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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Also Podium und Rotröcke samt aufgeklappter Kiste
links und rechts. Und die hell erleuchtete Uhr darüber
zeigte, daß es nur noch eine Minute bis sechs war. An
ein sich Herandrängen war nicht zu denken, und so flogen
denn die Brief- und Zeitungspakete, die noch mit den
letzten Postzügen fort sollten, in weitem Bogen über die
Köpfe der in Front Stehenden weg, was aber dabei
statt in die Behälter bloß auf das Podium fiel, das
wurde von den Rotröcken mit einer geschickten Fu߬
bewegung in die Futterkisten wie hineingeharkt. Und nun
setzte der Uhrzeiger ein, und das Fliegen der Pakete
steigerte sich, bis genau mit dem sechsten Schlag auch
der Deckel jeder der beiden Kisten zuschlug."

"Reizend, Comtesse. Natürlich seh' ich mir das an,
und wenn ich ein Rendezvous mit der Königin darüber
versäumen müßte."

"Nichts Antimonarchisches," lachte der alte Graf.
"Und so kommen Susans Unthaten schließlich noch ans
Licht."

"Und meine eignen dazu. Glücklicherweise durch
mich selbst."

Das Gespräch setzte sich noch eine Weile fort, und
allerlei Schilderungen aus dem Klein- und Alltagsleben
behielten dabei die Oberhand. Ein paarmal, weil er
wohl sah, daß Woldemar gern auch andres zu hören
wünschte, versuchte der alte Graf das Thema zu wechseln,
aber beide Damen blieben bei "shopping" und "five
o'clock tea
", bis Melusine, der Woldemars Ungeduld
ebenfalls nicht entgangen war, mit einemmale fragte:
"Haben Sie denn je von Traitors-Gate gehört?"

"Nein," sagte Woldemar. "Ich kann es mir aber
übersetzen und meine Schlüsse daraus ziehn."

"Das reicht aus. Also natürlich Tower. Nun
sehen Sie, Traitors-Gate, das war meine Domäne, wenn
Besuch aus Deutschland kam und ich wohl oder übel

Alſo Podium und Rotröcke ſamt aufgeklappter Kiſte
links und rechts. Und die hell erleuchtete Uhr darüber
zeigte, daß es nur noch eine Minute bis ſechs war. An
ein ſich Herandrängen war nicht zu denken, und ſo flogen
denn die Brief- und Zeitungspakete, die noch mit den
letzten Poſtzügen fort ſollten, in weitem Bogen über die
Köpfe der in Front Stehenden weg, was aber dabei
ſtatt in die Behälter bloß auf das Podium fiel, das
wurde von den Rotröcken mit einer geſchickten Fu߬
bewegung in die Futterkiſten wie hineingeharkt. Und nun
ſetzte der Uhrzeiger ein, und das Fliegen der Pakete
ſteigerte ſich, bis genau mit dem ſechſten Schlag auch
der Deckel jeder der beiden Kiſten zuſchlug.“

„Reizend, Comteſſe. Natürlich ſeh' ich mir das an,
und wenn ich ein Rendezvous mit der Königin darüber
verſäumen müßte.“

„Nichts Antimonarchiſches,“ lachte der alte Graf.
„Und ſo kommen Suſans Unthaten ſchließlich noch ans
Licht.“

„Und meine eignen dazu. Glücklicherweiſe durch
mich ſelbſt.“

Das Geſpräch ſetzte ſich noch eine Weile fort, und
allerlei Schilderungen aus dem Klein- und Alltagsleben
behielten dabei die Oberhand. Ein paarmal, weil er
wohl ſah, daß Woldemar gern auch andres zu hören
wünſchte, verſuchte der alte Graf das Thema zu wechſeln,
aber beide Damen blieben bei „shopping“ und „five
o'clock tea
“, bis Meluſine, der Woldemars Ungeduld
ebenfalls nicht entgangen war, mit einemmale fragte:
„Haben Sie denn je von Traitors-Gate gehört?“

„Nein,“ ſagte Woldemar. „Ich kann es mir aber
überſetzen und meine Schlüſſe daraus ziehn.“

„Das reicht aus. Alſo natürlich Tower. Nun
ſehen Sie, Traitors-Gate, das war meine Domäne, wenn
Beſuch aus Deutſchland kam und ich wohl oder übel

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[285/0292] Alſo Podium und Rotröcke ſamt aufgeklappter Kiſte links und rechts. Und die hell erleuchtete Uhr darüber zeigte, daß es nur noch eine Minute bis ſechs war. An ein ſich Herandrängen war nicht zu denken, und ſo flogen denn die Brief- und Zeitungspakete, die noch mit den letzten Poſtzügen fort ſollten, in weitem Bogen über die Köpfe der in Front Stehenden weg, was aber dabei ſtatt in die Behälter bloß auf das Podium fiel, das wurde von den Rotröcken mit einer geſchickten Fu߬ bewegung in die Futterkiſten wie hineingeharkt. Und nun ſetzte der Uhrzeiger ein, und das Fliegen der Pakete ſteigerte ſich, bis genau mit dem ſechſten Schlag auch der Deckel jeder der beiden Kiſten zuſchlug.“ „Reizend, Comteſſe. Natürlich ſeh' ich mir das an, und wenn ich ein Rendezvous mit der Königin darüber verſäumen müßte.“ „Nichts Antimonarchiſches,“ lachte der alte Graf. „Und ſo kommen Suſans Unthaten ſchließlich noch ans Licht.“ „Und meine eignen dazu. Glücklicherweiſe durch mich ſelbſt.“ Das Geſpräch ſetzte ſich noch eine Weile fort, und allerlei Schilderungen aus dem Klein- und Alltagsleben behielten dabei die Oberhand. Ein paarmal, weil er wohl ſah, daß Woldemar gern auch andres zu hören wünſchte, verſuchte der alte Graf das Thema zu wechſeln, aber beide Damen blieben bei „shopping“ und „five o'clock tea“, bis Meluſine, der Woldemars Ungeduld ebenfalls nicht entgangen war, mit einemmale fragte: „Haben Sie denn je von Traitors-Gate gehört?“ „Nein,“ ſagte Woldemar. „Ich kann es mir aber überſetzen und meine Schlüſſe daraus ziehn.“ „Das reicht aus. Alſo natürlich Tower. Nun ſehen Sie, Traitors-Gate, das war meine Domäne, wenn Beſuch aus Deutſchland kam und ich wohl oder übel

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/292>, abgerufen am 25.11.2024.