ich nicht, aber ich soll, und da paßt es mir denn, daß du mir Leute bringst, an denen ich mich für die Welt sozusagen wieder wie einüben kann. Sind sie denn aus¬ giebig und plauderhaft?"
"O sehr, Papa, vielleicht zu sehr. Wenigstens der eine."
"Das is gewiß der Czako. Sonderbar, die von Alexander reden alle gern. Aber ich bin sehr dafür; Schweigen kleid't nicht jeden. Und dann sollen wir uns ja auch durch die Sprache vom Tier unterscheiden. Also wer am meisten red't, ist der reinste Mensch. Und diesem Czako, dem hab' ich es gleich angesehn. Aber der Rex. Du sagst Ministerialassessor. Ist er denn von der frommen Familie?"
"Nein, Papa. Du machst dieselbe Verwechslung, die beinah' alle machen. Die fromme Familie, das sind die Reckes, gräflich und sehr vornehm. Die Rex natür¬ lich auch, aber doch nicht so hoch hinaus und auch nicht so fromm. Allerdings nimmt mein Freund, der Ministerialassessor, einen Anlauf dazu, die Reckes wo¬ möglich einzuholen."
"Dann hab' ich also doch recht gesehn. Er hat so die Figur, die so was vermuten läßt, ein bißchen wenig Fleisch und so glatt rasiert. Habt ihr denn beim Ra¬ sieren in Cremmen gleich einen gefunden?"
"Er hat alles immer bei sich; lauter englische. Von Solingen oder Suhl will er nichts wissen."
"Und muß man ihn denn vorsichtig anfassen, wenn das Gespräch auf kirchliche Dinge kommt? Ich bin ja, wie du weißt, eigentlich kirchlich, wenigstens kirchlicher als mein guter Pastor (es wird immer schlimmer mit ihm), aber ich bin so im Ausdruck mitunter ungenierter, als man vielleicht sein soll, und bei "niedergefahren zur Hölle" kann mir's passieren, daß ich nolens volens ein
ich nicht, aber ich ſoll, und da paßt es mir denn, daß du mir Leute bringſt, an denen ich mich für die Welt ſozuſagen wieder wie einüben kann. Sind ſie denn aus¬ giebig und plauderhaft?“
„O ſehr, Papa, vielleicht zu ſehr. Wenigſtens der eine.“
„Das is gewiß der Czako. Sonderbar, die von Alexander reden alle gern. Aber ich bin ſehr dafür; Schweigen kleid't nicht jeden. Und dann ſollen wir uns ja auch durch die Sprache vom Tier unterſcheiden. Alſo wer am meiſten red't, iſt der reinſte Menſch. Und dieſem Czako, dem hab' ich es gleich angeſehn. Aber der Rex. Du ſagſt Miniſterialaſſeſſor. Iſt er denn von der frommen Familie?“
„Nein, Papa. Du machſt dieſelbe Verwechslung, die beinah' alle machen. Die fromme Familie, das ſind die Reckes, gräflich und ſehr vornehm. Die Rex natür¬ lich auch, aber doch nicht ſo hoch hinaus und auch nicht ſo fromm. Allerdings nimmt mein Freund, der Miniſterialaſſeſſor, einen Anlauf dazu, die Reckes wo¬ möglich einzuholen.“
„Dann hab' ich alſo doch recht geſehn. Er hat ſo die Figur, die ſo was vermuten läßt, ein bißchen wenig Fleiſch und ſo glatt raſiert. Habt ihr denn beim Ra¬ ſieren in Cremmen gleich einen gefunden?“
„Er hat alles immer bei ſich; lauter engliſche. Von Solingen oder Suhl will er nichts wiſſen.“
„Und muß man ihn denn vorſichtig anfaſſen, wenn das Geſpräch auf kirchliche Dinge kommt? Ich bin ja, wie du weißt, eigentlich kirchlich, wenigſtens kirchlicher als mein guter Paſtor (es wird immer ſchlimmer mit ihm), aber ich bin ſo im Ausdruck mitunter ungenierter, als man vielleicht ſein ſoll, und bei „niedergefahren zur Hölle“ kann mir's paſſieren, daß ich nolens volens ein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0031"n="24"/>
ich nicht, aber ich ſoll, und da paßt es mir denn, daß<lb/>
du mir Leute bringſt, an denen ich mich für die Welt<lb/>ſozuſagen wieder wie einüben kann. Sind ſie denn aus¬<lb/>
