"Ja, weit zurück. Aber es kann wiederkommen. Und gerade das war es, was immer, wenn ich da so stand, den größten Eindruck auf mich machte. Diese Möglichkeit, daß es wiederkehre. Denn ich erinnere mich noch sehr wohl -- ja, du warst es selbst, Papa, der es mir erzählte -- daß Lord Palmerston einmal, un¬ wirsch über die koburgische Nebenpolitik (ich glaube während der Krimkriegtage) sich dahin geäußert hätte: "Dieser Prince- Consort, er thäte gut, sich unser Traitors-Gate bei Ge¬ legenheit anzusehn. Es ist zwar schon lange, daß Könige da die glibbrige Treppe hinaufgestiegen sind, aber es ist doch noch nicht so lange, daß wir uns dessen nicht mehr entsinnen könnten. Und ein Prince-Consort ist noch lange nicht ein König."
Woldemar, als Melusine dies mit überlegener Miene gesagt hatte, lächelte vor sich hin, was die Gräfin der¬ artig verdroß, daß sie mit einer gewissen Ge¬ reiztheit hinzusetzte: "Sie lächeln. Da seh' ich doch, wie sehr ich im Rechte war, Ihnen die Phantasie ab¬ zusprechen."
"Verzeihen Sie mir ..."
"Und nun werden Sie auch noch pathetisch. Das ist die richtige Ergänzung. Im übrigen, wie könnt' ich mit Ihnen ernsthaft zürnen! Ein berühmter deutscher Professor soll einmal irgendwo gesagt haben: ,niemand sei verpflichtet, ein großer Mann zu sein.' Und ebenso¬ wenig wird er ,große Phantasie' als etwas Pflicht¬ mäßiges gefordert haben."
Woldemar küßte ihr die Hand. "Wissen Sie, Gräfin, daß Sie doch eigentlich recht hochmütig sind?"
"Vielleicht. Aber mancher entwaffnet mich wieder. Und zu diesen gehören Sie."
"Das ist nun auch wieder aus dem Ton."
"Ich weiß es nicht. Aber lassen wir's. Und ver¬
„Ja, weit zurück. Aber es kann wiederkommen. Und gerade das war es, was immer, wenn ich da ſo ſtand, den größten Eindruck auf mich machte. Dieſe Möglichkeit, daß es wiederkehre. Denn ich erinnere mich noch ſehr wohl — ja, du warſt es ſelbſt, Papa, der es mir erzählte — daß Lord Palmerſton einmal, un¬ wirſch über die koburgiſche Nebenpolitik (ich glaube während der Krimkriegtage) ſich dahin geäußert hätte: „Dieſer Prince- Conſort, er thäte gut, ſich unſer Traitors-Gate bei Ge¬ legenheit anzuſehn. Es iſt zwar ſchon lange, daß Könige da die glibbrige Treppe hinaufgeſtiegen ſind, aber es iſt doch noch nicht ſo lange, daß wir uns deſſen nicht mehr entſinnen könnten. Und ein Prince-Conſort iſt noch lange nicht ein König.“
Woldemar, als Meluſine dies mit überlegener Miene geſagt hatte, lächelte vor ſich hin, was die Gräfin der¬ artig verdroß, daß ſie mit einer gewiſſen Ge¬ reiztheit hinzuſetzte: „Sie lächeln. Da ſeh' ich doch, wie ſehr ich im Rechte war, Ihnen die Phantaſie ab¬ zuſprechen.“
„Verzeihen Sie mir ...“
„Und nun werden Sie auch noch pathetiſch. Das iſt die richtige Ergänzung. Im übrigen, wie könnt' ich mit Ihnen ernſthaft zürnen! Ein berühmter deutſcher Profeſſor ſoll einmal irgendwo geſagt haben: ‚niemand ſei verpflichtet, ein großer Mann zu ſein.‘ Und ebenſo¬ wenig wird er ‚große Phantaſie‘ als etwas Pflicht¬ mäßiges gefordert haben.“
Woldemar küßte ihr die Hand. „Wiſſen Sie, Gräfin, daß Sie doch eigentlich recht hochmütig ſind?“
„Vielleicht. Aber mancher entwaffnet mich wieder. Und zu dieſen gehören Sie.“
„Das iſt nun auch wieder aus dem Ton.“
„Ich weiß es nicht. Aber laſſen wir's. Und ver¬
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„Ja, weit zurück. Aber es kann wiederkommen.
Und gerade das war es, was immer, wenn ich da
ſo ſtand, den größten Eindruck auf mich machte. Dieſe
Möglichkeit, daß es wiederkehre. Denn ich erinnere
mich noch ſehr wohl — ja, du warſt es ſelbſt, Papa, der
es mir erzählte — daß Lord Palmerſton einmal, un¬
wirſch über die koburgiſche Nebenpolitik (ich glaube während
der Krimkriegtage) ſich dahin geäußert hätte: „Dieſer Prince-
Conſort, er thäte gut, ſich unſer Traitors-Gate bei Ge¬
legenheit anzuſehn. Es iſt zwar ſchon lange, daß Könige
da die glibbrige Treppe hinaufgeſtiegen ſind, aber es
iſt doch noch nicht ſo lange, daß wir uns deſſen nicht
mehr entſinnen könnten. Und ein Prince-Conſort iſt
noch lange nicht ein König.“
Woldemar, als Meluſine dies mit überlegener Miene
geſagt hatte, lächelte vor ſich hin, was die Gräfin der¬
artig verdroß, daß ſie mit einer gewiſſen Ge¬
reiztheit hinzuſetzte: „Sie lächeln. Da ſeh' ich doch,
wie ſehr ich im Rechte war, Ihnen die Phantaſie ab¬
zuſprechen.“
„Verzeihen Sie mir ...“
„Und nun werden Sie auch noch pathetiſch. Das
iſt die richtige Ergänzung. Im übrigen, wie könnt' ich
mit Ihnen ernſthaft zürnen! Ein berühmter deutſcher
Profeſſor ſoll einmal irgendwo geſagt haben: ‚niemand
ſei verpflichtet, ein großer Mann zu ſein.‘ Und ebenſo¬
wenig wird er ‚große Phantaſie‘ als etwas Pflicht¬
mäßiges gefordert haben.“
Woldemar küßte ihr die Hand. „Wiſſen Sie,
Gräfin, daß Sie doch eigentlich recht hochmütig ſind?“
„Vielleicht. Aber mancher entwaffnet mich wieder.
Und zu dieſen gehören Sie.“
„Das iſt nun auch wieder aus dem Ton.“
„Ich weiß es nicht. Aber laſſen wir's. Und ver¬
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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/294>, abgerufen am 22.11.2024.
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