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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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keit des einzelnen. Aber darauf kommt es nicht an.
Worauf es ankommt, das ist Erfüllung unsrer Pflicht."

Katzler, als er dies Wort hörte, sah sich nach
einem Etwas um, das ihn in den Stand gesetzt hätte,
dem Gespräch eine andere Wendung zu geben. Aber,
wie stets in solchen Momenten, das, was retten konnte,
war nicht zu finden, und so sah er denn wohl, daß er
einem Vortrage der Prinzessin über ihr Lieblingsthema
"von der Pflicht" verfallen sei. Dabei war er eigent¬
lich hungrig.

Ermyntrud wies auf ein Taburet, das sie mittler¬
weile neben ihren Sofaplatz geschoben, und sagte: "Daß
ich immer wieder davon sprechen muß, Wladimir. Wir
leben eben nicht in der Welt um unsert-, sondern um
andrer willen. Ich will nicht sagen um der Menschheit
willen, was eitel klingt, wiewohl es eigentlich wohl so
sein sollte. Was uns obliegt, ist nicht die Lust des
Lebens, auch nicht einmal die Liebe, die wirkliche, sondern
lediglich die Pflicht ..."

"Gewiß, Ermyntrud. Wir sind einig darüber. Es
ist dies außerdem auch etwas speziell Preußisches. Wir
sind dadurch vor andern Nationen ausgezeichnet, und
selbst bei denen, die uns nicht begreifen oder übelwollen,
dämmert die Vorstellung von unsrer daraus entspringen¬
den Überlegenheit. Aber es giebt doch Unterschiede,
Grade. Wenn ich statt zu der Stechliner Wählerver¬
sammlung lieber zu Doktor Sponholz oder zur alten
Stinten in Kloster Wutz (die ja schon früher einmal
dabei war) gefahren wäre, so wäre das doch vielleicht
das Bessere gewesen. Es ist ein Glück, daß es noch
mal so vorübergegangen. Aber darauf darf man nicht
in jedem Falle rechnen."

"Nein, darauf darf man nicht in jedem Falle
rechnen. Aber man darf darauf rechnen, daß, wenn
man das Pflichtgemäße thut, man zugleich auch das

keit des einzelnen. Aber darauf kommt es nicht an.
Worauf es ankommt, das iſt Erfüllung unſrer Pflicht.“

Katzler, als er dies Wort hörte, ſah ſich nach
einem Etwas um, das ihn in den Stand geſetzt hätte,
dem Geſpräch eine andere Wendung zu geben. Aber,
wie ſtets in ſolchen Momenten, das, was retten konnte,
war nicht zu finden, und ſo ſah er denn wohl, daß er
einem Vortrage der Prinzeſſin über ihr Lieblingsthema
„von der Pflicht“ verfallen ſei. Dabei war er eigent¬
lich hungrig.

Ermyntrud wies auf ein Taburet, das ſie mittler¬
weile neben ihren Sofaplatz geſchoben, und ſagte: „Daß
ich immer wieder davon ſprechen muß, Wladimir. Wir
leben eben nicht in der Welt um unſert-, ſondern um
andrer willen. Ich will nicht ſagen um der Menſchheit
willen, was eitel klingt, wiewohl es eigentlich wohl ſo
ſein ſollte. Was uns obliegt, iſt nicht die Luſt des
Lebens, auch nicht einmal die Liebe, die wirkliche, ſondern
lediglich die Pflicht ...“

„Gewiß, Ermyntrud. Wir ſind einig darüber. Es
iſt dies außerdem auch etwas ſpeziell Preußiſches. Wir
ſind dadurch vor andern Nationen ausgezeichnet, und
ſelbſt bei denen, die uns nicht begreifen oder übelwollen,
dämmert die Vorſtellung von unſrer daraus entſpringen¬
den Überlegenheit. Aber es giebt doch Unterſchiede,
Grade. Wenn ich ſtatt zu der Stechliner Wählerver¬
ſammlung lieber zu Doktor Sponholz oder zur alten
Stinten in Kloſter Wutz (die ja ſchon früher einmal
dabei war) gefahren wäre, ſo wäre das doch vielleicht
das Beſſere geweſen. Es iſt ein Glück, daß es noch
mal ſo vorübergegangen. Aber darauf darf man nicht
in jedem Falle rechnen.“

„Nein, darauf darf man nicht in jedem Falle
rechnen. Aber man darf darauf rechnen, daß, wenn
man das Pflichtgemäße thut, man zugleich auch das

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[228/0235] keit des einzelnen. Aber darauf kommt es nicht an. Worauf es ankommt, das iſt Erfüllung unſrer Pflicht.“ Katzler, als er dies Wort hörte, ſah ſich nach einem Etwas um, das ihn in den Stand geſetzt hätte, dem Geſpräch eine andere Wendung zu geben. Aber, wie ſtets in ſolchen Momenten, das, was retten konnte, war nicht zu finden, und ſo ſah er denn wohl, daß er einem Vortrage der Prinzeſſin über ihr Lieblingsthema „von der Pflicht“ verfallen ſei. Dabei war er eigent¬ lich hungrig. Ermyntrud wies auf ein Taburet, das ſie mittler¬ weile neben ihren Sofaplatz geſchoben, und ſagte: „Daß ich immer wieder davon ſprechen muß, Wladimir. Wir leben eben nicht in der Welt um unſert-, ſondern um andrer willen. Ich will nicht ſagen um der Menſchheit willen, was eitel klingt, wiewohl es eigentlich wohl ſo ſein ſollte. Was uns obliegt, iſt nicht die Luſt des Lebens, auch nicht einmal die Liebe, die wirkliche, ſondern lediglich die Pflicht ...“ „Gewiß, Ermyntrud. Wir ſind einig darüber. Es iſt dies außerdem auch etwas ſpeziell Preußiſches. Wir ſind dadurch vor andern Nationen ausgezeichnet, und ſelbſt bei denen, die uns nicht begreifen oder übelwollen, dämmert die Vorſtellung von unſrer daraus entſpringen¬ den Überlegenheit. Aber es giebt doch Unterſchiede, Grade. Wenn ich ſtatt zu der Stechliner Wählerver¬ ſammlung lieber zu Doktor Sponholz oder zur alten Stinten in Kloſter Wutz (die ja ſchon früher einmal dabei war) gefahren wäre, ſo wäre das doch vielleicht das Beſſere geweſen. Es iſt ein Glück, daß es noch mal ſo vorübergegangen. Aber darauf darf man nicht in jedem Falle rechnen.“ „Nein, darauf darf man nicht in jedem Falle rechnen. Aber man darf darauf rechnen, daß, wenn man das Pflichtgemäße thut, man zugleich auch das

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/235>, abgerufen am 24.11.2024.