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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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sei was Inferiores und für mich gerade gut genug.
Aber da machen Sie meiner Meinung nach einen doppelten
Fehler. Denn erstlich ist Klatschen überhaupt nicht
inferior, und zweitens klatschen Sie gerade so gern wie
ich und vielleicht noch ein bißchen lieber. Sie bleiben
nur immer etwas steifer dabei, lehnen meine Frivolitäten
zunächst ab, warten aber eigentlich darauf. Im übrigen
denk' ich, wir lassen all das auf sich beruhn und sprechen
lieber von der Hauptsache. Ich finde, wir können unserm
Freunde Stechlin nicht dankbar genug dafür sein, uns
mit einem so liebenswürdigen Hause bekannt gemacht
zu haben. Den Wrschowitz und den alten Malerprofessor,
der von dem Engel des Gerichts nicht loskonnte, --
nun die beiden schenk' ich Ihnen (ich denke mir, der
Maler wird wohl nach Ihrem Geschmacke sein), aber die
andern, die man da trifft, wie reizend alle, wie natür¬
lich. Obenan dieser Frommel, dieser Hofprediger, der
mir am Theetisch fast noch besser gefällt als auf der
Kanzel. Und dann diese bayrische Baronin. Es ist
doch merkwürdig, daß die Süddeutschen uns im Gesell¬
schaftlichen immer um einen guten Schritt vorauf sind,
nicht von Bildungs, aber von glücklicher Natur wegen.
Und diese glückliche Natur, das ist doch die wahre
Bildung."

"Ach Czako, Sie überschätzen das. Es ist ja richtig,
wenn Sie da so die Würstel aus dem großen Kessel
herausholen und irgend eine Loni oder Toni mit dem
Maßkrug kommt, so sieht das nach was aus, und wir
kommen uns wie verhungerte Schulmeister daneben vor.
Aber eigentlich ist das, was wir haben, doch das Höhere."

"Gott bewahre. Alles, was mit Grammatik und
Examen zusammenhängt, ist nie das Höhere. Waren
die Patriarchen examiniert, oder Moses oder Christus?
Die Pharisäer waren examiniert. Und da sehen Sie,
was dabei herauskommt. Aber, um mehr in der Nähe

ſei was Inferiores und für mich gerade gut genug.
Aber da machen Sie meiner Meinung nach einen doppelten
Fehler. Denn erſtlich iſt Klatſchen überhaupt nicht
inferior, und zweitens klatſchen Sie gerade ſo gern wie
ich und vielleicht noch ein bißchen lieber. Sie bleiben
nur immer etwas ſteifer dabei, lehnen meine Frivolitäten
zunächſt ab, warten aber eigentlich darauf. Im übrigen
denk' ich, wir laſſen all das auf ſich beruhn und ſprechen
lieber von der Hauptſache. Ich finde, wir können unſerm
Freunde Stechlin nicht dankbar genug dafür ſein, uns
mit einem ſo liebenswürdigen Hauſe bekannt gemacht
zu haben. Den Wrſchowitz und den alten Malerprofeſſor,
der von dem Engel des Gerichts nicht loskonnte, —
nun die beiden ſchenk' ich Ihnen (ich denke mir, der
Maler wird wohl nach Ihrem Geſchmacke ſein), aber die
andern, die man da trifft, wie reizend alle, wie natür¬
lich. Obenan dieſer Frommel, dieſer Hofprediger, der
mir am Theetiſch faſt noch beſſer gefällt als auf der
Kanzel. Und dann dieſe bayriſche Baronin. Es iſt
doch merkwürdig, daß die Süddeutſchen uns im Geſell¬
ſchaftlichen immer um einen guten Schritt vorauf ſind,
nicht von Bildungs, aber von glücklicher Natur wegen.
Und dieſe glückliche Natur, das iſt doch die wahre
Bildung.“

„Ach Czako, Sie überſchätzen das. Es iſt ja richtig,
wenn Sie da ſo die Würſtel aus dem großen Keſſel
herausholen und irgend eine Loni oder Toni mit dem
Maßkrug kommt, ſo ſieht das nach was aus, und wir
kommen uns wie verhungerte Schulmeiſter daneben vor.
Aber eigentlich iſt das, was wir haben, doch das Höhere.“

„Gott bewahre. Alles, was mit Grammatik und
Examen zuſammenhängt, iſt nie das Höhere. Waren
die Patriarchen examiniert, oder Moſes oder Chriſtus?
Die Phariſäer waren examiniert. Und da ſehen Sie,
was dabei herauskommt. Aber, um mehr in der Nähe

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[269/0276] ſei was Inferiores und für mich gerade gut genug. Aber da machen Sie meiner Meinung nach einen doppelten Fehler. Denn erſtlich iſt Klatſchen überhaupt nicht inferior, und zweitens klatſchen Sie gerade ſo gern wie ich und vielleicht noch ein bißchen lieber. Sie bleiben nur immer etwas ſteifer dabei, lehnen meine Frivolitäten zunächſt ab, warten aber eigentlich darauf. Im übrigen denk' ich, wir laſſen all das auf ſich beruhn und ſprechen lieber von der Hauptſache. Ich finde, wir können unſerm Freunde Stechlin nicht dankbar genug dafür ſein, uns mit einem ſo liebenswürdigen Hauſe bekannt gemacht zu haben. Den Wrſchowitz und den alten Malerprofeſſor, der von dem Engel des Gerichts nicht loskonnte, — nun die beiden ſchenk' ich Ihnen (ich denke mir, der Maler wird wohl nach Ihrem Geſchmacke ſein), aber die andern, die man da trifft, wie reizend alle, wie natür¬ lich. Obenan dieſer Frommel, dieſer Hofprediger, der mir am Theetiſch faſt noch beſſer gefällt als auf der Kanzel. Und dann dieſe bayriſche Baronin. Es iſt doch merkwürdig, daß die Süddeutſchen uns im Geſell¬ ſchaftlichen immer um einen guten Schritt vorauf ſind, nicht von Bildungs, aber von glücklicher Natur wegen. Und dieſe glückliche Natur, das iſt doch die wahre Bildung.“ „Ach Czako, Sie überſchätzen das. Es iſt ja richtig, wenn Sie da ſo die Würſtel aus dem großen Keſſel herausholen und irgend eine Loni oder Toni mit dem Maßkrug kommt, ſo ſieht das nach was aus, und wir kommen uns wie verhungerte Schulmeiſter daneben vor. Aber eigentlich iſt das, was wir haben, doch das Höhere.“ „Gott bewahre. Alles, was mit Grammatik und Examen zuſammenhängt, iſt nie das Höhere. Waren die Patriarchen examiniert, oder Moſes oder Chriſtus? Die Phariſäer waren examiniert. Und da ſehen Sie, was dabei herauskommt. Aber, um mehr in der Nähe

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/276>, abgerufen am 22.11.2024.