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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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hin und sah eben auf die von Globsow her herauf¬
führende schmale Straße, als er einer alten Frau von
wohl siebzig gewahr wurde, die, mit einer mit
Reisig bepackten Kiepe, den leis ansteigenden Weg herauf¬
kam, etliche Schritte vor ihr ein Kind mit ein paar
Enzianstauden in der Hand. Das Kind, ein Mädchen,
mochte zehn Jahr sein, und das Licht fiel so, daß das
blonde wirre Haar wie leuchtend um des Kindes Kopf
stand. Als die Kleine bis fast an die Bank heran war,
blieb sie stehn und erwartete da das Näherkommen der
alten Frau. Diese, die wohl sah, daß das Kind in
Furcht oder doch in Verlegenheit war, sagte: "Geih man
vorupp, Agnes; he deiht di nix."

Das Kind, sich bezwingend, ging nun auch wirk¬
lich, und während es an der Bank vorüberkam, sah es
den alten Herrn mit großen klugen Augen an.

Inzwischen war auch die Alte herangekommen.

"Na, Buschen," sagte Dubslav, "habt Ihr denn
auch bloß Bruchholz in Eurer Kiepe? Sonst packt Euch
der Förster."

Die Alte griente. "Jott, jnädiger Herr, wenn Se
doabi sinn, denn wird he joa woll nich."

"Na, ich denk' auch; is immer nich so schlimm.
Und wer is denn das Kind da?"

"Dat is joa Karlinens."

"So, so, Karlinens. Is sie denn noch in Berlin?
Und wird er sie denn heiraten? Ich meine den Rentsch
in Globsow."

"Ne, he will joa nich."

"Is aber doch von ihm?"

"Joa, se seggt so. Awers he seggt, he wihr et nich."

Der alte Dubslav lachte. "Na, hört, Buschen, ich
kann's ihm eigentlich nich verdenken. Der Rentsch is
ja doch ein ganz schwarzer Kerl. Un nu seht Euch mal
das Kind an."

hin und ſah eben auf die von Globſow her herauf¬
führende ſchmale Straße, als er einer alten Frau von
wohl ſiebzig gewahr wurde, die, mit einer mit
Reiſig bepackten Kiepe, den leis anſteigenden Weg herauf¬
kam, etliche Schritte vor ihr ein Kind mit ein paar
Enzianſtauden in der Hand. Das Kind, ein Mädchen,
mochte zehn Jahr ſein, und das Licht fiel ſo, daß das
blonde wirre Haar wie leuchtend um des Kindes Kopf
ſtand. Als die Kleine bis faſt an die Bank heran war,
blieb ſie ſtehn und erwartete da das Näherkommen der
alten Frau. Dieſe, die wohl ſah, daß das Kind in
Furcht oder doch in Verlegenheit war, ſagte: „Geih man
vorupp, Agnes; he deiht di nix.“

Das Kind, ſich bezwingend, ging nun auch wirk¬
lich, und während es an der Bank vorüberkam, ſah es
den alten Herrn mit großen klugen Augen an.

Inzwiſchen war auch die Alte herangekommen.

„Na, Buſchen,“ ſagte Dubslav, „habt Ihr denn
auch bloß Bruchholz in Eurer Kiepe? Sonſt packt Euch
der Förſter.“

Die Alte griente. „Jott, jnädiger Herr, wenn Se
doabi ſinn, denn wird he joa woll nich.“

„Na, ich denk' auch; is immer nich ſo ſchlimm.
Und wer is denn das Kind da?“

„Dat is joa Karlinens.“

„So, ſo, Karlinens. Is ſie denn noch in Berlin?
Und wird er ſie denn heiraten? Ich meine den Rentſch
in Globſow.“

„Ne, he will joa nich.“

„Is aber doch von ihm?“

„Joa, ſe ſeggt ſo. Awers he ſeggt, he wihr et nich.“

Der alte Dubslav lachte. „Na, hört, Buſchen, ich
kann's ihm eigentlich nich verdenken. Der Rentſch is
ja doch ein ganz ſchwarzer Kerl. Un nu ſeht Euch mal
das Kind an.“

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[295/0302] hin und ſah eben auf die von Globſow her herauf¬ führende ſchmale Straße, als er einer alten Frau von wohl ſiebzig gewahr wurde, die, mit einer mit Reiſig bepackten Kiepe, den leis anſteigenden Weg herauf¬ kam, etliche Schritte vor ihr ein Kind mit ein paar Enzianſtauden in der Hand. Das Kind, ein Mädchen, mochte zehn Jahr ſein, und das Licht fiel ſo, daß das blonde wirre Haar wie leuchtend um des Kindes Kopf ſtand. Als die Kleine bis faſt an die Bank heran war, blieb ſie ſtehn und erwartete da das Näherkommen der alten Frau. Dieſe, die wohl ſah, daß das Kind in Furcht oder doch in Verlegenheit war, ſagte: „Geih man vorupp, Agnes; he deiht di nix.“ Das Kind, ſich bezwingend, ging nun auch wirk¬ lich, und während es an der Bank vorüberkam, ſah es den alten Herrn mit großen klugen Augen an. Inzwiſchen war auch die Alte herangekommen. „Na, Buſchen,“ ſagte Dubslav, „habt Ihr denn auch bloß Bruchholz in Eurer Kiepe? Sonſt packt Euch der Förſter.“ Die Alte griente. „Jott, jnädiger Herr, wenn Se doabi ſinn, denn wird he joa woll nich.“ „Na, ich denk' auch; is immer nich ſo ſchlimm. Und wer is denn das Kind da?“ „Dat is joa Karlinens.“ „So, ſo, Karlinens. Is ſie denn noch in Berlin? Und wird er ſie denn heiraten? Ich meine den Rentſch in Globſow.“ „Ne, he will joa nich.“ „Is aber doch von ihm?“ „Joa, ſe ſeggt ſo. Awers he ſeggt, he wihr et nich.“ Der alte Dubslav lachte. „Na, hört, Buſchen, ich kann's ihm eigentlich nich verdenken. Der Rentſch is ja doch ein ganz ſchwarzer Kerl. Un nu ſeht Euch mal das Kind an.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/302>, abgerufen am 17.05.2024.