Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

Miene von Wohlwollen und Bestimmtheit, der nicht zu widerstehen war: "O nicht doch, Doktor, Sie dürfen noch nicht zur Ruhe. Ich habe schon mit Otto gesprochen und die Kinder folgen und tragen die Fackeln."

"Aber, mein Gott, was giebt es? Soll wer begraben werden?"

"Im gewissen Sinne, ja. Wir wollen nämlich Hechte stechen, ich habe Harpunen mitgebracht."




Als ich um Mitternacht den Tag überdachte, war es mir, als hätt' ich bis zu dem Erscheinen Onkel Dodos in Insleben nicht länger als anderthalb Stunden, nach seinem Erscheinen aber wenigstens anderthalb Wochen zugebracht. Es schwirrte mir der Kopf und ich wußte nur nicht, ob ich mehr betäubt war von dem, was mir die letzten vierundzwanzig Stunden gebracht hatten, oder mehr in Angst und Sorge vor dem, was mir mutmaßlich bevorstand. So viel war gewiß, aus dem stillen Schäferspiel war im Handumdrehen eins jener unruhigen Verwechslungs- und Verwandlungsstücke geworden, in denen an der Hinterkulisse der Bühne wenigstens drei Thüren und drei Fenster sind, in die beständig aus- und eingegangen oder hinaus-

Miene von Wohlwollen und Bestimmtheit, der nicht zu widerstehen war: „O nicht doch, Doktor, Sie dürfen noch nicht zur Ruhe. Ich habe schon mit Otto gesprochen und die Kinder folgen und tragen die Fackeln.“

„Aber, mein Gott, was giebt es? Soll wer begraben werden?“

„Im gewissen Sinne, ja. Wir wollen nämlich Hechte stechen, ich habe Harpunen mitgebracht.“




Als ich um Mitternacht den Tag überdachte, war es mir, als hätt’ ich bis zu dem Erscheinen Onkel Dodos in Insleben nicht länger als anderthalb Stunden, nach seinem Erscheinen aber wenigstens anderthalb Wochen zugebracht. Es schwirrte mir der Kopf und ich wußte nur nicht, ob ich mehr betäubt war von dem, was mir die letzten vierundzwanzig Stunden gebracht hatten, oder mehr in Angst und Sorge vor dem, was mir mutmaßlich bevorstand. So viel war gewiß, aus dem stillen Schäferspiel war im Handumdrehen eins jener unruhigen Verwechslungs- und Verwandlungsstücke geworden, in denen an der Hinterkulisse der Bühne wenigstens drei Thüren und drei Fenster sind, in die beständig aus- und eingegangen oder hinaus-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0108" n="106"/>
Miene von Wohlwollen und Bestimmtheit, der nicht zu                     widerstehen war: &#x201E;O nicht doch, Doktor, Sie dürfen noch nicht zur Ruhe. Ich habe                     schon mit Otto gesprochen und die Kinder folgen und tragen die Fackeln.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber, mein Gott, was giebt es? Soll wer begraben werden?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Im gewissen Sinne, ja. Wir wollen nämlich Hechte stechen, ich habe Harpunen                     mitgebracht.&#x201C;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Als ich um Mitternacht den Tag überdachte, war es mir, als hätt&#x2019; ich bis zu dem                     Erscheinen Onkel Dodos in Insleben nicht länger als anderthalb Stunden, nach                     seinem Erscheinen aber wenigstens anderthalb Wochen zugebracht. Es schwirrte mir                     der Kopf und ich wußte nur nicht, ob ich mehr betäubt war von dem, was mir die                     letzten vierundzwanzig Stunden gebracht hatten, oder mehr in Angst und Sorge vor                     dem, was mir mutmaßlich bevorstand. So viel war gewiß, aus dem stillen                     Schäferspiel war im Handumdrehen eins jener unruhigen Verwechslungs- und                     Verwandlungsstücke geworden, in denen an der Hinterkulisse der Bühne wenigstens                     drei Thüren und drei Fenster sind, in die beständig aus- und eingegangen oder                         hinaus-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0108] Miene von Wohlwollen und Bestimmtheit, der nicht zu widerstehen war: „O nicht doch, Doktor, Sie dürfen noch nicht zur Ruhe. Ich habe schon mit Otto gesprochen und die Kinder folgen und tragen die Fackeln.“ „Aber, mein Gott, was giebt es? Soll wer begraben werden?“ „Im gewissen Sinne, ja. Wir wollen nämlich Hechte stechen, ich habe Harpunen mitgebracht.“ Als ich um Mitternacht den Tag überdachte, war es mir, als hätt’ ich bis zu dem Erscheinen Onkel Dodos in Insleben nicht länger als anderthalb Stunden, nach seinem Erscheinen aber wenigstens anderthalb Wochen zugebracht. Es schwirrte mir der Kopf und ich wußte nur nicht, ob ich mehr betäubt war von dem, was mir die letzten vierundzwanzig Stunden gebracht hatten, oder mehr in Angst und Sorge vor dem, was mir mutmaßlich bevorstand. So viel war gewiß, aus dem stillen Schäferspiel war im Handumdrehen eins jener unruhigen Verwechslungs- und Verwandlungsstücke geworden, in denen an der Hinterkulisse der Bühne wenigstens drei Thüren und drei Fenster sind, in die beständig aus- und eingegangen oder hinaus-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2014-01-22T15:28:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-01-22T15:28:28Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.

Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/108
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/108>, abgerufen am 27.11.2024.