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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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die Zukunft, und wenn er in die hineinsah, so sah er
einen langen, langen Korridor mit Oberlicht und am
Ausgang ein Klingelschild mit der Aufschrift: "Dr. Kose¬
leger, Generalsuperintendent."


So ziemlich um dieselbe Stunde, wo die beiden
Amtsbrüder "auf bessere Zeiten" anstießen, hielt Katzlers
Pürschwagen -- die Sterne blinkten schon -- vor seiner
Oberförsterei. Das Blaffen der Hunde, das, solange
der Wagen noch weit ab war, unausgesetzt über die
Waldwiese hingeklungen war, verkehrte sich mit einem
Mal in winseliges Geheul und wunderliche Freuden¬
töne. Katzler sprang aus dem Wagen, hing den Hut
an einen im Flur stehenden Ständer (von den ewigen
"Geweihen" wollte er als feiner Mann nichts wissen)
und trat gleich danach in das an der linken Flurseite
gelegene, matt erleuchtete Wohnzimmer seiner Frau. Das
gedämpfte Licht ließ sie noch blasser erscheinen, als sie
war. Sie hatte sich, als der Wagen hielt, von ihrem
Sofaplatz erhoben und kam ihrem Manne, wie sie regel¬
mäßig zu thun pflegte, wenn er aus dem Walde zurück¬
kam, zu freundlicher Begrüßung entgegen. Ein als
Weihnachtsgeschenk für eine jüngere Schwester bestimmtes
Batisttuch, in das sie eben die letzte Zacke der Ippe-
Büchsensteinschen Krone hineinstickte, hatte sie, bevor sie
sich vom Sofa erhob, aus der Hand gelegt. Sie war
nicht schön, dazu von einem lymphatisch-sentimentalen
Ausdruck, aber ihre stattliche Haltung und mehr noch
die Art, wie sie sich kleidete, ließen sie doch als etwas
durchaus Apartes und beinahe Fremdländisches erscheinen.
Sie trug, nach Art eines Morgenrockes, ein glatt herab¬
hängendes, leis gelbgetöntes Wollkleid und als Eigen¬
tümlichstes einen aus demselben gelblichen Wollstoff her¬

die Zukunft, und wenn er in die hineinſah, ſo ſah er
einen langen, langen Korridor mit Oberlicht und am
Ausgang ein Klingelſchild mit der Aufſchrift: „Dr. Koſe¬
leger, Generalſuperintendent.“


So ziemlich um dieſelbe Stunde, wo die beiden
Amtsbrüder „auf beſſere Zeiten“ anſtießen, hielt Katzlers
Pürſchwagen — die Sterne blinkten ſchon — vor ſeiner
Oberförſterei. Das Blaffen der Hunde, das, ſolange
der Wagen noch weit ab war, unausgeſetzt über die
Waldwieſe hingeklungen war, verkehrte ſich mit einem
Mal in winſeliges Geheul und wunderliche Freuden¬
töne. Katzler ſprang aus dem Wagen, hing den Hut
an einen im Flur ſtehenden Ständer (von den ewigen
„Geweihen“ wollte er als feiner Mann nichts wiſſen)
und trat gleich danach in das an der linken Flurſeite
gelegene, matt erleuchtete Wohnzimmer ſeiner Frau. Das
gedämpfte Licht ließ ſie noch blaſſer erſcheinen, als ſie
war. Sie hatte ſich, als der Wagen hielt, von ihrem
Sofaplatz erhoben und kam ihrem Manne, wie ſie regel¬
mäßig zu thun pflegte, wenn er aus dem Walde zurück¬
kam, zu freundlicher Begrüßung entgegen. Ein als
Weihnachtsgeſchenk für eine jüngere Schweſter beſtimmtes
Batiſttuch, in das ſie eben die letzte Zacke der Ippe-
Büchſenſteinſchen Krone hineinſtickte, hatte ſie, bevor ſie
ſich vom Sofa erhob, aus der Hand gelegt. Sie war
nicht ſchön, dazu von einem lymphatiſch-ſentimentalen
Ausdruck, aber ihre ſtattliche Haltung und mehr noch
die Art, wie ſie ſich kleidete, ließen ſie doch als etwas
durchaus Apartes und beinahe Fremdländiſches erſcheinen.
Sie trug, nach Art eines Morgenrockes, ein glatt herab¬
hängendes, leis gelbgetöntes Wollkleid und als Eigen¬
tümlichſtes einen aus demſelben gelblichen Wollſtoff her¬

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[226/0233] die Zukunft, und wenn er in die hineinſah, ſo ſah er einen langen, langen Korridor mit Oberlicht und am Ausgang ein Klingelſchild mit der Aufſchrift: „Dr. Koſe¬ leger, Generalſuperintendent.“ So ziemlich um dieſelbe Stunde, wo die beiden Amtsbrüder „auf beſſere Zeiten“ anſtießen, hielt Katzlers Pürſchwagen — die Sterne blinkten ſchon — vor ſeiner Oberförſterei. Das Blaffen der Hunde, das, ſolange der Wagen noch weit ab war, unausgeſetzt über die Waldwieſe hingeklungen war, verkehrte ſich mit einem Mal in winſeliges Geheul und wunderliche Freuden¬ töne. Katzler ſprang aus dem Wagen, hing den Hut an einen im Flur ſtehenden Ständer (von den ewigen „Geweihen“ wollte er als feiner Mann nichts wiſſen) und trat gleich danach in das an der linken Flurſeite gelegene, matt erleuchtete Wohnzimmer ſeiner Frau. Das gedämpfte Licht ließ ſie noch blaſſer erſcheinen, als ſie war. Sie hatte ſich, als der Wagen hielt, von ihrem Sofaplatz erhoben und kam ihrem Manne, wie ſie regel¬ mäßig zu thun pflegte, wenn er aus dem Walde zurück¬ kam, zu freundlicher Begrüßung entgegen. Ein als Weihnachtsgeſchenk für eine jüngere Schweſter beſtimmtes Batiſttuch, in das ſie eben die letzte Zacke der Ippe- Büchſenſteinſchen Krone hineinſtickte, hatte ſie, bevor ſie ſich vom Sofa erhob, aus der Hand gelegt. Sie war nicht ſchön, dazu von einem lymphatiſch-ſentimentalen Ausdruck, aber ihre ſtattliche Haltung und mehr noch die Art, wie ſie ſich kleidete, ließen ſie doch als etwas durchaus Apartes und beinahe Fremdländiſches erſcheinen. Sie trug, nach Art eines Morgenrockes, ein glatt herab¬ hängendes, leis gelbgetöntes Wollkleid und als Eigen¬ tümlichſtes einen aus demſelben gelblichen Wollſtoff her¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/233>, abgerufen am 24.11.2024.