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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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ich davon weiß. Und alles in allem, und neuerdings
erst recht, bin ich deshalb immer für Rußland gewesen.
Wenn ich da so an unsern Kaiser Nikolaus zurückdenke
und an die Zeit, wo seine Uniform als Geschenk bei
uns eintraf und dann als Kirchenstück in die Garnisons¬
kirche kam. Natürlich in Potsdam. Wir haben zwar
die Reliquien abgeschafft, aber wir haben sie doch auf
unsre Art, und ganz ohne so was geht es nu mal
nicht. Mit dem alten Fritzen fing es natürlich an.
Wir haben seinen Krückstock und den Dreimaster und
das Taschentuch (na, das hätten sie vielleicht weglassen
können), und zu den drei Stücken haben wir nu jetzt
auch noch die Nikolaus-Uniform."

Lorenzen sah verlegen vor sich hin; etwas dagegen
sagen, ging nicht, und zustimmen noch weniger.

Dubslav aber fuhr fort: "Und dann sind sie da
forscher in Petersburg und geht alles mehr aus dem
Vollen, auch wenn die besten Steine mitunter schon
'rausgebrochen sind. So was kommt vor; is eben noch
ein Naturvolk. Ich kann das ,Schenken' eigentlich nicht
leiden, es hat so was von Bestechung und sieht aus
wie 'n Trinkgeld. Und Trinkgeld ist noch schlimmer als
Bestechung und paßt mir eigentlich ganz und gar nicht.
Aber es hat doch auch wieder was Angenehmes, solche
Tabatiere. Wenn es einem gut geht, ist es ein Familien¬
stück, und wenn es einem schlecht geht, ist es 'ne letzte
Zuflucht. Natürlich, ein ganz reinliches Gefühl hat man
nicht dabei."


Lorenzen blieb eine volle Stunde. Der Alte war
immer froh, wenn sich ihm Gelegenheit bot, sich mal
ausplaudern zu können, und heute standen ja die denk¬
bar besten Themata zur Verfügung: Woldemar, Eng¬
land, Kaiser Nikolaus und dazwischen Tante Adelheid,

ich davon weiß. Und alles in allem, und neuerdings
erſt recht, bin ich deshalb immer für Rußland geweſen.
Wenn ich da ſo an unſern Kaiſer Nikolaus zurückdenke
und an die Zeit, wo ſeine Uniform als Geſchenk bei
uns eintraf und dann als Kirchenſtück in die Garniſons¬
kirche kam. Natürlich in Potsdam. Wir haben zwar
die Reliquien abgeſchafft, aber wir haben ſie doch auf
unſre Art, und ganz ohne ſo was geht es nu mal
nicht. Mit dem alten Fritzen fing es natürlich an.
Wir haben ſeinen Krückſtock und den Dreimaſter und
das Taſchentuch (na, das hätten ſie vielleicht weglaſſen
können), und zu den drei Stücken haben wir nu jetzt
auch noch die Nikolaus-Uniform.“

Lorenzen ſah verlegen vor ſich hin; etwas dagegen
ſagen, ging nicht, und zuſtimmen noch weniger.

Dubslav aber fuhr fort: „Und dann ſind ſie da
forſcher in Petersburg und geht alles mehr aus dem
Vollen, auch wenn die beſten Steine mitunter ſchon
'rausgebrochen ſind. So was kommt vor; is eben noch
ein Naturvolk. Ich kann das ‚Schenken‘ eigentlich nicht
leiden, es hat ſo was von Beſtechung und ſieht aus
wie 'n Trinkgeld. Und Trinkgeld iſt noch ſchlimmer als
Beſtechung und paßt mir eigentlich ganz und gar nicht.
Aber es hat doch auch wieder was Angenehmes, ſolche
Tabatiere. Wenn es einem gut geht, iſt es ein Familien¬
ſtück, und wenn es einem ſchlecht geht, iſt es 'ne letzte
Zuflucht. Natürlich, ein ganz reinliches Gefühl hat man
nicht dabei.“


Lorenzen blieb eine volle Stunde. Der Alte war
immer froh, wenn ſich ihm Gelegenheit bot, ſich mal
ausplaudern zu können, und heute ſtanden ja die denk¬
bar beſten Themata zur Verfügung: Woldemar, Eng¬
land, Kaiſer Nikolaus und dazwiſchen Tante Adelheid,

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[293/0300] ich davon weiß. Und alles in allem, und neuerdings erſt recht, bin ich deshalb immer für Rußland geweſen. Wenn ich da ſo an unſern Kaiſer Nikolaus zurückdenke und an die Zeit, wo ſeine Uniform als Geſchenk bei uns eintraf und dann als Kirchenſtück in die Garniſons¬ kirche kam. Natürlich in Potsdam. Wir haben zwar die Reliquien abgeſchafft, aber wir haben ſie doch auf unſre Art, und ganz ohne ſo was geht es nu mal nicht. Mit dem alten Fritzen fing es natürlich an. Wir haben ſeinen Krückſtock und den Dreimaſter und das Taſchentuch (na, das hätten ſie vielleicht weglaſſen können), und zu den drei Stücken haben wir nu jetzt auch noch die Nikolaus-Uniform.“ Lorenzen ſah verlegen vor ſich hin; etwas dagegen ſagen, ging nicht, und zuſtimmen noch weniger. Dubslav aber fuhr fort: „Und dann ſind ſie da forſcher in Petersburg und geht alles mehr aus dem Vollen, auch wenn die beſten Steine mitunter ſchon 'rausgebrochen ſind. So was kommt vor; is eben noch ein Naturvolk. Ich kann das ‚Schenken‘ eigentlich nicht leiden, es hat ſo was von Beſtechung und ſieht aus wie 'n Trinkgeld. Und Trinkgeld iſt noch ſchlimmer als Beſtechung und paßt mir eigentlich ganz und gar nicht. Aber es hat doch auch wieder was Angenehmes, ſolche Tabatiere. Wenn es einem gut geht, iſt es ein Familien¬ ſtück, und wenn es einem ſchlecht geht, iſt es 'ne letzte Zuflucht. Natürlich, ein ganz reinliches Gefühl hat man nicht dabei.“ Lorenzen blieb eine volle Stunde. Der Alte war immer froh, wenn ſich ihm Gelegenheit bot, ſich mal ausplaudern zu können, und heute ſtanden ja die denk¬ bar beſten Themata zur Verfügung: Woldemar, Eng¬ land, Kaiſer Nikolaus und dazwiſchen Tante Adelheid,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/300>, abgerufen am 22.11.2024.