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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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mich nichts an. Und dann bin ich auch kein Mächen.
Und Uncke wird mich ja wohl nicht aufschreiben."

Engelke lächelte: "Na, gnäd'ger Herr, dann werd'
ich man unten mit unse' Mamsell Pritzbur sprechen;
die kann denn die lütte Marie 'rausschicken. Marieken
is letzten Michaelis erst eingesegnet, aber sie war auch
schon da."


Noch an demselben Nachmittag erschien die Buschen
im Herrenhause. Sie hatte sich für den Besuch etwas
zurecht gemacht und trug ihre besten Kleider, auch ein
neues schwarzes Kopftuch. Aber man konnte nicht sagen,
daß sie dadurch gewonnen hätte. Fast im Gegenteil.
Wenn sie so mit 'nem Sack über die Schulter oder mit
'ner Kiepe voll Reisig aus dem Walde kam, sah man
nichts als ein altes, armes Weib; jetzt aber, wo sie bei
dem alten Herrn eintrat und nicht recht wußte, warum
man sie gerufen, sah man ihr die Verschlagenheit an,
und daß sie für all und jedes zu haben sei.

Sie blieb an der Thür stehen.

"Na, Buschen, kommt man 'ran oder stellt Euch da
ans Fenster, daß ich Euch besser sehn kann. Es ist ja
schon ganz schummrig."

Sie nickte.

"Ja, mit mir is nich mehr viel los, Buschen.
Und nu is auch noch Sponholz weg. Und den neuen
Berlinschen, den mag ich nicht. Ihr sollt ja Kossät
Rohrbeckens Frau damals wieder auf die Beine ge¬
bracht haben. Mit mir is es auch so was. Habt Ihr
Courage, mich in die Kur zu nehmen? Ich zeig' Euch
nicht an. Wenn einem einer hilft, is das andre alles
gleich. Also nichts davon. Und es soll Euer Schaden
nicht sein."

"Ick weet joa, jnäd'ger Herr ... Se wihren joa

mich nichts an. Und dann bin ich auch kein Mächen.
Und Uncke wird mich ja wohl nicht aufſchreiben.“

Engelke lächelte: „Na, gnäd'ger Herr, dann werd'
ich man unten mit unſe' Mamſell Pritzbur ſprechen;
die kann denn die lütte Marie 'rausſchicken. Marieken
is letzten Michaelis erſt eingeſegnet, aber ſie war auch
ſchon da.“


Noch an demſelben Nachmittag erſchien die Buſchen
im Herrenhauſe. Sie hatte ſich für den Beſuch etwas
zurecht gemacht und trug ihre beſten Kleider, auch ein
neues ſchwarzes Kopftuch. Aber man konnte nicht ſagen,
daß ſie dadurch gewonnen hätte. Faſt im Gegenteil.
Wenn ſie ſo mit 'nem Sack über die Schulter oder mit
'ner Kiepe voll Reiſig aus dem Walde kam, ſah man
nichts als ein altes, armes Weib; jetzt aber, wo ſie bei
dem alten Herrn eintrat und nicht recht wußte, warum
man ſie gerufen, ſah man ihr die Verſchlagenheit an,
und daß ſie für all und jedes zu haben ſei.

Sie blieb an der Thür ſtehen.

„Na, Buſchen, kommt man 'ran oder ſtellt Euch da
ans Fenſter, daß ich Euch beſſer ſehn kann. Es iſt ja
ſchon ganz ſchummrig.“

Sie nickte.

„Ja, mit mir is nich mehr viel los, Buſchen.
Und nu is auch noch Sponholz weg. Und den neuen
Berlinſchen, den mag ich nicht. Ihr ſollt ja Koſſät
Rohrbeckens Frau damals wieder auf die Beine ge¬
bracht haben. Mit mir is es auch ſo was. Habt Ihr
Courage, mich in die Kur zu nehmen? Ich zeig' Euch
nicht an. Wenn einem einer hilft, is das andre alles
gleich. Alſo nichts davon. Und es ſoll Euer Schaden
nicht ſein.“

„Ick weet joa, jnäd'ger Herr ... Se wihren joa

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[443/0450] mich nichts an. Und dann bin ich auch kein Mächen. Und Uncke wird mich ja wohl nicht aufſchreiben.“ Engelke lächelte: „Na, gnäd'ger Herr, dann werd' ich man unten mit unſe' Mamſell Pritzbur ſprechen; die kann denn die lütte Marie 'rausſchicken. Marieken is letzten Michaelis erſt eingeſegnet, aber ſie war auch ſchon da.“ Noch an demſelben Nachmittag erſchien die Buſchen im Herrenhauſe. Sie hatte ſich für den Beſuch etwas zurecht gemacht und trug ihre beſten Kleider, auch ein neues ſchwarzes Kopftuch. Aber man konnte nicht ſagen, daß ſie dadurch gewonnen hätte. Faſt im Gegenteil. Wenn ſie ſo mit 'nem Sack über die Schulter oder mit 'ner Kiepe voll Reiſig aus dem Walde kam, ſah man nichts als ein altes, armes Weib; jetzt aber, wo ſie bei dem alten Herrn eintrat und nicht recht wußte, warum man ſie gerufen, ſah man ihr die Verſchlagenheit an, und daß ſie für all und jedes zu haben ſei. Sie blieb an der Thür ſtehen. „Na, Buſchen, kommt man 'ran oder ſtellt Euch da ans Fenſter, daß ich Euch beſſer ſehn kann. Es iſt ja ſchon ganz ſchummrig.“ Sie nickte. „Ja, mit mir is nich mehr viel los, Buſchen. Und nu is auch noch Sponholz weg. Und den neuen Berlinſchen, den mag ich nicht. Ihr ſollt ja Koſſät Rohrbeckens Frau damals wieder auf die Beine ge¬ bracht haben. Mit mir is es auch ſo was. Habt Ihr Courage, mich in die Kur zu nehmen? Ich zeig' Euch nicht an. Wenn einem einer hilft, is das andre alles gleich. Alſo nichts davon. Und es ſoll Euer Schaden nicht ſein.“ „Ick weet joa, jnäd'ger Herr ... Se wihren joa

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/450>, abgerufen am 22.11.2024.