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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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zum Dessert zu warten. Das ist ja doch auch die eigent¬
liche Zeit für Vielliebchen."

"Nun, wie Sie wollen, Herr Hauptmann. Und ich
werde diese zwei bis dahin für uns aufheben. Aber
diese dritte hier, die nicht mehr so ganz dazu gehört,
die werd' ich essen. Ich esse so gern Pflaumen. Und Sie
werden sie mir auch gönnen."

"Alles, alles. Eine Welt."

Es schien fast, als ob sich Czako noch weiter über
dies Pflaumenthema, namentlich auch über die sich da¬
rin bergenden Wagnisse verbreiten wollte, kam aber nicht
dazu, weil eben jetzt ein Diener in weißen Baumwoll¬
handschuhen, augenscheinlich eine Gelegenheitsschöpfung,
in der Hofthür sichtbar wurde. Dies war das mit der
Domina verabredete Zeichen, daß der Tisch gedeckt sei.
Die Schmargendorf, ebenfalls eingeweiht in diese zu
raschen Entschlüssen drängende Zeichensprache, bückte sich
deshalb, um von einem der Gemüsebeete rasch noch ein
großes Kohlblatt abzubrechen, auf das sie sorglich die
beiden rotgetüpfelten Pflaumen legte. Gleich danach aber
aufs neue des Hauptmanns Arm nehmend, schritt sie,
unter Vorantritt der Domina, auf Hof und Flur und
ganz zuletzt auf den Salon zu, der sich inzwischen in
manchem Stücke verändert hatte, vor allem darin, daß
neben dem Kamin eine zweite Konventualin stand, in
dunkler Seide, mit Kopfschleifen und tiefliegenden, starren
Kakadu-Augen, die in das Wesen aller Dinge einzudringen
schienen.

"Ah, meine Liebste," sagte die Domina, auf diese
zweite Konventualin zuschreitend, "es freut mich herzlich,
daß Sie sich, trotz Migräne, noch herausgemacht haben;
wir wären sonst ohne dritte Tischdame geblieben. Er¬
lauben Sie mir vorzustellen: Herr von Rex, Herr von
Czako ... Fräulein von Triglaff aus dem Hause Triglaff."

Rex und Czako verbeugten sich, während Wolde¬

zum Deſſert zu warten. Das iſt ja doch auch die eigent¬
liche Zeit für Vielliebchen.“

„Nun, wie Sie wollen, Herr Hauptmann. Und ich
werde dieſe zwei bis dahin für uns aufheben. Aber
dieſe dritte hier, die nicht mehr ſo ganz dazu gehört,
die werd' ich eſſen. Ich eſſe ſo gern Pflaumen. Und Sie
werden ſie mir auch gönnen.“

„Alles, alles. Eine Welt.“

Es ſchien faſt, als ob ſich Czako noch weiter über
dies Pflaumenthema, namentlich auch über die ſich da¬
rin bergenden Wagniſſe verbreiten wollte, kam aber nicht
dazu, weil eben jetzt ein Diener in weißen Baumwoll¬
handſchuhen, augenſcheinlich eine Gelegenheitsſchöpfung,
in der Hofthür ſichtbar wurde. Dies war das mit der
Domina verabredete Zeichen, daß der Tiſch gedeckt ſei.
Die Schmargendorf, ebenfalls eingeweiht in dieſe zu
raſchen Entſchlüſſen drängende Zeichenſprache, bückte ſich
deshalb, um von einem der Gemüſebeete raſch noch ein
großes Kohlblatt abzubrechen, auf das ſie ſorglich die
beiden rotgetüpfelten Pflaumen legte. Gleich danach aber
aufs neue des Hauptmanns Arm nehmend, ſchritt ſie,
unter Vorantritt der Domina, auf Hof und Flur und
ganz zuletzt auf den Salon zu, der ſich inzwiſchen in
manchem Stücke verändert hatte, vor allem darin, daß
neben dem Kamin eine zweite Konventualin ſtand, in
dunkler Seide, mit Kopfſchleifen und tiefliegenden, ſtarren
Kakadu-Augen, die in das Weſen aller Dinge einzudringen
ſchienen.

„Ah, meine Liebſte,“ ſagte die Domina, auf dieſe
zweite Konventualin zuſchreitend, „es freut mich herzlich,
daß Sie ſich, trotz Migräne, noch herausgemacht haben;
wir wären ſonſt ohne dritte Tiſchdame geblieben. Er¬
lauben Sie mir vorzuſtellen: Herr von Rex, Herr von
Czako ... Fräulein von Triglaff aus dem Hauſe Triglaff.“

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[110/0117] zum Deſſert zu warten. Das iſt ja doch auch die eigent¬ liche Zeit für Vielliebchen.“ „Nun, wie Sie wollen, Herr Hauptmann. Und ich werde dieſe zwei bis dahin für uns aufheben. Aber dieſe dritte hier, die nicht mehr ſo ganz dazu gehört, die werd' ich eſſen. Ich eſſe ſo gern Pflaumen. Und Sie werden ſie mir auch gönnen.“ „Alles, alles. Eine Welt.“ Es ſchien faſt, als ob ſich Czako noch weiter über dies Pflaumenthema, namentlich auch über die ſich da¬ rin bergenden Wagniſſe verbreiten wollte, kam aber nicht dazu, weil eben jetzt ein Diener in weißen Baumwoll¬ handſchuhen, augenſcheinlich eine Gelegenheitsſchöpfung, in der Hofthür ſichtbar wurde. Dies war das mit der Domina verabredete Zeichen, daß der Tiſch gedeckt ſei. Die Schmargendorf, ebenfalls eingeweiht in dieſe zu raſchen Entſchlüſſen drängende Zeichenſprache, bückte ſich deshalb, um von einem der Gemüſebeete raſch noch ein großes Kohlblatt abzubrechen, auf das ſie ſorglich die beiden rotgetüpfelten Pflaumen legte. Gleich danach aber aufs neue des Hauptmanns Arm nehmend, ſchritt ſie, unter Vorantritt der Domina, auf Hof und Flur und ganz zuletzt auf den Salon zu, der ſich inzwiſchen in manchem Stücke verändert hatte, vor allem darin, daß neben dem Kamin eine zweite Konventualin ſtand, in dunkler Seide, mit Kopfſchleifen und tiefliegenden, ſtarren Kakadu-Augen, die in das Weſen aller Dinge einzudringen ſchienen. „Ah, meine Liebſte,“ ſagte die Domina, auf dieſe zweite Konventualin zuſchreitend, „es freut mich herzlich, daß Sie ſich, trotz Migräne, noch herausgemacht haben; wir wären ſonſt ohne dritte Tiſchdame geblieben. Er¬ lauben Sie mir vorzuſtellen: Herr von Rex, Herr von Czako ... Fräulein von Triglaff aus dem Hauſe Triglaff.“ Rex und Czako verbeugten ſich, während Wolde¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/117>, abgerufen am 23.11.2024.