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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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in der Grafschaft überhandnehmende Laxheit plante.
Koseleger sowohl wie die Prinzessin wollten zu diesem
Zwecke beim alten Dubslav als ,nächstem Objekt'
einsetzen, und hielten sein Asthma für den geeig¬
netsten Zeitpunkt. In einem Briefe der Prinzessin
an Koseleger hieß es dementsprechend: "Ich will die
gute Gesinnung des alten Herrn in nichts anzweifeln;
außerdem hat er etwas ungemein Affables. Ich bin
ihm menschlich durchaus zugethan. Aber sein Prinzip,
das nichts Höheres kennt, als ,leben und leben lassen',
hat in unsrer Gegend alle möglichen Irrtümer und Son¬
derbarkeiten ins Kraut schießen lassen. Nehmen Sie bei¬
spielsweise diesen Krippenstapel. Und nun den Lorenzen
selbst! Katzler, mit dem ich gestern über unsern Plan
sprach, hat mich gebeten, mit Rücksicht auf die Krank¬
heit des alten Herrn wenigstens vorläufig von allem
Abstand zu nehmen, aber ich hab' ihm widersprechen
müssen. Krankheit (so viel ist richtig) macht schroff und
eigensinnig, aber in bedrängten Momenten auch wiederum
ebenso gefügig, und es sind wohl auch hier wieder
gerade die Auferlegungen und Bitternisse, daraus ein
Segen für den Kranken, und jedenfalls für die Ge¬
samtheit unsres Kreises entspringen wird. Unter allen
Umständen aber muß uns das Bewußtsein trösten, unsre
Pflicht erfüllt zu haben."


Es war eine Woche nach Sponholz' Abreise, daß
Ermyntrud diese Zeilen schrieb, und schon am andern
Vormittage fuhr Koseleger, der mit der Prinzessin im
wesentlichen derselben Meinung war, auf die Stechliner
Rampe. Gleich danach trat Engelke bei Dubslav ein
und meldete den Herrn Superintendenten.

"Superintendent? Koseleger?"

in der Grafſchaft überhandnehmende Laxheit plante.
Koſeleger ſowohl wie die Prinzeſſin wollten zu dieſem
Zwecke beim alten Dubslav als ‚nächſtem Objekt‘
einſetzen, und hielten ſein Aſthma für den geeig¬
netſten Zeitpunkt. In einem Briefe der Prinzeſſin
an Koſeleger hieß es dementſprechend: „Ich will die
gute Geſinnung des alten Herrn in nichts anzweifeln;
außerdem hat er etwas ungemein Affables. Ich bin
ihm menſchlich durchaus zugethan. Aber ſein Prinzip,
das nichts Höheres kennt, als ‚leben und leben laſſen‘,
hat in unſrer Gegend alle möglichen Irrtümer und Son¬
derbarkeiten ins Kraut ſchießen laſſen. Nehmen Sie bei¬
ſpielsweiſe dieſen Krippenſtapel. Und nun den Lorenzen
ſelbſt! Katzler, mit dem ich geſtern über unſern Plan
ſprach, hat mich gebeten, mit Rückſicht auf die Krank¬
heit des alten Herrn wenigſtens vorläufig von allem
Abſtand zu nehmen, aber ich hab' ihm widerſprechen
müſſen. Krankheit (ſo viel iſt richtig) macht ſchroff und
eigenſinnig, aber in bedrängten Momenten auch wiederum
ebenſo gefügig, und es ſind wohl auch hier wieder
gerade die Auferlegungen und Bitterniſſe, daraus ein
Segen für den Kranken, und jedenfalls für die Ge¬
ſamtheit unſres Kreiſes entſpringen wird. Unter allen
Umſtänden aber muß uns das Bewußtſein tröſten, unſre
Pflicht erfüllt zu haben.“


Es war eine Woche nach Sponholz' Abreiſe, daß
Ermyntrud dieſe Zeilen ſchrieb, und ſchon am andern
Vormittage fuhr Koſeleger, der mit der Prinzeſſin im
weſentlichen derſelben Meinung war, auf die Stechliner
Rampe. Gleich danach trat Engelke bei Dubslav ein
und meldete den Herrn Superintendenten.

„Superintendent? Koſeleger?“

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[427/0434] in der Grafſchaft überhandnehmende Laxheit plante. Koſeleger ſowohl wie die Prinzeſſin wollten zu dieſem Zwecke beim alten Dubslav als ‚nächſtem Objekt‘ einſetzen, und hielten ſein Aſthma für den geeig¬ netſten Zeitpunkt. In einem Briefe der Prinzeſſin an Koſeleger hieß es dementſprechend: „Ich will die gute Geſinnung des alten Herrn in nichts anzweifeln; außerdem hat er etwas ungemein Affables. Ich bin ihm menſchlich durchaus zugethan. Aber ſein Prinzip, das nichts Höheres kennt, als ‚leben und leben laſſen‘, hat in unſrer Gegend alle möglichen Irrtümer und Son¬ derbarkeiten ins Kraut ſchießen laſſen. Nehmen Sie bei¬ ſpielsweiſe dieſen Krippenſtapel. Und nun den Lorenzen ſelbſt! Katzler, mit dem ich geſtern über unſern Plan ſprach, hat mich gebeten, mit Rückſicht auf die Krank¬ heit des alten Herrn wenigſtens vorläufig von allem Abſtand zu nehmen, aber ich hab' ihm widerſprechen müſſen. Krankheit (ſo viel iſt richtig) macht ſchroff und eigenſinnig, aber in bedrängten Momenten auch wiederum ebenſo gefügig, und es ſind wohl auch hier wieder gerade die Auferlegungen und Bitterniſſe, daraus ein Segen für den Kranken, und jedenfalls für die Ge¬ ſamtheit unſres Kreiſes entſpringen wird. Unter allen Umſtänden aber muß uns das Bewußtſein tröſten, unſre Pflicht erfüllt zu haben.“ Es war eine Woche nach Sponholz' Abreiſe, daß Ermyntrud dieſe Zeilen ſchrieb, und ſchon am andern Vormittage fuhr Koſeleger, der mit der Prinzeſſin im weſentlichen derſelben Meinung war, auf die Stechliner Rampe. Gleich danach trat Engelke bei Dubslav ein und meldete den Herrn Superintendenten. „Superintendent? Koſeleger?“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/434>, abgerufen am 22.11.2024.