Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.heizte Stube. Die Alte hatte ihrer schon voll Ungeduld gewartet, und kaum daß sie den Deckel abgehoben, so warf sie sich neben den Verwundeten nieder und streichelte dem sie freundlich Ansehenden Stirn und Hände. Denn Stephan war ihr Liebling. "Er kommt noch heut abend," sagte sie vertraulich und wie mit verklärtem Gesichtsausdruck; "morgen wär' es zu spät gewesen. Wollt' er schneiden?" "Nein Mutter, er wollte nich. Aber so sagen sie immer." "So sagen sie immer," wiederholte die Alte und nickte dazu. Legler kam auch wirklich denselben Abend noch und nahm den Doctorverband ab, um statt seiner seine Kräuter aufzulegen, Wohlverleih und Bilsenkraut. Auf dem niedrigen Herde ging mittlerweile das Feuer nicht aus, weil der Vertrauensmann von der Josephsbaude gesagt hatte: "Wärme nimmt das Fieber", und Stephan sah in die Flamme hinein und freute sich an dem Anblick und dem Knistern. Aloys aber, als er oben alles in die richtigen Wege geleitet sah, machte sich mit dem leeren Korbe wieder still nach Agnetendorf hinunter und paßte da den Zeitpunkt ab, ihn unbemerkt in den verdeckten Gang zu stellen, der vom Stift nach dem Kapellchen hin- heizte Stube. Die Alte hatte ihrer schon voll Ungeduld gewartet, und kaum daß sie den Deckel abgehoben, so warf sie sich neben den Verwundeten nieder und streichelte dem sie freundlich Ansehenden Stirn und Hände. Denn Stephan war ihr Liebling. „Er kommt noch heut abend,“ sagte sie vertraulich und wie mit verklärtem Gesichtsausdruck; „morgen wär’ es zu spät gewesen. Wollt’ er schneiden?“ „Nein Mutter, er wollte nich. Aber so sagen sie immer.“ „So sagen sie immer,“ wiederholte die Alte und nickte dazu. Legler kam auch wirklich denselben Abend noch und nahm den Doctorverband ab, um statt seiner seine Kräuter aufzulegen, Wohlverleih und Bilsenkraut. Auf dem niedrigen Herde ging mittlerweile das Feuer nicht aus, weil der Vertrauensmann von der Josephsbaude gesagt hatte: „Wärme nimmt das Fieber“, und Stephan sah in die Flamme hinein und freute sich an dem Anblick und dem Knistern. Aloys aber, als er oben alles in die richtigen Wege geleitet sah, machte sich mit dem leeren Korbe wieder still nach Agnetendorf hinunter und paßte da den Zeitpunkt ab, ihn unbemerkt in den verdeckten Gang zu stellen, der vom Stift nach dem Kapellchen hin- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0208" n="206"/> heizte Stube. Die Alte hatte ihrer schon voll Ungeduld gewartet, und kaum daß sie den Deckel abgehoben, so warf sie sich neben den Verwundeten nieder und streichelte dem sie freundlich Ansehenden Stirn und Hände. Denn Stephan war ihr Liebling. „Er kommt noch heut abend,“ sagte sie vertraulich und wie mit verklärtem Gesichtsausdruck; „morgen wär’ es zu spät gewesen. Wollt’ er schneiden?“</p><lb/> <p>„Nein Mutter, er wollte nich. Aber so sagen sie immer.“</p><lb/> <p>„So sagen sie immer,“ wiederholte die Alte und nickte dazu.</p><lb/> <p>Legler kam auch wirklich denselben Abend noch und nahm den Doctorverband ab, um statt seiner seine Kräuter aufzulegen, Wohlverleih und Bilsenkraut. Auf dem niedrigen Herde ging mittlerweile das Feuer nicht aus, weil der Vertrauensmann von der Josephsbaude gesagt hatte: „Wärme nimmt das Fieber“, und Stephan sah in die Flamme hinein und freute sich an dem Anblick und dem Knistern. Aloys aber, als er oben alles in die richtigen Wege geleitet sah, machte sich mit dem leeren Korbe wieder still nach Agnetendorf hinunter und paßte da den Zeitpunkt ab, ihn unbemerkt in den verdeckten Gang zu stellen, der vom Stift nach dem Kapellchen hin- </p> </div> </body> </text> </TEI> [206/0208]
heizte Stube. Die Alte hatte ihrer schon voll Ungeduld gewartet, und kaum daß sie den Deckel abgehoben, so warf sie sich neben den Verwundeten nieder und streichelte dem sie freundlich Ansehenden Stirn und Hände. Denn Stephan war ihr Liebling. „Er kommt noch heut abend,“ sagte sie vertraulich und wie mit verklärtem Gesichtsausdruck; „morgen wär’ es zu spät gewesen. Wollt’ er schneiden?“
„Nein Mutter, er wollte nich. Aber so sagen sie immer.“
„So sagen sie immer,“ wiederholte die Alte und nickte dazu.
Legler kam auch wirklich denselben Abend noch und nahm den Doctorverband ab, um statt seiner seine Kräuter aufzulegen, Wohlverleih und Bilsenkraut. Auf dem niedrigen Herde ging mittlerweile das Feuer nicht aus, weil der Vertrauensmann von der Josephsbaude gesagt hatte: „Wärme nimmt das Fieber“, und Stephan sah in die Flamme hinein und freute sich an dem Anblick und dem Knistern. Aloys aber, als er oben alles in die richtigen Wege geleitet sah, machte sich mit dem leeren Korbe wieder still nach Agnetendorf hinunter und paßte da den Zeitpunkt ab, ihn unbemerkt in den verdeckten Gang zu stellen, der vom Stift nach dem Kapellchen hin-
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/208>, abgerufen am 25.07.2024. |