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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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wir liegen darüber seit Jahr und Tag in einer ernsten
Fehde. Glücklicherweise unsre einzige. Nicht wahr Krippen¬
stapel?"

Dieser lächelte und verbeugte sich.

"Die beiden Damen," fuhr Dubslav fort, "mögen
aber nicht etwa glauben, daß ich mich für berechtigt halte,
die freie Wissenschaft hier in meinem Museum in Banden
zu schlagen. Grad' umgekehrt. Ich kann also nur wieder¬
holen: ,Krippenstapel, Sie haben das Wort'. Und nun, bitte,
setzen Sie den Damen Ihrerseits auseinander, warum es
nach ganz bestimmten Begleiterscheinungen ein Derff¬
lingerscher nicht sein kann. Bilderbücher aus der Zeit
her hat man nicht, und die großen Gobelins lassen einen
im Stich und beweisen gar nichts."

Unter diesen Worten hatte Krippenstapel die den
Gegenstand des Streits bildende Wetterfahne wieder in die
Hand genommen, und als er sah, daß die Gräfin, -- die,
wie das in ihrer Natur lag, den vor zehn Minuten noch
so gefürchteten ,Fliegentöter' längst in ihr Herz geschlossen
hatte -- ihm freundlich zunickte, ließ er auf Geltend¬
machung seines Standpunkts auch nicht lange mehr warten
und sagte: "Ja, Frau Gräfin, der Streit schwebt nun
schon so lange, wie wir den Dragoner überhaupt haben,
und Herr von Stechlin wäre wohl schon längst in das
gegnerische Lager, in dem ich und Oberlehrer Tucheband
stehn, übergegangen, wenn er nicht an meiner wissenschaft¬
lichen Ereiferung seine beständige Freude hätte. Tuche¬
band, einer unsrer Besten und ein Mann, der nicht leicht
vorbei schießt, hat auch in dieser Frage gleich das Richtige
getroffen. Er hat nämlich den Ort in Erwägung gezogen,
von wo diese Wetterfahne stammt. Sie stammt aus dem
wenigstens damals noch der alten Familie von Mörner
zugehörigen Dorfe Zellin in der Neumark. Das Regiment
aber, das sich bei Fehrbellin vor allen andern auszeichnete,
war das Dragoner-Regiment Mörner. Es ist also kein

wir liegen darüber ſeit Jahr und Tag in einer ernſten
Fehde. Glücklicherweiſe unſre einzige. Nicht wahr Krippen¬
ſtapel?“

Dieſer lächelte und verbeugte ſich.

„Die beiden Damen,“ fuhr Dubslav fort, „mögen
aber nicht etwa glauben, daß ich mich für berechtigt halte,
die freie Wiſſenſchaft hier in meinem Muſeum in Banden
zu ſchlagen. Grad' umgekehrt. Ich kann alſo nur wieder¬
holen: ‚Krippenſtapel, Sie haben das Wort‘. Und nun, bitte,
ſetzen Sie den Damen Ihrerſeits auseinander, warum es
nach ganz beſtimmten Begleiterſcheinungen ein Derff¬
lingerſcher nicht ſein kann. Bilderbücher aus der Zeit
her hat man nicht, und die großen Gobelins laſſen einen
im Stich und beweiſen gar nichts.“

Unter dieſen Worten hatte Krippenſtapel die den
Gegenſtand des Streits bildende Wetterfahne wieder in die
Hand genommen, und als er ſah, daß die Gräfin, — die,
wie das in ihrer Natur lag, den vor zehn Minuten noch
ſo gefürchteten ‚Fliegentöter‘ längſt in ihr Herz geſchloſſen
hatte — ihm freundlich zunickte, ließ er auf Geltend¬
machung ſeines Standpunkts auch nicht lange mehr warten
und ſagte: „Ja, Frau Gräfin, der Streit ſchwebt nun
ſchon ſo lange, wie wir den Dragoner überhaupt haben,
und Herr von Stechlin wäre wohl ſchon längſt in das
gegneriſche Lager, in dem ich und Oberlehrer Tucheband
ſtehn, übergegangen, wenn er nicht an meiner wiſſenſchaft¬
lichen Ereiferung ſeine beſtändige Freude hätte. Tuche¬
band, einer unſrer Beſten und ein Mann, der nicht leicht
vorbei ſchießt, hat auch in dieſer Frage gleich das Richtige
getroffen. Er hat nämlich den Ort in Erwägung gezogen,
von wo dieſe Wetterfahne ſtammt. Sie ſtammt aus dem
wenigſtens damals noch der alten Familie von Mörner
zugehörigen Dorfe Zellin in der Neumark. Das Regiment
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[364/0371] wir liegen darüber ſeit Jahr und Tag in einer ernſten Fehde. Glücklicherweiſe unſre einzige. Nicht wahr Krippen¬ ſtapel?“ Dieſer lächelte und verbeugte ſich. „Die beiden Damen,“ fuhr Dubslav fort, „mögen aber nicht etwa glauben, daß ich mich für berechtigt halte, die freie Wiſſenſchaft hier in meinem Muſeum in Banden zu ſchlagen. Grad' umgekehrt. Ich kann alſo nur wieder¬ holen: ‚Krippenſtapel, Sie haben das Wort‘. Und nun, bitte, ſetzen Sie den Damen Ihrerſeits auseinander, warum es nach ganz beſtimmten Begleiterſcheinungen ein Derff¬ lingerſcher nicht ſein kann. Bilderbücher aus der Zeit her hat man nicht, und die großen Gobelins laſſen einen im Stich und beweiſen gar nichts.“ Unter dieſen Worten hatte Krippenſtapel die den Gegenſtand des Streits bildende Wetterfahne wieder in die Hand genommen, und als er ſah, daß die Gräfin, — die, wie das in ihrer Natur lag, den vor zehn Minuten noch ſo gefürchteten ‚Fliegentöter‘ längſt in ihr Herz geſchloſſen hatte — ihm freundlich zunickte, ließ er auf Geltend¬ machung ſeines Standpunkts auch nicht lange mehr warten und ſagte: „Ja, Frau Gräfin, der Streit ſchwebt nun ſchon ſo lange, wie wir den Dragoner überhaupt haben, und Herr von Stechlin wäre wohl ſchon längſt in das gegneriſche Lager, in dem ich und Oberlehrer Tucheband ſtehn, übergegangen, wenn er nicht an meiner wiſſenſchaft¬ lichen Ereiferung ſeine beſtändige Freude hätte. Tuche¬ band, einer unſrer Beſten und ein Mann, der nicht leicht vorbei ſchießt, hat auch in dieſer Frage gleich das Richtige getroffen. Er hat nämlich den Ort in Erwägung gezogen, von wo dieſe Wetterfahne ſtammt. Sie ſtammt aus dem wenigſtens damals noch der alten Familie von Mörner zugehörigen Dorfe Zellin in der Neumark. Das Regiment aber, das ſich bei Fehrbellin vor allen andern auszeichnete, war das Dragoner-Regiment Mörner. Es iſt alſo kein

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/371>, abgerufen am 25.11.2024.