giebig und plauderhaft?“</p><lb/><p>„O ſehr, Papa, vielleicht zu ſehr. Wenigſtens der<lb/>
eine.“</p><lb/><p>„Das is gewiß der Czako. Sonderbar, die von<lb/>
Alexander reden alle gern. Aber ich bin ſehr dafür;<lb/>
Schweigen kleid't nicht jeden. Und dann ſollen wir uns<lb/>
ja auch durch die Sprache vom Tier unterſcheiden. Alſo<lb/>
wer am meiſten red't, iſt der reinſte Menſch. Und dieſem<lb/>
Czako, dem hab' ich es gleich angeſehn. Aber der Rex.<lb/>
Du ſagſt Miniſterialaſſeſſor. Iſt er denn von der<lb/>
frommen Familie?“</p><lb/><p>„Nein, Papa. Du machſt dieſelbe Verwechslung,<lb/>
die beinah' alle machen. Die fromme Familie, das ſind<lb/>
die Reckes, gräflich und ſehr vornehm. Die Rex natür¬<lb/>
lich auch, aber doch nicht ſo hoch hinaus und auch nicht<lb/>ſo fromm. Allerdings nimmt mein Freund, der<lb/>
Miniſterialaſſeſſor, einen Anlauf dazu, die Reckes wo¬<lb/>
möglich einzuholen.“</p><lb/><p>„Dann hab' ich alſo doch recht geſehn. Er hat ſo<lb/>
die Figur, die ſo was vermuten läßt, ein bißchen wenig<lb/>
Fleiſch und ſo glatt raſiert. Habt ihr denn beim Ra¬<lb/>ſieren in Cremmen gleich einen gefunden?“</p><lb/><p>„Er hat alles immer bei ſich; lauter engliſche. Von<lb/>
Solingen oder Suhl will er nichts wiſſen.“</p><lb/><p>„Und muß man ihn denn vorſichtig anfaſſen, wenn<lb/>
das Geſpräch auf kirchliche Dinge kommt? Ich bin ja,<lb/>
wie du weißt, eigentlich kirchlich, wenigſtens kirchlicher<lb/>
als mein guter Paſtor (es wird immer ſchlimmer mit<lb/>
ihm), aber ich bin ſo im Ausdruck mitunter ungenierter,<lb/>
als man vielleicht ſein ſoll, und bei „niedergefahren zur<lb/>
Hölle“ kann mir's paſſieren, daß ich <hirendition="#aq">nolens volens</hi> ein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[24/0031]
ich nicht, aber ich ſoll, und da paßt es mir denn, daß
du mir Leute bringſt, an denen ich mich für die Welt
ſozuſagen wieder wie einüben kann. Sind ſie denn aus¬
giebig und plauderhaft?“
„O ſehr, Papa, vielleicht zu ſehr. Wenigſtens der
eine.“
„Das is gewiß der Czako. Sonderbar, die von
Alexander reden alle gern. Aber ich bin ſehr dafür;
Schweigen kleid't nicht jeden. Und dann ſollen wir uns
ja auch durch die Sprache vom Tier unterſcheiden. Alſo
wer am meiſten red't, iſt der reinſte Menſch. Und dieſem
Czako, dem hab' ich es gleich angeſehn. Aber der Rex.
Du ſagſt Miniſterialaſſeſſor. Iſt er denn von der
frommen Familie?“
„Nein, Papa. Du machſt dieſelbe Verwechslung,
die beinah' alle machen. Die fromme Familie, das ſind
die Reckes, gräflich und ſehr vornehm. Die Rex natür¬
lich auch, aber doch nicht ſo hoch hinaus und auch nicht
ſo fromm. Allerdings nimmt mein Freund, der
Miniſterialaſſeſſor, einen Anlauf dazu, die Reckes wo¬
möglich einzuholen.“
„Dann hab' ich alſo doch recht geſehn. Er hat ſo
die Figur, die ſo was vermuten läßt, ein bißchen wenig
Fleiſch und ſo glatt raſiert. Habt ihr denn beim Ra¬
ſieren in Cremmen gleich einen gefunden?“
„Er hat alles immer bei ſich; lauter engliſche. Von
Solingen oder Suhl will er nichts wiſſen.“
„Und muß man ihn denn vorſichtig anfaſſen, wenn
das Geſpräch auf kirchliche Dinge kommt? Ich bin ja,
wie du weißt, eigentlich kirchlich, wenigſtens kirchlicher
als mein guter Paſtor (es wird immer ſchlimmer mit
ihm), aber ich bin ſo im Ausdruck mitunter ungenierter,
als man vielleicht ſein ſoll, und bei „niedergefahren zur
Hölle“ kann mir's paſſieren, daß ich nolens volens ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/31>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.