Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.ständig ein rotes Florett-Band trug, wahrhaftig, wie, wegen geheimnisvollen Mordes, vom Scharfrichter appliciert. Und es war noch ein Glück, daß ihm's die Leute nicht zutrauten und auch nicht zutrauen konnten, denn er war die größte Milchsuppe, die mir in meinem Leben vorgekommen ist. Ich bitte Sie, was soll Ihnen die hohe Kravatte, die Sie da tragen und die vielleicht noch gefüttert ist. Ein Kopf muß so frei sitzen, wie wenn er sagen wollte: ,hier bin ich.' Das kleidet. Und dazu braucht man einen uneingeschnürten Hals, einen Hals au naturel. Ein entzündetes Zäpfchen. Hab' ich je so was gehört! Aber lassen wir's. Und nun sage mir, Otto, fahren wir in den Wald oder bleiben wir?" "Ich denke, wir bleiben," bat Alice. "Ja, Kind, das ist leicht gesagt, wir bleiben. Aber was nehmen wir vor? Wir können hier doch nicht vier Stunden auf der Veranda sitzen und darauf warten, ob die Brockenhaus-Fenster in der untergehenden Sonne glühen werden oder nicht." "O wir spielen." "Spielen. Gut; meinetwegen. Aber was mein kleiner Schatz, was? Ist eine Kegelbahn da?" Der Hausherr zuckte die Achseln. "Dacht' ich's doch. Ich glaube, Otto, Du hältst ständig ein rotes Florett-Band trug, wahrhaftig, wie, wegen geheimnisvollen Mordes, vom Scharfrichter appliciert. Und es war noch ein Glück, daß ihm’s die Leute nicht zutrauten und auch nicht zutrauen konnten, denn er war die größte Milchsuppe, die mir in meinem Leben vorgekommen ist. Ich bitte Sie, was soll Ihnen die hohe Kravatte, die Sie da tragen und die vielleicht noch gefüttert ist. Ein Kopf muß so frei sitzen, wie wenn er sagen wollte: ‚hier bin ich.‘ Das kleidet. Und dazu braucht man einen uneingeschnürten Hals, einen Hals au naturel. Ein entzündetes Zäpfchen. Hab’ ich je so was gehört! Aber lassen wir’s. Und nun sage mir, Otto, fahren wir in den Wald oder bleiben wir?“ „Ich denke, wir bleiben,“ bat Alice. „Ja, Kind, das ist leicht gesagt, wir bleiben. Aber was nehmen wir vor? Wir können hier doch nicht vier Stunden auf der Veranda sitzen und darauf warten, ob die Brockenhaus-Fenster in der untergehenden Sonne glühen werden oder nicht.“ „O wir spielen.“ „Spielen. Gut; meinetwegen. Aber was mein kleiner Schatz, was? Ist eine Kegelbahn da?“ Der Hausherr zuckte die Achseln. „Dacht’ ich’s doch. Ich glaube, Otto, Du hältst <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0105" n="103"/> ständig ein rotes Florett-Band trug, wahrhaftig, wie, wegen geheimnisvollen Mordes, vom Scharfrichter appliciert. Und es war noch ein Glück, daß ihm’s die Leute nicht zutrauten und auch nicht zutrauen konnten, denn er war die größte Milchsuppe, die mir in meinem Leben vorgekommen ist. Ich bitte Sie, was soll Ihnen die hohe Kravatte, die Sie da tragen und die vielleicht noch gefüttert ist. Ein Kopf muß so frei sitzen, wie wenn er sagen wollte: ‚hier bin ich.‘ Das kleidet. Und dazu braucht man einen uneingeschnürten Hals, einen Hals au naturel. Ein entzündetes Zäpfchen. Hab’ ich je so was gehört! Aber lassen wir’s. Und nun sage mir, Otto, fahren wir in den Wald oder bleiben wir?“</p><lb/> <p>„Ich denke, wir bleiben,“ bat Alice.</p><lb/> <p>„Ja, Kind, das ist leicht gesagt, wir bleiben. Aber was nehmen wir vor? Wir können hier doch nicht vier Stunden auf der Veranda sitzen und darauf warten, ob die Brockenhaus-Fenster in der untergehenden Sonne glühen werden oder nicht.“</p><lb/> <p>„O wir spielen.“</p><lb/> <p>„Spielen. Gut; meinetwegen. Aber <hi rendition="#g">was</hi> mein kleiner Schatz, was? Ist eine Kegelbahn da?“</p><lb/> <p>Der Hausherr zuckte die Achseln.</p><lb/> <p>„Dacht’ ich’s doch. Ich glaube, Otto, Du hältst </p> </div> </body> </text> </TEI> [103/0105]
ständig ein rotes Florett-Band trug, wahrhaftig, wie, wegen geheimnisvollen Mordes, vom Scharfrichter appliciert. Und es war noch ein Glück, daß ihm’s die Leute nicht zutrauten und auch nicht zutrauen konnten, denn er war die größte Milchsuppe, die mir in meinem Leben vorgekommen ist. Ich bitte Sie, was soll Ihnen die hohe Kravatte, die Sie da tragen und die vielleicht noch gefüttert ist. Ein Kopf muß so frei sitzen, wie wenn er sagen wollte: ‚hier bin ich.‘ Das kleidet. Und dazu braucht man einen uneingeschnürten Hals, einen Hals au naturel. Ein entzündetes Zäpfchen. Hab’ ich je so was gehört! Aber lassen wir’s. Und nun sage mir, Otto, fahren wir in den Wald oder bleiben wir?“
„Ich denke, wir bleiben,“ bat Alice.
„Ja, Kind, das ist leicht gesagt, wir bleiben. Aber was nehmen wir vor? Wir können hier doch nicht vier Stunden auf der Veranda sitzen und darauf warten, ob die Brockenhaus-Fenster in der untergehenden Sonne glühen werden oder nicht.“
„O wir spielen.“
„Spielen. Gut; meinetwegen. Aber was mein kleiner Schatz, was? Ist eine Kegelbahn da?“
Der Hausherr zuckte die Achseln.
„Dacht’ ich’s doch. Ich glaube, Otto, Du hältst
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
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Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.
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