötig is; Agnes is
ja doch noch 'ne lütte Krabb'.“

„Ja, das is ſie. Und du ſollſt auch in der andern
Stube bleiben und alles thun wie vorher. Aber trotz¬
dem, die Agnes ſoll kommen. Ich brauche das Kind.
Und du wirſt auch bald ſehn, warum.“

Und ſo kam denn auch Agnes, aber erſt ſehr ſpät,
als ſich Adelheid ſchon zurückgezogen hatte, dabei nicht
ahnend, welche Ränke mittlerweile gegen ſie geſponnen
waren. Auf dieſe Verheimlichung kam es aber gerade an.
Dubslav hatte ſich nämlich wie Franz Moor — an

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[462/0469] aber auch friſch. Adelheid hing ſich ihren Pelzkragen um, ein altes Familienerbſtück, und ging zu Krippenſtapel, um ſich ſeine Bienenſtöcke zeigen zu laſſen. Sie hoffte bei der Gelegenheit auch was über den Paſtor zu hören, weil ſie davon ausging, daß ein Lehrer immer über den Prediger und der Prediger immer über den Lehrer zu klagen hat. Jedes Landfräulein denkt ſo. Die Bienen nahm ſie ſo mit in den Kauf. Es begann zu dunkeln, und als die Domina ſchließlich aus dem Herrenhauſe fort war, war das eine freie Stunde für Dubslav, der nun nicht länger ſäumen mochte, ſeine Mine zu legen. „Engelke,“ ſagte er, „du könnteſt in die Küche gehn und die Marie zur Buſchen ſchicken. Die Marie weiß ja Beſcheid da. Und da kann ſie denn der alten Hexe ſagen, lütt Agnes ſolle heut abend mit herauf¬ kommen und hier ſchlafen und immer da ſein, wenn ich was brauche.“ Engelke ſtand verlegen da. „Nu, was haſt du? Biſt du dagegen?“ „Nein, gnäd'ger Herr, dagegen bin ich wohl eigent¬ lich nich. Aber ich ſchlafe doch auch nebenan, und dann is es ja, wie wenn ich für gar nichts mehr da wär' und faſt ſo gut wie ſchon abgeſetzt. Und das Kind kann doch auch nich all das, was nötig is; Agnes is ja doch noch 'ne lütte Krabb'.“ „Ja, das is ſie. Und du ſollſt auch in der andern Stube bleiben und alles thun wie vorher. Aber trotz¬ dem, die Agnes ſoll kommen. Ich brauche das Kind. Und du wirſt auch bald ſehn, warum.“ Und ſo kam denn auch Agnes, aber erſt ſehr ſpät, als ſich Adelheid ſchon zurückgezogen hatte, dabei nicht ahnend, welche Ränke mittlerweile gegen ſie geſponnen waren. Auf dieſe Verheimlichung kam es aber gerade an. Dubslav hatte ſich nämlich wie Franz Moor — an

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/469>, abgerufen am 17.05.2024.