Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.verwirrung auseinander gekommen, erfüllte mich eine Minute lang die Hoffnung, in ein Nichtraucher-Coupee retirieren und so vielleicht entwischen zu können ... Aber Onkel Dodo war auch Nichtraucher und da saßen wir denn, unserer Versicherung nach, wieder glücklich beisammen und "freuten" uns, nicht getrennt worden zu sein. "Bis Berlin hin," begann er, "läßt sich schon 'was reden. Wir haben übrigens durchgehende Wagen. Es ist Ihnen doch Recht, meine Damen, wenn ich Luft mache?" Diese letzten Worte waren an vier Damen gerichtet, die klugerweise, bereits die Rücksitze des Wagens eingenommen hatten. Und so kam ich denn an das offne Fenster und hatte die frische Luft eines Schnellzuges aus erster Hand. Ich hätte protestieren und auf Schließung wenigstens eines Fensters dringen können, aber ich kannte meinen Partner zu gut, um mich auf Erfolglosigkeiten einzulassen. Um sechs trafen wir auf dem Friedrichsstraßen-Bahnhof ein. Eine geplante "gemeinschaftliche Droschke," - die übrigens, bei dem mir längst angeflogenen Kopf- und Zahnreißen, ziemlich irrelevant gewesen wäre - ging an mir vorüber und Gott sei Dank einsamen Betrachtungen über "les defauts des vertus" der besten Menschen hingegeben, verwirrung auseinander gekommen, erfüllte mich eine Minute lang die Hoffnung, in ein Nichtraucher-Coupee retirieren und so vielleicht entwischen zu können … Aber Onkel Dodo war auch Nichtraucher und da saßen wir denn, unserer Versicherung nach, wieder glücklich beisammen und „freuten“ uns, nicht getrennt worden zu sein. „Bis Berlin hin,“ begann er, „läßt sich schon ’was reden. Wir haben übrigens durchgehende Wagen. Es ist Ihnen doch Recht, meine Damen, wenn ich Luft mache?“ Diese letzten Worte waren an vier Damen gerichtet, die klugerweise, bereits die Rücksitze des Wagens eingenommen hatten. Und so kam ich denn an das offne Fenster und hatte die frische Luft eines Schnellzuges aus erster Hand. Ich hätte protestieren und auf Schließung wenigstens eines Fensters dringen können, aber ich kannte meinen Partner zu gut, um mich auf Erfolglosigkeiten einzulassen. Um sechs trafen wir auf dem Friedrichsstraßen-Bahnhof ein. Eine geplante „gemeinschaftliche Droschke,“ – die übrigens, bei dem mir längst angeflogenen Kopf- und Zahnreißen, ziemlich irrelevant gewesen wäre – ging an mir vorüber und Gott sei Dank einsamen Betrachtungen über „les défauts des vertus“ der besten Menschen hingegeben, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0128" n="126"/> verwirrung auseinander gekommen, erfüllte mich eine Minute lang die Hoffnung, in ein Nichtraucher-Coupee retirieren und so vielleicht entwischen zu können … Aber Onkel Dodo war auch Nichtraucher und da saßen wir denn, unserer Versicherung nach, wieder glücklich beisammen und „freuten“ uns, nicht getrennt worden zu sein. „Bis Berlin hin,“ begann er, „läßt sich schon ’was reden. Wir haben übrigens durchgehende Wagen. Es ist Ihnen doch Recht, meine Damen, wenn ich Luft mache?“</p><lb/> <p>Diese letzten Worte waren an vier Damen gerichtet, die klugerweise, bereits die Rücksitze des Wagens eingenommen hatten. Und so kam ich denn an das offne Fenster <choice><sic>nnd</sic><corr>und</corr></choice> hatte die frische Luft eines Schnellzuges aus erster Hand. Ich hätte protestieren und auf Schließung wenigstens <hi rendition="#g">eines</hi> Fensters dringen können, aber ich kannte meinen Partner zu gut, um mich auf Erfolglosigkeiten einzulassen.</p><lb/> <p>Um sechs trafen wir auf dem Friedrichsstraßen-Bahnhof ein. Eine geplante „gemeinschaftliche Droschke,“ – die übrigens, bei dem mir längst angeflogenen Kopf- und Zahnreißen, ziemlich irrelevant gewesen wäre – ging an mir vorüber und Gott sei Dank <hi rendition="#g">einsamen</hi> Betrachtungen über „les défauts des vertus“ der besten Menschen hingegeben, </p> </div> </body> </text> </TEI> [126/0128]
verwirrung auseinander gekommen, erfüllte mich eine Minute lang die Hoffnung, in ein Nichtraucher-Coupee retirieren und so vielleicht entwischen zu können … Aber Onkel Dodo war auch Nichtraucher und da saßen wir denn, unserer Versicherung nach, wieder glücklich beisammen und „freuten“ uns, nicht getrennt worden zu sein. „Bis Berlin hin,“ begann er, „läßt sich schon ’was reden. Wir haben übrigens durchgehende Wagen. Es ist Ihnen doch Recht, meine Damen, wenn ich Luft mache?“
Diese letzten Worte waren an vier Damen gerichtet, die klugerweise, bereits die Rücksitze des Wagens eingenommen hatten. Und so kam ich denn an das offne Fenster und hatte die frische Luft eines Schnellzuges aus erster Hand. Ich hätte protestieren und auf Schließung wenigstens eines Fensters dringen können, aber ich kannte meinen Partner zu gut, um mich auf Erfolglosigkeiten einzulassen.
Um sechs trafen wir auf dem Friedrichsstraßen-Bahnhof ein. Eine geplante „gemeinschaftliche Droschke,“ – die übrigens, bei dem mir längst angeflogenen Kopf- und Zahnreißen, ziemlich irrelevant gewesen wäre – ging an mir vorüber und Gott sei Dank einsamen Betrachtungen über „les défauts des vertus“ der besten Menschen hingegeben,
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2014-01-22T15:28:28Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.
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