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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Sohn Isidor schuld ist -- mit einem Mal ist der Pferde¬
fuß 'rausgekommen."

"Ja," lachte Koseleger, "der kommt immer mal
'raus. Und nicht bloß bei Baruch. Ich muß aber sagen,
das alles hat mit der Rasse viel, viel weniger zu schaffen,
als mit dem jeweiligen Beruf. Da war ich eben bei
der Frau von Gundermann ..."

"Und da war auch so was?"

"In gewissem Sinne, ja. Natürlich ein bißchen
anders, weil es sich um etwas Weibliches handelte.
,Stütze der Hausfrau'. Und da bändelt sich denn leicht
was an. Eben diese ,Stütze der Hausfrau' war bis
vor kurzem noch Erzieherin, und mit Erzieherinnen, alten
und jungen, hat's immer einen Haken, wie mit den
Lehrern überhaupt. Es liegt im Beruf. Und der Semi¬
narist steht oben an."

"Ich kann mich nicht erinnern," sagte Dubslav,
"in unserer Gegend irgend was gröblich Verletzliches
erlebt zu haben."

"O, ich bin mißverstanden," beschwichtigte Koseleger
und rieb sich mit einem gewissen Behagen seine wohl¬
gepflegten Hände. "Nichts von Vergehungen auf eroti¬
schem Gebiet, wiewohl es bei den Gundermanns, (die
gerad' in diesem Punkte viel heimgesucht werden,) auch
diesmal wieder, ich möchte sagen diese kleine Nebenform
angenommen hatte. Nein, der große Seminaristenpferdefuß,
an den ich bei meiner ersten Bemerkung dachte, trägt ganz
andere Signaturen: Unbotmäßigkeit, Überschätzung und
infolge davon ein eigentümliches Bestreben, sich von den
Heilsgütern loszulösen, und die Befriedigung des inneren
Menschen in einer falschen Wissenschaftlichkeit zu suchen."

"Ich will das nicht loben; aber auch solche ,falsche
Wissenschaftlichkeit' zählt, dächt ich, in unserer alten Graf¬
schaft zu den allerseltensten Ausnahmen."

"Nicht so sehr als Sie vermuten, Herr Major,

Sohn Iſidor ſchuld iſt — mit einem Mal iſt der Pferde¬
fuß 'rausgekommen.“

„Ja,“ lachte Koſeleger, „der kommt immer mal
'raus. Und nicht bloß bei Baruch. Ich muß aber ſagen,
das alles hat mit der Raſſe viel, viel weniger zu ſchaffen,
als mit dem jeweiligen Beruf. Da war ich eben bei
der Frau von Gundermann ...“

„Und da war auch ſo was?“

„In gewiſſem Sinne, ja. Natürlich ein bißchen
anders, weil es ſich um etwas Weibliches handelte.
‚Stütze der Hausfrau‘. Und da bändelt ſich denn leicht
was an. Eben dieſe ‚Stütze der Hausfrau‘ war bis
vor kurzem noch Erzieherin, und mit Erzieherinnen, alten
und jungen, hat's immer einen Haken, wie mit den
Lehrern überhaupt. Es liegt im Beruf. Und der Semi¬
nariſt ſteht oben an.“

„Ich kann mich nicht erinnern,“ ſagte Dubslav,
„in unſerer Gegend irgend was gröblich Verletzliches
erlebt zu haben.“

„O, ich bin mißverſtanden,“ beſchwichtigte Koſeleger
und rieb ſich mit einem gewiſſen Behagen ſeine wohl¬
gepflegten Hände. „Nichts von Vergehungen auf eroti¬
ſchem Gebiet, wiewohl es bei den Gundermanns, (die
gerad' in dieſem Punkte viel heimgeſucht werden,) auch
diesmal wieder, ich möchte ſagen dieſe kleine Nebenform
angenommen hatte. Nein, der große Seminariſtenpferdefuß,
an den ich bei meiner erſten Bemerkung dachte, trägt ganz
andere Signaturen: Unbotmäßigkeit, Überſchätzung und
infolge davon ein eigentümliches Beſtreben, ſich von den
Heilsgütern loszulöſen, und die Befriedigung des inneren
Menſchen in einer falſchen Wiſſenſchaftlichkeit zu ſuchen.“

„Ich will das nicht loben; aber auch ſolche ‚falſche
Wiſſenſchaftlichkeit‘ zählt, dächt ich, in unſerer alten Graf¬
ſchaft zu den allerſeltenſten Ausnahmen.“

„Nicht ſo ſehr als Sie vermuten, Herr Major,

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[429/0436] Sohn Iſidor ſchuld iſt — mit einem Mal iſt der Pferde¬ fuß 'rausgekommen.“ „Ja,“ lachte Koſeleger, „der kommt immer mal 'raus. Und nicht bloß bei Baruch. Ich muß aber ſagen, das alles hat mit der Raſſe viel, viel weniger zu ſchaffen, als mit dem jeweiligen Beruf. Da war ich eben bei der Frau von Gundermann ...“ „Und da war auch ſo was?“ „In gewiſſem Sinne, ja. Natürlich ein bißchen anders, weil es ſich um etwas Weibliches handelte. ‚Stütze der Hausfrau‘. Und da bändelt ſich denn leicht was an. Eben dieſe ‚Stütze der Hausfrau‘ war bis vor kurzem noch Erzieherin, und mit Erzieherinnen, alten und jungen, hat's immer einen Haken, wie mit den Lehrern überhaupt. Es liegt im Beruf. Und der Semi¬ nariſt ſteht oben an.“ „Ich kann mich nicht erinnern,“ ſagte Dubslav, „in unſerer Gegend irgend was gröblich Verletzliches erlebt zu haben.“ „O, ich bin mißverſtanden,“ beſchwichtigte Koſeleger und rieb ſich mit einem gewiſſen Behagen ſeine wohl¬ gepflegten Hände. „Nichts von Vergehungen auf eroti¬ ſchem Gebiet, wiewohl es bei den Gundermanns, (die gerad' in dieſem Punkte viel heimgeſucht werden,) auch diesmal wieder, ich möchte ſagen dieſe kleine Nebenform angenommen hatte. Nein, der große Seminariſtenpferdefuß, an den ich bei meiner erſten Bemerkung dachte, trägt ganz andere Signaturen: Unbotmäßigkeit, Überſchätzung und infolge davon ein eigentümliches Beſtreben, ſich von den Heilsgütern loszulöſen, und die Befriedigung des inneren Menſchen in einer falſchen Wiſſenſchaftlichkeit zu ſuchen.“ „Ich will das nicht loben; aber auch ſolche ‚falſche Wiſſenſchaftlichkeit‘ zählt, dächt ich, in unſerer alten Graf¬ ſchaft zu den allerſeltenſten Ausnahmen.“ „Nicht ſo ſehr als Sie vermuten, Herr Major,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/436>, abgerufen am 25.11.2024.