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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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es ist zu spät dazu, denn das helle Licht, das Sie da
sehen, das ist bereits unser Dampfer. Wir haben keine
Wahl mehr, wir müssen abbrechen, wenn wir nicht im
Eierhäuschen ein Nachtquartier nehmen wollen. Unter¬
wegs ist übrigens Lorenzen ein wundervolles Thema,
vorausgesetzt, daß uns der Anblick der Liebesinsel nicht
wieder auf andre Dinge bringt. Aber hören Sie ...
der Dampfer läutet schon ... wir müssen eilen. Bis
an die Anlegestelle sind noch mindestens drei Minuten!"


Und nun war man glücklich auf dem Schiff, auf dem
Woldemar und die Damen ihre schon auf der Hinfahrt
innegehabten Plätze sofort wieder einnahmen. Nur die
beiden in ihre Plaids gewickelten alten Herren schritten
auf Deck auf und ab und sahen, wenn sie vorn am Bug¬
spriet eine kurze Rast machten, auf die vielen hundert
Lichter, die sich von beiden Ufern her im Fluß spiegelten.
Unten im Maschinenraum hörte man das Klappern und
Stampfen, während die Schiffsschraube das Wasser nach
hinten schleuderte, daß es in einem weißen Schaumstreifen
dem Schiffe folgte. Sonst war alles still, so still, daß
die Damen ihr Gespräch unterbrachen. "Armgard, du
bist so schweigsam," sagte Melusine, "finden Sie nicht
auch, lieber Stechlin? Meine Schwester hat noch keine
zehn Worte gesprochen."

"Ich glaube, Gräfin, wir lassen die Comtesse. Manchem
kleidet es zu sprechen, und manchem kleidet es zu schweigen.
Jedes Beisammensein braucht einen Schweiger."

"Ich werde Nutzen aus dieser Lehre ziehen."

"Ich glaub' es nicht, Gräfin, und vor allem wünsch'
ich es nicht. Wer könnt' es wünschen?"

Sie drohte ihm mit dem[ ]Finger. Dann schwieg man
wieder und sah auf die Landschaft, die da, wo der am

es iſt zu ſpät dazu, denn das helle Licht, das Sie da
ſehen, das iſt bereits unſer Dampfer. Wir haben keine
Wahl mehr, wir müſſen abbrechen, wenn wir nicht im
Eierhäuschen ein Nachtquartier nehmen wollen. Unter¬
wegs iſt übrigens Lorenzen ein wundervolles Thema,
vorausgeſetzt, daß uns der Anblick der Liebesinſel nicht
wieder auf andre Dinge bringt. Aber hören Sie ...
der Dampfer läutet ſchon ... wir müſſen eilen. Bis
an die Anlegeſtelle ſind noch mindeſtens drei Minuten!“


Und nun war man glücklich auf dem Schiff, auf dem
Woldemar und die Damen ihre ſchon auf der Hinfahrt
innegehabten Plätze ſofort wieder einnahmen. Nur die
beiden in ihre Plaids gewickelten alten Herren ſchritten
auf Deck auf und ab und ſahen, wenn ſie vorn am Bug¬
ſpriet eine kurze Raſt machten, auf die vielen hundert
Lichter, die ſich von beiden Ufern her im Fluß ſpiegelten.
Unten im Maſchinenraum hörte man das Klappern und
Stampfen, während die Schiffsſchraube das Waſſer nach
hinten ſchleuderte, daß es in einem weißen Schaumſtreifen
dem Schiffe folgte. Sonſt war alles ſtill, ſo ſtill, daß
die Damen ihr Geſpräch unterbrachen. „Armgard, du
biſt ſo ſchweigſam,“ ſagte Meluſine, „finden Sie nicht
auch, lieber Stechlin? Meine Schweſter hat noch keine
zehn Worte geſprochen.“

„Ich glaube, Gräfin, wir laſſen die Comteſſe. Manchem
kleidet es zu ſprechen, und manchem kleidet es zu ſchweigen.
Jedes Beiſammenſein braucht einen Schweiger.“

„Ich werde Nutzen aus dieſer Lehre ziehen.“

„Ich glaub' es nicht, Gräfin, und vor allem wünſch'
ich es nicht. Wer könnt' es wünſchen?“

Sie drohte ihm mit dem[ ]Finger. Dann ſchwieg man
wieder und ſah auf die Landſchaft, die da, wo der am

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[197/0204] es iſt zu ſpät dazu, denn das helle Licht, das Sie da ſehen, das iſt bereits unſer Dampfer. Wir haben keine Wahl mehr, wir müſſen abbrechen, wenn wir nicht im Eierhäuschen ein Nachtquartier nehmen wollen. Unter¬ wegs iſt übrigens Lorenzen ein wundervolles Thema, vorausgeſetzt, daß uns der Anblick der Liebesinſel nicht wieder auf andre Dinge bringt. Aber hören Sie ... der Dampfer läutet ſchon ... wir müſſen eilen. Bis an die Anlegeſtelle ſind noch mindeſtens drei Minuten!“ Und nun war man glücklich auf dem Schiff, auf dem Woldemar und die Damen ihre ſchon auf der Hinfahrt innegehabten Plätze ſofort wieder einnahmen. Nur die beiden in ihre Plaids gewickelten alten Herren ſchritten auf Deck auf und ab und ſahen, wenn ſie vorn am Bug¬ ſpriet eine kurze Raſt machten, auf die vielen hundert Lichter, die ſich von beiden Ufern her im Fluß ſpiegelten. Unten im Maſchinenraum hörte man das Klappern und Stampfen, während die Schiffsſchraube das Waſſer nach hinten ſchleuderte, daß es in einem weißen Schaumſtreifen dem Schiffe folgte. Sonſt war alles ſtill, ſo ſtill, daß die Damen ihr Geſpräch unterbrachen. „Armgard, du biſt ſo ſchweigſam,“ ſagte Meluſine, „finden Sie nicht auch, lieber Stechlin? Meine Schweſter hat noch keine zehn Worte geſprochen.“ „Ich glaube, Gräfin, wir laſſen die Comteſſe. Manchem kleidet es zu ſprechen, und manchem kleidet es zu ſchweigen. Jedes Beiſammenſein braucht einen Schweiger.“ „Ich werde Nutzen aus dieſer Lehre ziehen.“ „Ich glaub' es nicht, Gräfin, und vor allem wünſch' ich es nicht. Wer könnt' es wünſchen?“ Sie drohte ihm mit dem Finger. Dann ſchwieg man wieder und ſah auf die Landſchaft, die da, wo der am

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/204>, abgerufen am 22.11.2024.