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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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zu bleiben, nehmen Sie den alten Grafen. Er war
freilich Botschaftsrat, und das klingt ein bißchen nach
was; aber eigentlich ist er doch auch bloß ein un¬
examinierter Naturmensch, und das gerade giebt ihm
seinen Charme. Beiläufig, finden Sie nicht auch, daß
er dem alten Stechlin ähnlich sieht?"

"Ja, äußerlich."

"Auch innerlich. Natürlich 'ne andre Nummer,
aber doch derselbe Zwirn, -- Pardon für den etwas
abgehaspelten Berolinismus. Und wenn Sie vielleicht
an Politik gedacht haben, auch da ist wenig Unterschied.
Der alte Graf ist lange nicht so liberal und der alte
Dubslav lange nicht so junkerlich, wie's aussieht. Dieser
Barby, dessen Familie, glaub' ich, vordem zu den
Reichsunmittelbaren gehörte, dem steckt noch so was von
,Gottesgnadenschaft' in den Knochen, und das giebt dann
die bekannte Sorte von Vornehmheit, die sich den
Liberalismus glaubt gönnen zu können. Und der alte
Dubslav, nun, der hat dafür das im Leibe, was die
richtigen Junker alle haben: ein Stück Sozialdemokratie.
Wenn sie gereizt werden, bekennen sie sich selber dazu."

"Sie verkennen das, Czako. Das alles ist ja bloß
Spielerei."

"Ja, was heißt Spielerei? Spielen. Wir haben
schöne alte Fibelverse, die vor der Gefährlichkeit des
Mit-dem-Feuerspielens warnen. Aber lassen wir Dubslav
und den alten Barby. Wichtiger sind doch zuletzt immer
die Damen, die Gräfin und die Comtesse. Welche wird
es? Ich glaube, wir haben schon mal darüber ge¬
sprochen, damals, als wir von Kloster Wutz her über
den Kremmerdamm ritten. Viel Vertrauen zu Freund
Woldemars richtigem Frauenverständnis hab' ich eigent¬
lich nicht, aber ich sage trotzdem: Melusine."

"Und ich sage: Armgard. Und Sie sagen es im
Stillen auch."


zu bleiben, nehmen Sie den alten Grafen. Er war
freilich Botſchaftsrat, und das klingt ein bißchen nach
was; aber eigentlich iſt er doch auch bloß ein un¬
examinierter Naturmenſch, und das gerade giebt ihm
ſeinen Charme. Beiläufig, finden Sie nicht auch, daß
er dem alten Stechlin ähnlich ſieht?“

„Ja, äußerlich.“

„Auch innerlich. Natürlich 'ne andre Nummer,
aber doch derſelbe Zwirn, — Pardon für den etwas
abgehaſpelten Berolinismus. Und wenn Sie vielleicht
an Politik gedacht haben, auch da iſt wenig Unterſchied.
Der alte Graf iſt lange nicht ſo liberal und der alte
Dubslav lange nicht ſo junkerlich, wie's ausſieht. Dieſer
Barby, deſſen Familie, glaub' ich, vordem zu den
Reichsunmittelbaren gehörte, dem ſteckt noch ſo was von
‚Gottesgnadenſchaft‘ in den Knochen, und das giebt dann
die bekannte Sorte von Vornehmheit, die ſich den
Liberalismus glaubt gönnen zu können. Und der alte
Dubslav, nun, der hat dafür das im Leibe, was die
richtigen Junker alle haben: ein Stück Sozialdemokratie.
Wenn ſie gereizt werden, bekennen ſie ſich ſelber dazu.“

„Sie verkennen das, Czako. Das alles iſt ja bloß
Spielerei.“

„Ja, was heißt Spielerei? Spielen. Wir haben
ſchöne alte Fibelverſe, die vor der Gefährlichkeit des
Mit-dem-Feuerſpielens warnen. Aber laſſen wir Dubslav
und den alten Barby. Wichtiger ſind doch zuletzt immer
die Damen, die Gräfin und die Comteſſe. Welche wird
es? Ich glaube, wir haben ſchon mal darüber ge¬
ſprochen, damals, als wir von Kloſter Wutz her über
den Kremmerdamm ritten. Viel Vertrauen zu Freund
Woldemars richtigem Frauenverſtändnis hab' ich eigent¬
lich nicht, aber ich ſage trotzdem: Meluſine.“

„Und ich ſage: Armgard. Und Sie ſagen es im
Stillen auch.“


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[270/0277] zu bleiben, nehmen Sie den alten Grafen. Er war freilich Botſchaftsrat, und das klingt ein bißchen nach was; aber eigentlich iſt er doch auch bloß ein un¬ examinierter Naturmenſch, und das gerade giebt ihm ſeinen Charme. Beiläufig, finden Sie nicht auch, daß er dem alten Stechlin ähnlich ſieht?“ „Ja, äußerlich.“ „Auch innerlich. Natürlich 'ne andre Nummer, aber doch derſelbe Zwirn, — Pardon für den etwas abgehaſpelten Berolinismus. Und wenn Sie vielleicht an Politik gedacht haben, auch da iſt wenig Unterſchied. Der alte Graf iſt lange nicht ſo liberal und der alte Dubslav lange nicht ſo junkerlich, wie's ausſieht. Dieſer Barby, deſſen Familie, glaub' ich, vordem zu den Reichsunmittelbaren gehörte, dem ſteckt noch ſo was von ‚Gottesgnadenſchaft‘ in den Knochen, und das giebt dann die bekannte Sorte von Vornehmheit, die ſich den Liberalismus glaubt gönnen zu können. Und der alte Dubslav, nun, der hat dafür das im Leibe, was die richtigen Junker alle haben: ein Stück Sozialdemokratie. Wenn ſie gereizt werden, bekennen ſie ſich ſelber dazu.“ „Sie verkennen das, Czako. Das alles iſt ja bloß Spielerei.“ „Ja, was heißt Spielerei? Spielen. Wir haben ſchöne alte Fibelverſe, die vor der Gefährlichkeit des Mit-dem-Feuerſpielens warnen. Aber laſſen wir Dubslav und den alten Barby. Wichtiger ſind doch zuletzt immer die Damen, die Gräfin und die Comteſſe. Welche wird es? Ich glaube, wir haben ſchon mal darüber ge¬ ſprochen, damals, als wir von Kloſter Wutz her über den Kremmerdamm ritten. Viel Vertrauen zu Freund Woldemars richtigem Frauenverſtändnis hab' ich eigent¬ lich nicht, aber ich ſage trotzdem: Meluſine.“ „Und ich ſage: Armgard. Und Sie ſagen es im Stillen auch.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/277>, abgerufen am 22.11.2024.