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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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teuerste Freundin, und ganz aufrichtig. Aber so gleich
ein Tunnel. Es ist doch auch wie ein Schicksal."


Rex und Czako hatten sich unmittelbar nach Über¬
reichung ihrer Bouquets vom Bahnhof her in die
Königgrätzerstraße zurückgezogen, und hier angekommen,
sagte Czako: "Wenn es Ihnen recht ist, Rex, so gehen
wir bis in das Restaurant Bellevue."

"Tasse Kaffee?"

"Nein; ich möchte gern was ordentliches essen.
Drei Löffel Suppe, 'ne Forelle en miniature und ein
Poulardenflügel, -- das ist zu wenig für meine Ver¬
hältnisse. Rund heraus, ich habe Hunger."

"Sie werden sich zu gut unterhalten haben."

"Nein, auch das nicht. Unterhaltung sättigt außerdem,
wenigstens Menschen, die wie ich, wenn Sie auch drüber
lachen, aufs Geistige gestellt sind. Ein bißchen mag
ich übrigens an meinem elenden Zustande selbst schuld
sein. Ich habe nämlich immer nur die Gräfin an¬
gesehn und begreife nach wie vor unsren Stechlin nicht.
Nimmt da die Schwester! Er hatte doch am Ende die
Wahl. Der kleine Finger der Gräfin (und ihr kleiner Zeh'
nun schon ganz gewiß) ist mir lieber als die ganze Comtesse."

"Czako, Sie werden wieder frivol."


teuerſte Freundin, und ganz aufrichtig. Aber ſo gleich
ein Tunnel. Es iſt doch auch wie ein Schickſal.“


Rex und Czako hatten ſich unmittelbar nach Über¬
reichung ihrer Bouquets vom Bahnhof her in die
Königgrätzerſtraße zurückgezogen, und hier angekommen,
ſagte Czako: „Wenn es Ihnen recht iſt, Rex, ſo gehen
wir bis in das Reſtaurant Bellevue.“

„Taſſe Kaffee?“

„Nein; ich möchte gern was ordentliches eſſen.
Drei Löffel Suppe, 'ne Forelle en miniature und ein
Poulardenflügel, — das iſt zu wenig für meine Ver¬
hältniſſe. Rund heraus, ich habe Hunger.“

„Sie werden ſich zu gut unterhalten haben.“

„Nein, auch das nicht. Unterhaltung ſättigt außerdem,
wenigſtens Menſchen, die wie ich, wenn Sie auch drüber
lachen, aufs Geiſtige geſtellt ſind. Ein bißchen mag
ich übrigens an meinem elenden Zuſtande ſelbſt ſchuld
ſein. Ich habe nämlich immer nur die Gräfin an¬
geſehn und begreife nach wie vor unſren Stechlin nicht.
Nimmt da die Schweſter! Er hatte doch am Ende die
Wahl. Der kleine Finger der Gräfin (und ihr kleiner Zeh'
nun ſchon ganz gewiß) iſt mir lieber als die ganze Comteſſe.“

„Czako, Sie werden wieder frivol.“


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[391/0398] teuerſte Freundin, und ganz aufrichtig. Aber ſo gleich ein Tunnel. Es iſt doch auch wie ein Schickſal.“ Rex und Czako hatten ſich unmittelbar nach Über¬ reichung ihrer Bouquets vom Bahnhof her in die Königgrätzerſtraße zurückgezogen, und hier angekommen, ſagte Czako: „Wenn es Ihnen recht iſt, Rex, ſo gehen wir bis in das Reſtaurant Bellevue.“ „Taſſe Kaffee?“ „Nein; ich möchte gern was ordentliches eſſen. Drei Löffel Suppe, 'ne Forelle en miniature und ein Poulardenflügel, — das iſt zu wenig für meine Ver¬ hältniſſe. Rund heraus, ich habe Hunger.“ „Sie werden ſich zu gut unterhalten haben.“ „Nein, auch das nicht. Unterhaltung ſättigt außerdem, wenigſtens Menſchen, die wie ich, wenn Sie auch drüber lachen, aufs Geiſtige geſtellt ſind. Ein bißchen mag ich übrigens an meinem elenden Zuſtande ſelbſt ſchuld ſein. Ich habe nämlich immer nur die Gräfin an¬ geſehn und begreife nach wie vor unſren Stechlin nicht. Nimmt da die Schweſter! Er hatte doch am Ende die Wahl. Der kleine Finger der Gräfin (und ihr kleiner Zeh' nun ſchon ganz gewiß) iſt mir lieber als die ganze Comteſſe.“ „Czako, Sie werden wieder frivol.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/398>, abgerufen am 22.11.2024.