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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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sprechen Sie mir lieber, mir von Windsor oder London
aus eine Karte zu schreiben ... nein, eine Karte, das
geht nicht ... also einen Brief, darin Sie mir ein
Wort über die Engländerinnen sagen, und ob Sie jede
taillenlose Rotblondine drüben auch so schön gefunden
haben werden, wie's von den Kontinentalen, wenn
sie dies Thema berühren, fast immer versichert wird."

"Es wird davon abhängen, an wen ich gerade denke."

"Nach dieser Bemerkung ist ihnen alles verziehn."


Woldemar blieb bis neun. Er hatte gleich in den
Zeilen, in denen er sich anmeldete, die Damen wissen
lassen, daß er seinen Besuch auf eine kurze Stunde be¬
schränken müsse. So war er denn bei guter Zeit wieder
daheim. Auf seinem Tische fand er ein Briefchen vor
und erkannte Rex' Handschrift. "Lieber Stechlin," so
schrieb dieser, "ich höre eben, daß Sie nach London
gehn. In der Zeitung, wo's schon gestanden haben
soll, hab' ich es übersehn. Ich beglückwünsche Sie von
Herzen zu dieser Auszeichnung und lege ihnen eine
Karte bei, die Sie (wenn's Ihnen paßt) bei meinem
Freunde Ralph Waddington einführen soll. Er ist
Advokat und einer der angesehensten Führer unter den
Irvingianern. Fürchten Sie übrigens keine Bekehrungs¬
versuche. Waddington ist ein durchaus feiner Mann,
also zurückhaltend. Er kann ihnen aber mannigfach
behilflich sein, wenn Ihnen daran gelegen sein sollte,
sich um das Wesen der englischen Dissenter, ihre Chapels
und Tabernakels zu kümmern. Er ist ein Wissenschaftler
auf diesem Gebiet. Und ich kenne ja Ihre Vorliebe
für derlei Fragen."

Stechlin legte den Brief unter den Briefbeschwerer
und sagte: "Der gute Rex! Er überschätzt mich. Dissenter¬
studien. Es genügt mir, wenn ich einen einzigen Quäker
sehe."


ſprechen Sie mir lieber, mir von Windſor oder London
aus eine Karte zu ſchreiben ... nein, eine Karte, das
geht nicht ... alſo einen Brief, darin Sie mir ein
Wort über die Engländerinnen ſagen, und ob Sie jede
taillenloſe Rotblondine drüben auch ſo ſchön gefunden
haben werden, wie's von den Kontinentalen, wenn
ſie dies Thema berühren, faſt immer verſichert wird.“

„Es wird davon abhängen, an wen ich gerade denke.“

„Nach dieſer Bemerkung iſt ihnen alles verziehn.“


Woldemar blieb bis neun. Er hatte gleich in den
Zeilen, in denen er ſich anmeldete, die Damen wiſſen
laſſen, daß er ſeinen Beſuch auf eine kurze Stunde be¬
ſchränken müſſe. So war er denn bei guter Zeit wieder
daheim. Auf ſeinem Tiſche fand er ein Briefchen vor
und erkannte Rex' Handſchrift. „Lieber Stechlin,“ ſo
ſchrieb dieſer, „ich höre eben, daß Sie nach London
gehn. In der Zeitung, wo's ſchon geſtanden haben
ſoll, hab' ich es überſehn. Ich beglückwünſche Sie von
Herzen zu dieſer Auszeichnung und lege ihnen eine
Karte bei, die Sie (wenn's Ihnen paßt) bei meinem
Freunde Ralph Waddington einführen ſoll. Er iſt
Advokat und einer der angeſehenſten Führer unter den
Irvingianern. Fürchten Sie übrigens keine Bekehrungs¬
verſuche. Waddington iſt ein durchaus feiner Mann,
alſo zurückhaltend. Er kann ihnen aber mannigfach
behilflich ſein, wenn Ihnen daran gelegen ſein ſollte,
ſich um das Weſen der engliſchen Diſſenter, ihre Chapels
und Tabernakels zu kümmern. Er iſt ein Wiſſenſchaftler
auf dieſem Gebiet. Und ich kenne ja Ihre Vorliebe
für derlei Fragen.“

Stechlin legte den Brief unter den Briefbeſchwerer
und ſagte: „Der gute Rex! Er überſchätzt mich. Diſſenter¬
ſtudien. Es genügt mir, wenn ich einen einzigen Quäker
ſehe.“


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[288/0295] ſprechen Sie mir lieber, mir von Windſor oder London aus eine Karte zu ſchreiben ... nein, eine Karte, das geht nicht ... alſo einen Brief, darin Sie mir ein Wort über die Engländerinnen ſagen, und ob Sie jede taillenloſe Rotblondine drüben auch ſo ſchön gefunden haben werden, wie's von den Kontinentalen, wenn ſie dies Thema berühren, faſt immer verſichert wird.“ „Es wird davon abhängen, an wen ich gerade denke.“ „Nach dieſer Bemerkung iſt ihnen alles verziehn.“ Woldemar blieb bis neun. Er hatte gleich in den Zeilen, in denen er ſich anmeldete, die Damen wiſſen laſſen, daß er ſeinen Beſuch auf eine kurze Stunde be¬ ſchränken müſſe. So war er denn bei guter Zeit wieder daheim. Auf ſeinem Tiſche fand er ein Briefchen vor und erkannte Rex' Handſchrift. „Lieber Stechlin,“ ſo ſchrieb dieſer, „ich höre eben, daß Sie nach London gehn. In der Zeitung, wo's ſchon geſtanden haben ſoll, hab' ich es überſehn. Ich beglückwünſche Sie von Herzen zu dieſer Auszeichnung und lege ihnen eine Karte bei, die Sie (wenn's Ihnen paßt) bei meinem Freunde Ralph Waddington einführen ſoll. Er iſt Advokat und einer der angeſehenſten Führer unter den Irvingianern. Fürchten Sie übrigens keine Bekehrungs¬ verſuche. Waddington iſt ein durchaus feiner Mann, alſo zurückhaltend. Er kann ihnen aber mannigfach behilflich ſein, wenn Ihnen daran gelegen ſein ſollte, ſich um das Weſen der engliſchen Diſſenter, ihre Chapels und Tabernakels zu kümmern. Er iſt ein Wiſſenſchaftler auf dieſem Gebiet. Und ich kenne ja Ihre Vorliebe für derlei Fragen.“ Stechlin legte den Brief unter den Briefbeſchwerer und ſagte: „Der gute Rex! Er überſchätzt mich. Diſſenter¬ ſtudien. Es genügt mir, wenn ich einen einzigen Quäker ſehe.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/295>, abgerufen am 22.11.2024.