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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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glaub' ich, erst um neun. Und bis dahin erzähl' ich
dir eine Welt und -- beichte."

"Nein, nein, Woldemar, nicht das, nicht das. Er¬
zählen sollst du mir recht, recht viel. Und ich habe so¬
gar Fragen auf dem Herzen. Du weißt wohl schon,
welche. Aber nur nicht beichten. Schon das Wort macht
mir jedesmal ein Unbehagen. Es hat solch ausgesprochen
katholischen Beigeschmack. Unser Rentmeister Fix hat
recht, wenn er sagt: ,Beichte sei nichts, weil immer un¬
aufrichtig, und es habe in Berlin -- aber das sei nun
freilich schon sehr, sehr lange her -- einen Geistlichen
gegeben, der habe den Beichtstuhl einen Satansstuhl
genannt. Das find' ich nun offenbar übertrieben und
habe mich auch in diesem Sinne zu Fix geäußert. Aber
andrerseits freue ich mich doch immer aufrichtig, einem
so mutig protestantischen Worte zu begegnen. Mut ist,
was uns not thut. Ein fester Protestant, selbst wenn
er schroff auftritt, ist mir jedesmal eine Herzstärkung,
und ich darf ein gleiches Empfinden auch wohl bei Ihnen,
Herr von Rex, voraussetzen."

Rex verbeugte sich. Woldemar aber sagte zu Czako:
"Ja, Czako, da sehen Sie's. Sie sind nicht einmal
genannt worden. Eine Domina -- verzeih, Tante --
bildet eben ein feines Unterscheidungsvermögen aus."

Die Tante lächelte gnädig und sagte: "Herr von
Czako ist Offizier. Es giebt viele Wohnungen in meines
Vaters Hause. Das aber muß ich aussprechen, der Un¬
glaube wächst und das Katholische wächst auch. Und
das Katholische, das ist das Schlimmere. Götzendienst
ist schlimmer als Unglaube."

"Gehst du darin nicht zu weit, liebe Tante?"

"Nein, Woldemar. Sieh, der Unglaube, der ein
Nichts ist, kann den lieben Gott nicht beleidigen; aber
Götzendienst beleidigt ihn. Du sollst keine andern
Götter haben neben mir. Da steht es. Und nun gar

glaub' ich, erſt um neun. Und bis dahin erzähl' ich
dir eine Welt und — beichte.“

„Nein, nein, Woldemar, nicht das, nicht das. Er¬
zählen ſollſt du mir recht, recht viel. Und ich habe ſo¬
gar Fragen auf dem Herzen. Du weißt wohl ſchon,
welche. Aber nur nicht beichten. Schon das Wort macht
mir jedesmal ein Unbehagen. Es hat ſolch ausgeſprochen
katholiſchen Beigeſchmack. Unſer Rentmeiſter Fix hat
recht, wenn er ſagt: ‚Beichte ſei nichts, weil immer un¬
aufrichtig, und es habe in Berlin — aber das ſei nun
freilich ſchon ſehr, ſehr lange her — einen Geiſtlichen
gegeben, der habe den Beichtſtuhl einen Satansſtuhl
genannt. Das find' ich nun offenbar übertrieben und
habe mich auch in dieſem Sinne zu Fix geäußert. Aber
andrerſeits freue ich mich doch immer aufrichtig, einem
ſo mutig proteſtantiſchen Worte zu begegnen. Mut iſt,
was uns not thut. Ein feſter Proteſtant, ſelbſt wenn
er ſchroff auftritt, iſt mir jedesmal eine Herzſtärkung,
und ich darf ein gleiches Empfinden auch wohl bei Ihnen,
Herr von Rex, vorausſetzen.“

Rex verbeugte ſich. Woldemar aber ſagte zu Czako:
„Ja, Czako, da ſehen Sie's. Sie ſind nicht einmal
genannt worden. Eine Domina — verzeih, Tante —
bildet eben ein feines Unterſcheidungsvermögen aus.“

Die Tante lächelte gnädig und ſagte: „Herr von
Czako iſt Offizier. Es giebt viele Wohnungen in meines
Vaters Hauſe. Das aber muß ich ausſprechen, der Un¬
glaube wächſt und das Katholiſche wächſt auch. Und
das Katholiſche, das iſt das Schlimmere. Götzendienſt
iſt ſchlimmer als Unglaube.“

„Gehſt du darin nicht zu weit, liebe Tante?“

„Nein, Woldemar. Sieh, der Unglaube, der ein
Nichts iſt, kann den lieben Gott nicht beleidigen; aber
Götzendienſt beleidigt ihn. Du ſollſt keine andern
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[102/0109] glaub' ich, erſt um neun. Und bis dahin erzähl' ich dir eine Welt und — beichte.“ „Nein, nein, Woldemar, nicht das, nicht das. Er¬ zählen ſollſt du mir recht, recht viel. Und ich habe ſo¬ gar Fragen auf dem Herzen. Du weißt wohl ſchon, welche. Aber nur nicht beichten. Schon das Wort macht mir jedesmal ein Unbehagen. Es hat ſolch ausgeſprochen katholiſchen Beigeſchmack. Unſer Rentmeiſter Fix hat recht, wenn er ſagt: ‚Beichte ſei nichts, weil immer un¬ aufrichtig, und es habe in Berlin — aber das ſei nun freilich ſchon ſehr, ſehr lange her — einen Geiſtlichen gegeben, der habe den Beichtſtuhl einen Satansſtuhl genannt. Das find' ich nun offenbar übertrieben und habe mich auch in dieſem Sinne zu Fix geäußert. Aber andrerſeits freue ich mich doch immer aufrichtig, einem ſo mutig proteſtantiſchen Worte zu begegnen. Mut iſt, was uns not thut. Ein feſter Proteſtant, ſelbſt wenn er ſchroff auftritt, iſt mir jedesmal eine Herzſtärkung, und ich darf ein gleiches Empfinden auch wohl bei Ihnen, Herr von Rex, vorausſetzen.“ Rex verbeugte ſich. Woldemar aber ſagte zu Czako: „Ja, Czako, da ſehen Sie's. Sie ſind nicht einmal genannt worden. Eine Domina — verzeih, Tante — bildet eben ein feines Unterſcheidungsvermögen aus.“ Die Tante lächelte gnädig und ſagte: „Herr von Czako iſt Offizier. Es giebt viele Wohnungen in meines Vaters Hauſe. Das aber muß ich ausſprechen, der Un¬ glaube wächſt und das Katholiſche wächſt auch. Und das Katholiſche, das iſt das Schlimmere. Götzendienſt iſt ſchlimmer als Unglaube.“ „Gehſt du darin nicht zu weit, liebe Tante?“ „Nein, Woldemar. Sieh, der Unglaube, der ein Nichts iſt, kann den lieben Gott nicht beleidigen; aber Götzendienſt beleidigt ihn. Du ſollſt keine andern Götter haben neben mir. Da ſteht es. Und nun gar

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/109>, abgerufen am 22.11.2024.