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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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loren. Da nahm Greeley die drei andern beiseit und
beriet mit ihnen. Eine Möglichkeit gewöhnlicher Be¬
strafung gab es nicht, und auf einen Kampf sich ein¬
zulassen, ging auch nicht. Sie hatten dazu die Kräfte
nicht mehr. Und so hieß es denn zuletzt, und es war
Greeley der es sagte: ,Wir müssen ihn hinterrücks er¬
schießen.' Und als sie bald nach dieser Kriegsgerichtsscene
wieder aufbrachen, der heimlich Verurtheilte vorn an der
Tete, trat Greeley von hintenher an ihn heran und schoß ihn
nieder. Und die That war nicht umsonst gethan; ihre
Rationen reichten aus, und an dem Tage, wo sie den
letzten Bissen verzehrten, kamen sie bis an eine Station."

"Und was wurde weiter?"

"Ich weiß nicht mehr, ob Greeley selbst bei seiner
Rückkehr nach New-York als Ankläger gegen sich auf¬
trat; aber das weiß ich, daß es zu einer großen Ver¬
handlung kam."

"Und in dieser ..."

"... In dieser wurd' er freigesprochen und im
Triumph nach Hause getragen."

"Und Sie sind einverstanden damit?"

"Mehr; ich bin voll Bewunderung. Greeley, statt zu
thun, was er that, hätte zu den Gefährten sagen können:
,Unser Exempel wird falsch, und wir gehen an des einen
Schuld zu Grunde; töten mag ich ihn nicht, -- sterben
wir also alle.' Für seine Person hätt' er so sprechen
und handeln können. Aber es handelte sich nicht bloß
um ihn; er hatte die Führer- und die Befehlshaberrolle,
zugleich die Richter-Pflicht und hatte die Majorität von
drei gegen eine Minorität von einem zu schützen. Was
dieser eine gethan, an und für sich ein Nichts, war
unter den Umständen, unter denen es geschah, ein fluch¬
würdiges Verbrechen. Und so nahm er denn gegen die
geschehene schwere That die schwere Gegenthat auf sich.
In solchem Augenblicke richtig fühlen und in der Über¬

loren. Da nahm Greeley die drei andern beiſeit und
beriet mit ihnen. Eine Möglichkeit gewöhnlicher Be¬
ſtrafung gab es nicht, und auf einen Kampf ſich ein¬
zulaſſen, ging auch nicht. Sie hatten dazu die Kräfte
nicht mehr. Und ſo hieß es denn zuletzt, und es war
Greeley der es ſagte: ‚Wir müſſen ihn hinterrücks er¬
ſchießen.‘ Und als ſie bald nach dieſer Kriegsgerichtsſcene
wieder aufbrachen, der heimlich Verurtheilte vorn an der
Tete, trat Greeley von hintenher an ihn heran und ſchoß ihn
nieder. Und die That war nicht umſonſt gethan; ihre
Rationen reichten aus, und an dem Tage, wo ſie den
letzten Biſſen verzehrten, kamen ſie bis an eine Station.“

„Und was wurde weiter?“

„Ich weiß nicht mehr, ob Greeley ſelbſt bei ſeiner
Rückkehr nach New-York als Ankläger gegen ſich auf¬
trat; aber das weiß ich, daß es zu einer großen Ver¬
handlung kam.“

„Und in dieſer ...“

„... In dieſer wurd' er freigeſprochen und im
Triumph nach Hauſe getragen.“

„Und Sie ſind einverſtanden damit?“

„Mehr; ich bin voll Bewunderung. Greeley, ſtatt zu
thun, was er that, hätte zu den Gefährten ſagen können:
‚Unſer Exempel wird falſch, und wir gehen an des einen
Schuld zu Grunde; töten mag ich ihn nicht, — ſterben
wir alſo alle.‘ Für ſeine Perſon hätt' er ſo ſprechen
und handeln können. Aber es handelte ſich nicht bloß
um ihn; er hatte die Führer- und die Befehlshaberrolle,
zugleich die Richter-Pflicht und hatte die Majorität von
drei gegen eine Minorität von einem zu ſchützen. Was
dieſer eine gethan, an und für ſich ein Nichts, war
unter den Umſtänden, unter denen es geſchah, ein fluch¬
würdiges Verbrechen. Und ſo nahm er denn gegen die
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[454/0461] loren. Da nahm Greeley die drei andern beiſeit und beriet mit ihnen. Eine Möglichkeit gewöhnlicher Be¬ ſtrafung gab es nicht, und auf einen Kampf ſich ein¬ zulaſſen, ging auch nicht. Sie hatten dazu die Kräfte nicht mehr. Und ſo hieß es denn zuletzt, und es war Greeley der es ſagte: ‚Wir müſſen ihn hinterrücks er¬ ſchießen.‘ Und als ſie bald nach dieſer Kriegsgerichtsſcene wieder aufbrachen, der heimlich Verurtheilte vorn an der Tete, trat Greeley von hintenher an ihn heran und ſchoß ihn nieder. Und die That war nicht umſonſt gethan; ihre Rationen reichten aus, und an dem Tage, wo ſie den letzten Biſſen verzehrten, kamen ſie bis an eine Station.“ „Und was wurde weiter?“ „Ich weiß nicht mehr, ob Greeley ſelbſt bei ſeiner Rückkehr nach New-York als Ankläger gegen ſich auf¬ trat; aber das weiß ich, daß es zu einer großen Ver¬ handlung kam.“ „Und in dieſer ...“ „... In dieſer wurd' er freigeſprochen und im Triumph nach Hauſe getragen.“ „Und Sie ſind einverſtanden damit?“ „Mehr; ich bin voll Bewunderung. Greeley, ſtatt zu thun, was er that, hätte zu den Gefährten ſagen können: ‚Unſer Exempel wird falſch, und wir gehen an des einen Schuld zu Grunde; töten mag ich ihn nicht, — ſterben wir alſo alle.‘ Für ſeine Perſon hätt' er ſo ſprechen und handeln können. Aber es handelte ſich nicht bloß um ihn; er hatte die Führer- und die Befehlshaberrolle, zugleich die Richter-Pflicht und hatte die Majorität von drei gegen eine Minorität von einem zu ſchützen. Was dieſer eine gethan, an und für ſich ein Nichts, war unter den Umſtänden, unter denen es geſchah, ein fluch¬ würdiges Verbrechen. Und ſo nahm er denn gegen die geſchehene ſchwere That die ſchwere Gegenthat auf ſich. In ſolchem Augenblicke richtig fühlen und in der Über¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/461>, abgerufen am 25.11.2024.