Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.Jeden Nachmittag unternahmen die von W.'schen Damen, denen sich einige Geheimrätinnen - natürlich auch Witwen und auch mit Töchtern - anschlossen, ausgedehnte Partieen ins Gebirge, von denen ich mich grundsätzlich ausschloß, dafür aber das Hüteramt des Hauses übernahm, was mir hoch angerechnet wurde. Daß ich es damit sonderlich streng genommen hätte, kann ich nicht sagen. Ich setzte mich in der Regel unter eine dicht vor dem Hauseingange stehende Hängebirke, von der aus ich einem von einer Berglehne herabkommenden und unter einer kleinen Steinbrücke hinwegschäumenden Bache zusah. Ich verfiel dabei regelmäßig in Träumereien, aus denen ich immer nur auffuhr, wenn drinnen auf dem Flur die Wanduhr schlug oder einer der lang herabhängenden Birkenzweige mir in leisem Luftzuge die Stirn streifte. Kamen dann die Damen, entzückt von ihrem Ausfluge, wieder zurück, so trat ich jedesmal dienstlich an die Generalin heran und meldete: "Nichts Neues vor Paris." Eines Sonnabends saß ich auch wieder so da, das schäumende Wasser vor mir, als ich, in Entfernung von nicht viel mehr als hundert Schritt, eines alten Mannes ansichtig wurde, der, eine Karre vor sich, auf einem vom Kretscham her zwischen Jeden Nachmittag unternahmen die von W.’schen Damen, denen sich einige Geheimrätinnen – natürlich auch Witwen und auch mit Töchtern – anschlossen, ausgedehnte Partieen ins Gebirge, von denen ich mich grundsätzlich ausschloß, dafür aber das Hüteramt des Hauses übernahm, was mir hoch angerechnet wurde. Daß ich es damit sonderlich streng genommen hätte, kann ich nicht sagen. Ich setzte mich in der Regel unter eine dicht vor dem Hauseingange stehende Hängebirke, von der aus ich einem von einer Berglehne herabkommenden und unter einer kleinen Steinbrücke hinwegschäumenden Bache zusah. Ich verfiel dabei regelmäßig in Träumereien, aus denen ich immer nur auffuhr, wenn drinnen auf dem Flur die Wanduhr schlug oder einer der lang herabhängenden Birkenzweige mir in leisem Luftzuge die Stirn streifte. Kamen dann die Damen, entzückt von ihrem Ausfluge, wieder zurück, so trat ich jedesmal dienstlich an die Generalin heran und meldete: „Nichts Neues vor Paris.“ Eines Sonnabends saß ich auch wieder so da, das schäumende Wasser vor mir, als ich, in Entfernung von nicht viel mehr als hundert Schritt, eines alten Mannes ansichtig wurde, der, eine Karre vor sich, auf einem vom Kretscham her zwischen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0214" n="212"/> Jeden Nachmittag unternahmen die von W.’schen Damen, denen sich einige Geheimrätinnen – natürlich auch Witwen und auch mit Töchtern – anschlossen, ausgedehnte Partieen ins Gebirge, von denen ich mich grundsätzlich ausschloß, dafür aber das Hüteramt des Hauses übernahm, was mir hoch angerechnet wurde. Daß ich es damit sonderlich streng genommen hätte, kann ich nicht sagen. Ich setzte mich in der Regel unter eine dicht vor dem Hauseingange stehende Hängebirke, von der aus ich einem von einer Berglehne herabkommenden und unter einer kleinen Steinbrücke hinwegschäumenden Bache zusah. Ich verfiel dabei regelmäßig in Träumereien, aus denen ich immer nur auffuhr, wenn drinnen auf dem Flur die Wanduhr schlug oder einer der lang herabhängenden Birkenzweige mir in leisem Luftzuge die Stirn streifte. Kamen dann die Damen, entzückt von ihrem Ausfluge, wieder zurück, so trat ich jedesmal dienstlich an die Generalin heran und meldete: „Nichts Neues vor Paris.“</p><lb/> <p>Eines Sonnabends saß ich auch wieder so da, das schäumende Wasser vor mir, als ich, in Entfernung von nicht viel mehr als hundert Schritt, eines alten Mannes ansichtig wurde, der, eine Karre vor sich, auf einem vom Kretscham her zwischen </p> </div> </body> </text> </TEI> [212/0214]
Jeden Nachmittag unternahmen die von W.’schen Damen, denen sich einige Geheimrätinnen – natürlich auch Witwen und auch mit Töchtern – anschlossen, ausgedehnte Partieen ins Gebirge, von denen ich mich grundsätzlich ausschloß, dafür aber das Hüteramt des Hauses übernahm, was mir hoch angerechnet wurde. Daß ich es damit sonderlich streng genommen hätte, kann ich nicht sagen. Ich setzte mich in der Regel unter eine dicht vor dem Hauseingange stehende Hängebirke, von der aus ich einem von einer Berglehne herabkommenden und unter einer kleinen Steinbrücke hinwegschäumenden Bache zusah. Ich verfiel dabei regelmäßig in Träumereien, aus denen ich immer nur auffuhr, wenn drinnen auf dem Flur die Wanduhr schlug oder einer der lang herabhängenden Birkenzweige mir in leisem Luftzuge die Stirn streifte. Kamen dann die Damen, entzückt von ihrem Ausfluge, wieder zurück, so trat ich jedesmal dienstlich an die Generalin heran und meldete: „Nichts Neues vor Paris.“
Eines Sonnabends saß ich auch wieder so da, das schäumende Wasser vor mir, als ich, in Entfernung von nicht viel mehr als hundert Schritt, eines alten Mannes ansichtig wurde, der, eine Karre vor sich, auf einem vom Kretscham her zwischen
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/214>, abgerufen am 04.07.2024. |