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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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so viel gestohlen hatte, wie gerad' ein Strick kostete,
der wurde da gehängt."

"Eine merkwürdige Kindermuhme," sagte Stechlin.
"Und erschraken Sie nicht, Comtesse?"

"Nein, von Erschrecken, so lange Susan bei mir
war, war keine Rede. Sie hätte mich gegen eine Welt
verteidigt."

"Das söhnt wieder aus."

"Und kurz und gut, wir blieben auf unserm Weg
und stiegen alsbald in ein zweirädriges Cab, aus dem
heraus wir sehr gut sehen konnten, und jagten die Ox¬
fordstraße hinunter in die City hinein, in ein immer
dichter werdendes Straßengewirr, drin ich nie vorher
gekommen war und auch nachher nicht wieder gekommen
bin. Bloß vor zwei Jahren, als wir auf Besuch drüben
waren und ich den alten Plätzen wieder nachging."

"Ich glaube," sagte Melusine, "daß du bei diesem
zweiten Besuch eine gute Anleihe machst. Denn von
dem mit Susan Gesehenen wirst du zur Zeit nicht mehr
viel zur Verfügung haben."

"Doch, doch. Und nun hielt unser Hansom-Cab
vor einem großen Hause, das halb wie ein Palast und
halb wie ein griechischer Tempel aussah, und unter dessen
Säulengang hinweg wir in eine große, mit vielen hundert
Menschen erfüllte Halle traten. Über ihren Köpfen aber
lag es wie ein Strom von Licht, und ganz nach hinten
zu, wo die Lichtmasse sich zu verdichten schien, standen
auf einem Podium zwei in rote Röcke gekleidete Be¬
dienstete mit ein paar großen Behältern links und rechts
neben sich, die wie Futterkisten mit weit aufgeklapptem
Deckel aussahen."

"Und nun laß Stechlin raten, was es war."

"Er braucht es nicht zu raten," fuhr Armgard
fort, "er weiß es natürlich schon. Aber er muß trotz¬
dem aushalten. Denn er hat es selber so gewollt.

ſo viel geſtohlen hatte, wie gerad' ein Strick koſtete,
der wurde da gehängt.“

„Eine merkwürdige Kindermuhme,“ ſagte Stechlin.
„Und erſchraken Sie nicht, Comteſſe?“

„Nein, von Erſchrecken, ſo lange Suſan bei mir
war, war keine Rede. Sie hätte mich gegen eine Welt
verteidigt.“

„Das ſöhnt wieder aus.“

„Und kurz und gut, wir blieben auf unſerm Weg
und ſtiegen alsbald in ein zweirädriges Cab, aus dem
heraus wir ſehr gut ſehen konnten, und jagten die Ox¬
fordſtraße hinunter in die City hinein, in ein immer
dichter werdendes Straßengewirr, drin ich nie vorher
gekommen war und auch nachher nicht wieder gekommen
bin. Bloß vor zwei Jahren, als wir auf Beſuch drüben
waren und ich den alten Plätzen wieder nachging.“

„Ich glaube,“ ſagte Meluſine, „daß du bei dieſem
zweiten Beſuch eine gute Anleihe machſt. Denn von
dem mit Suſan Geſehenen wirſt du zur Zeit nicht mehr
viel zur Verfügung haben.“

„Doch, doch. Und nun hielt unſer Hanſom-Cab
vor einem großen Hauſe, das halb wie ein Palaſt und
halb wie ein griechiſcher Tempel ausſah, und unter deſſen
Säulengang hinweg wir in eine große, mit vielen hundert
Menſchen erfüllte Halle traten. Über ihren Köpfen aber
lag es wie ein Strom von Licht, und ganz nach hinten
zu, wo die Lichtmaſſe ſich zu verdichten ſchien, ſtanden
auf einem Podium zwei in rote Röcke gekleidete Be¬
dienſtete mit ein paar großen Behältern links und rechts
neben ſich, die wie Futterkiſten mit weit aufgeklapptem
Deckel ausſahen.“

„Und nun laß Stechlin raten, was es war.“

„Er braucht es nicht zu raten,“ fuhr Armgard
fort, „er weiß es natürlich ſchon. Aber er muß trotz¬
dem aushalten. Denn er hat es ſelber ſo gewollt.

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[284/0291] ſo viel geſtohlen hatte, wie gerad' ein Strick koſtete, der wurde da gehängt.“ „Eine merkwürdige Kindermuhme,“ ſagte Stechlin. „Und erſchraken Sie nicht, Comteſſe?“ „Nein, von Erſchrecken, ſo lange Suſan bei mir war, war keine Rede. Sie hätte mich gegen eine Welt verteidigt.“ „Das ſöhnt wieder aus.“ „Und kurz und gut, wir blieben auf unſerm Weg und ſtiegen alsbald in ein zweirädriges Cab, aus dem heraus wir ſehr gut ſehen konnten, und jagten die Ox¬ fordſtraße hinunter in die City hinein, in ein immer dichter werdendes Straßengewirr, drin ich nie vorher gekommen war und auch nachher nicht wieder gekommen bin. Bloß vor zwei Jahren, als wir auf Beſuch drüben waren und ich den alten Plätzen wieder nachging.“ „Ich glaube,“ ſagte Meluſine, „daß du bei dieſem zweiten Beſuch eine gute Anleihe machſt. Denn von dem mit Suſan Geſehenen wirſt du zur Zeit nicht mehr viel zur Verfügung haben.“ „Doch, doch. Und nun hielt unſer Hanſom-Cab vor einem großen Hauſe, das halb wie ein Palaſt und halb wie ein griechiſcher Tempel ausſah, und unter deſſen Säulengang hinweg wir in eine große, mit vielen hundert Menſchen erfüllte Halle traten. Über ihren Köpfen aber lag es wie ein Strom von Licht, und ganz nach hinten zu, wo die Lichtmaſſe ſich zu verdichten ſchien, ſtanden auf einem Podium zwei in rote Röcke gekleidete Be¬ dienſtete mit ein paar großen Behältern links und rechts neben ſich, die wie Futterkiſten mit weit aufgeklapptem Deckel ausſahen.“ „Und nun laß Stechlin raten, was es war.“ „Er braucht es nicht zu raten,“ fuhr Armgard fort, „er weiß es natürlich ſchon. Aber er muß trotz¬ dem aushalten. Denn er hat es ſelber ſo gewollt.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/291>, abgerufen am 22.11.2024.