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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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schieden wie nur möglich, auch schon in ihrer äußeren
Erscheinung. Imme, der Barbysche Kutscher, ein ebenso
martialisch wie gutmütig dreinschauender Mecklenburger,
hätte mit seinem angegrauten Sappeurbart ohne weiteres
vor eine Gardetruppe treten und den Zug als Tambour¬
major eröffnen können, während der Berchtesgadensche,
der seine Jugend als Trainer und halber Sportsmann
zugebracht hatte, nicht bloß einen englischen Namen führte,
sondern auch ein typischer Engländer war, hager, sehnig,
kurz geschoren und glatt rasiert. Seine Glotzaugen hatten
etwas Stupides; er war aber trotzdem klug genug und
wußte, wenn's galt, seinem Vorteil nachzugehen. Das
Deutsche machte ihm noch immer Schwierigkeiten, trotzdem
er sich aufrichtige Mühe damit gab und sogar das be¬
queme Zuhilfenehmen englischer Wörter vermied, am
meisten dann, wenn er sich die Berlinerinnen seiner Be¬
kanntschaft abquälen sah, ihm mit "well, well, Mr. Ro¬
binson"
oder gar mit einem geheimnisvollen "indeed"
zu Hilfe zu kommen. Nur mit dem einen war er ein¬
verstanden, daß man ihn "Mr. Robinson" nannte. Das
ließ er sich gefallen.

"Now, Mr. Robinson," sagte Imme, als sie Bock
an Bock nebeneinander hielten, "how are you? I hope
quite well."

"Danke, Mr. Imme, danke! Was macht die Frau?"

"Ja, Robinson, da müssen Sie, denk' ich, selber nach¬
sehen, und zwar gleich heute, wo die Herrschaften fort
sind und erst spät wiederkommen. Noch dazu mit der
Stadtbahn. Wenigstens von hier aus, Jannowitzbrücke.
Sagen wir also neun; eher sind sie nicht zurück. Und
bis dahin haben wir einen guten Skat. Hartwig als
dritter wird schon kommen; Portiers können immer. Die
Frau zieht ebenso gut die Thür auf wie er, und weiter
is es ja nichts. Also Klocker fünf: ein ,Nein' gilt nicht;

Fontane, Der Stechlin. 12

ſchieden wie nur möglich, auch ſchon in ihrer äußeren
Erſcheinung. Imme, der Barbyſche Kutſcher, ein ebenſo
martialiſch wie gutmütig dreinſchauender Mecklenburger,
hätte mit ſeinem angegrauten Sappeurbart ohne weiteres
vor eine Gardetruppe treten und den Zug als Tambour¬
major eröffnen können, während der Berchtesgadenſche,
der ſeine Jugend als Trainer und halber Sportsmann
zugebracht hatte, nicht bloß einen engliſchen Namen führte,
ſondern auch ein typiſcher Engländer war, hager, ſehnig,
kurz geſchoren und glatt raſiert. Seine Glotzaugen hatten
etwas Stupides; er war aber trotzdem klug genug und
wußte, wenn's galt, ſeinem Vorteil nachzugehen. Das
Deutſche machte ihm noch immer Schwierigkeiten, trotzdem
er ſich aufrichtige Mühe damit gab und ſogar das be¬
queme Zuhilfenehmen engliſcher Wörter vermied, am
meiſten dann, wenn er ſich die Berlinerinnen ſeiner Be¬
kanntſchaft abquälen ſah, ihm mit „well, well, Mr. Ro¬
binson“
oder gar mit einem geheimnisvollen „indeed“
zu Hilfe zu kommen. Nur mit dem einen war er ein¬
verſtanden, daß man ihn „Mr. Robinſon“ nannte. Das
ließ er ſich gefallen.

„Now, Mr. Robinson,“ ſagte Imme, als ſie Bock
an Bock nebeneinander hielten, „how are you? I hope
quite well.“

„Danke, Mr. Imme, danke! Was macht die Frau?“

„Ja, Robinſon, da müſſen Sie, denk' ich, ſelber nach¬
ſehen, und zwar gleich heute, wo die Herrſchaften fort
ſind und erſt ſpät wiederkommen. Noch dazu mit der
Stadtbahn. Wenigſtens von hier aus, Jannowitzbrücke.
Sagen wir alſo neun; eher ſind ſie nicht zurück. Und
bis dahin haben wir einen guten Skat. Hartwig als
dritter wird ſchon kommen; Portiers können immer. Die
Frau zieht ebenſo gut die Thür auf wie er, und weiter
is es ja nichts. Alſo Klocker fünf: ein ‚Nein‘ gilt nicht;

Fontane, Der Stechlin. 12
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[177/0184] ſchieden wie nur möglich, auch ſchon in ihrer äußeren Erſcheinung. Imme, der Barbyſche Kutſcher, ein ebenſo martialiſch wie gutmütig dreinſchauender Mecklenburger, hätte mit ſeinem angegrauten Sappeurbart ohne weiteres vor eine Gardetruppe treten und den Zug als Tambour¬ major eröffnen können, während der Berchtesgadenſche, der ſeine Jugend als Trainer und halber Sportsmann zugebracht hatte, nicht bloß einen engliſchen Namen führte, ſondern auch ein typiſcher Engländer war, hager, ſehnig, kurz geſchoren und glatt raſiert. Seine Glotzaugen hatten etwas Stupides; er war aber trotzdem klug genug und wußte, wenn's galt, ſeinem Vorteil nachzugehen. Das Deutſche machte ihm noch immer Schwierigkeiten, trotzdem er ſich aufrichtige Mühe damit gab und ſogar das be¬ queme Zuhilfenehmen engliſcher Wörter vermied, am meiſten dann, wenn er ſich die Berlinerinnen ſeiner Be¬ kanntſchaft abquälen ſah, ihm mit „well, well, Mr. Ro¬ binson“ oder gar mit einem geheimnisvollen „indeed“ zu Hilfe zu kommen. Nur mit dem einen war er ein¬ verſtanden, daß man ihn „Mr. Robinſon“ nannte. Das ließ er ſich gefallen. „Now, Mr. Robinson,“ ſagte Imme, als ſie Bock an Bock nebeneinander hielten, „how are you? I hope quite well.“ „Danke, Mr. Imme, danke! Was macht die Frau?“ „Ja, Robinſon, da müſſen Sie, denk' ich, ſelber nach¬ ſehen, und zwar gleich heute, wo die Herrſchaften fort ſind und erſt ſpät wiederkommen. Noch dazu mit der Stadtbahn. Wenigſtens von hier aus, Jannowitzbrücke. Sagen wir alſo neun; eher ſind ſie nicht zurück. Und bis dahin haben wir einen guten Skat. Hartwig als dritter wird ſchon kommen; Portiers können immer. Die Frau zieht ebenſo gut die Thür auf wie er, und weiter is es ja nichts. Alſo Klocker fünf: ein ‚Nein‘ gilt nicht; Fontane, Der Stechlin. 12

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/184>, abgerufen am 25.11.2024.