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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Mann, was ich Ihnen eigentlich am höchsten anrechne,
denn die Friederikus-Rex-Leute, die haben alle Herz und
Verstand auf dem rechten Fleck. Also suchen Sie nach
irgend was der Art, nach einer alten Zieten- oder
Blücheranekdote, kann meinetwegen auch Wrangel sein --
ich bin dankbar für alles. Je schlechter es einem geht
je schöner kommt einem so was kavalleristisch Frisches
und Übermütiges vor. Ich spiele mich persönlich nicht
auf Heldentum aus, Renommieren ist ein elendes Hand¬
werk; aber das darf ich sagen: ich liebe das Heldische.
Und Gott sei Dank kommt dergleichen immer noch vor."

"Gewiß kommt so was immer noch vor. Aber, Herr
von Stechlin, all dies Heldische ..."

"Nun aber Lorenzen, Sie werden doch nicht
gegen das Heldische sein? So weit sind Sie doch noch
nicht! Und wenn es wäre, da würd' ich ernstlich böse."

"Das läßt Ihre Güte nicht zu."

"Sie wollen mich einfangen. Aber diesmal glückt
es nicht. Was haben Sie gegen das Heldische?"

"Nichts, Herr von Stechlin, gar nichts. Im Gegen¬
teil. Heldentum ist gut und groß. Und unter Um¬
ständen ist es das allergrößte. Lasse mir also den
Heroenkultus durchaus gefallen, das heißt, den echten
und rechten. Aber was sie da von mir hören wollen,
das ist, Verzeihung für das Wort, ein Heldentum zweiter
Güte. Mein Heldentum -- soll heißen, was ich für
Heldentum halte -- das ist nicht auf dem Schlachtfelde
zu Hause, das hat keine Zeugen oder doch immer nur
solche, die mit zu Grunde gehn. Alles vollzieht sich stumm,
einsam, weltabgewandt. Wenigstens als Regel. Aber
freilich, wenn die Welt dann ausnahmsweise davon
hört, dann horch' ich mit auf, und mit gespitzterem Ohr,
wie ein Kavalleriepferd, das die Trompete hört."

"Gut. Meinetwegen. Aber Beispiele."

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Mann, was ich Ihnen eigentlich am höchſten anrechne,
denn die Friederikus-Rex-Leute, die haben alle Herz und
Verſtand auf dem rechten Fleck. Alſo ſuchen Sie nach
irgend was der Art, nach einer alten Zieten- oder
Blücheranekdote, kann meinetwegen auch Wrangel ſein —
ich bin dankbar für alles. Je ſchlechter es einem geht
je ſchöner kommt einem ſo was kavalleriſtiſch Friſches
und Übermütiges vor. Ich ſpiele mich perſönlich nicht
auf Heldentum aus, Renommieren iſt ein elendes Hand¬
werk; aber das darf ich ſagen: ich liebe das Heldiſche.
Und Gott ſei Dank kommt dergleichen immer noch vor.“

„Gewiß kommt ſo was immer noch vor. Aber, Herr
von Stechlin, all dies Heldiſche ...“

„Nun aber Lorenzen, Sie werden doch nicht
gegen das Heldiſche ſein? So weit ſind Sie doch noch
nicht! Und wenn es wäre, da würd' ich ernſtlich böſe.“

„Das läßt Ihre Güte nicht zu.“

„Sie wollen mich einfangen. Aber diesmal glückt
es nicht. Was haben Sie gegen das Heldiſche?“

„Nichts, Herr von Stechlin, gar nichts. Im Gegen¬
teil. Heldentum iſt gut und groß. Und unter Um¬
ſtänden iſt es das allergrößte. Laſſe mir alſo den
Heroenkultus durchaus gefallen, das heißt, den echten
und rechten. Aber was ſie da von mir hören wollen,
das iſt, Verzeihung für das Wort, ein Heldentum zweiter
Güte. Mein Heldentum — ſoll heißen, was ich für
Heldentum halte — das iſt nicht auf dem Schlachtfelde
zu Hauſe, das hat keine Zeugen oder doch immer nur
ſolche, die mit zu Grunde gehn. Alles vollzieht ſich ſtumm,
einſam, weltabgewandt. Wenigſtens als Regel. Aber
freilich, wenn die Welt dann ausnahmsweiſe davon
hört, dann horch' ich mit auf, und mit geſpitzterem Ohr,
wie ein Kavalleriepferd, das die Trompete hört.“

„Gut. Meinetwegen. Aber Beiſpiele.“

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[451/0458] Mann, was ich Ihnen eigentlich am höchſten anrechne, denn die Friederikus-Rex-Leute, die haben alle Herz und Verſtand auf dem rechten Fleck. Alſo ſuchen Sie nach irgend was der Art, nach einer alten Zieten- oder Blücheranekdote, kann meinetwegen auch Wrangel ſein — ich bin dankbar für alles. Je ſchlechter es einem geht je ſchöner kommt einem ſo was kavalleriſtiſch Friſches und Übermütiges vor. Ich ſpiele mich perſönlich nicht auf Heldentum aus, Renommieren iſt ein elendes Hand¬ werk; aber das darf ich ſagen: ich liebe das Heldiſche. Und Gott ſei Dank kommt dergleichen immer noch vor.“ „Gewiß kommt ſo was immer noch vor. Aber, Herr von Stechlin, all dies Heldiſche ...“ „Nun aber Lorenzen, Sie werden doch nicht gegen das Heldiſche ſein? So weit ſind Sie doch noch nicht! Und wenn es wäre, da würd' ich ernſtlich böſe.“ „Das läßt Ihre Güte nicht zu.“ „Sie wollen mich einfangen. Aber diesmal glückt es nicht. Was haben Sie gegen das Heldiſche?“ „Nichts, Herr von Stechlin, gar nichts. Im Gegen¬ teil. Heldentum iſt gut und groß. Und unter Um¬ ſtänden iſt es das allergrößte. Laſſe mir alſo den Heroenkultus durchaus gefallen, das heißt, den echten und rechten. Aber was ſie da von mir hören wollen, das iſt, Verzeihung für das Wort, ein Heldentum zweiter Güte. Mein Heldentum — ſoll heißen, was ich für Heldentum halte — das iſt nicht auf dem Schlachtfelde zu Hauſe, das hat keine Zeugen oder doch immer nur ſolche, die mit zu Grunde gehn. Alles vollzieht ſich ſtumm, einſam, weltabgewandt. Wenigſtens als Regel. Aber freilich, wenn die Welt dann ausnahmsweiſe davon hört, dann horch' ich mit auf, und mit geſpitzterem Ohr, wie ein Kavalleriepferd, das die Trompete hört.“ „Gut. Meinetwegen. Aber Beiſpiele.“ 29*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/458>, abgerufen am 17.05.2024.