Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.Kinder, so spät; nachtschlafende Zeit; ich dachte schon, es wäre was passiert ..." "Jst auch, Mutter." "Na, das mag was Schönes sein. Vielleicht hast du dein Vermögen verloren. Aber davon hör' ich noch immer früh genug. Komm, Manon, gieb mir deine Hand und sieh mich an. Und nun rückt euch Stühle 'ran und erzählt. Und du, Leo, kannst dich unten auf die Bettkante setzen. Es ist immer noch nicht so hart wie Lattenstrafe; die gab es noch, als ich jung war. Jhr seid ja runde sechs Stunden weg gewesen und ein wahres Glück, daß ich Friederike habe, mit der ich mich aussprechen kann." "Was du wohl auch redlich gethan hast," sagte Therese. "Du machst dich immer so vertraulich mit ihr, mehr als eine Herrschaft wohl eigentlich sollte." "Meinst du?" sagte die Majorin, während sie sich in ihrem Bett noch etwas höher hinaufrückte. "Was meine vornehme Therese nicht alles weiß und meint. Aber nun will ich dir auch sagen, was ich meine. Jch meine, daß solche schlichte Treue das allerschönste ist, das schönste für den, der sie giebt, und das schönste für den, der sie empfängt. Die Liebe der Kinder, auch wenn es gute Kinder sind, die hat keine Dauer; die denken an sich und ich will's auch nicht tadeln und nicht anders haben; Kinder, so spät; nachtschlafende Zeit; ich dachte schon, es wäre was passiert …“ „Jst auch, Mutter.“ „Na, das mag was Schönes sein. Vielleicht hast du dein Vermögen verloren. Aber davon hör’ ich noch immer früh genug. Komm, Manon, gieb mir deine Hand und sieh mich an. Und nun rückt euch Stühle ’ran und erzählt. Und du, Leo, kannst dich unten auf die Bettkante setzen. Es ist immer noch nicht so hart wie Lattenstrafe; die gab es noch, als ich jung war. Jhr seid ja runde sechs Stunden weg gewesen und ein wahres Glück, daß ich Friederike habe, mit der ich mich aussprechen kann.“ „Was du wohl auch redlich gethan hast,“ sagte Therese. „Du machst dich immer so vertraulich mit ihr, mehr als eine Herrschaft wohl eigentlich sollte.“ „Meinst du?“ sagte die Majorin, während sie sich in ihrem Bett noch etwas höher hinaufrückte. „Was meine vornehme Therese nicht alles weiß und meint. Aber nun will ich dir auch sagen, was ich meine. Jch meine, daß solche schlichte Treue das allerschönste ist, das schönste für den, der sie giebt, und das schönste für den, der sie empfängt. Die Liebe der Kinder, auch wenn es gute Kinder sind, die hat keine Dauer; die denken an sich und ich will’s auch nicht tadeln und nicht anders haben; <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0090" n="83"/> Kinder, so spät; nachtschlafende Zeit; ich dachte schon, es wäre was passiert …“</p><lb/> <p>„Jst auch, Mutter.“</p><lb/> <p>„Na, das mag was Schönes sein. Vielleicht hast du dein Vermögen verloren. Aber davon hör’ ich noch immer früh genug. Komm, Manon, gieb mir deine Hand und sieh mich an. Und nun rückt euch Stühle ’ran und erzählt. Und du, Leo, kannst dich unten auf die Bettkante setzen. Es ist immer noch nicht so hart wie Lattenstrafe; die gab es noch, als ich jung war. Jhr seid ja runde sechs Stunden weg gewesen und ein wahres Glück, daß ich Friederike habe, mit der ich mich aussprechen kann.“</p><lb/> <p>„Was du wohl auch redlich gethan hast,“ sagte Therese. „Du machst dich immer so vertraulich mit ihr, mehr als eine Herrschaft wohl eigentlich sollte.“</p><lb/> <p>„Meinst du?“ sagte die Majorin, während sie sich in ihrem Bett noch etwas höher hinaufrückte. „Was meine vornehme Therese nicht alles weiß und meint. Aber nun will ich dir auch sagen, was <hi rendition="#g">ich</hi> meine. <hi rendition="#g">Jch</hi> meine, daß solche schlichte Treue das allerschönste ist, das schönste für den, der sie giebt, und das schönste für den, der sie empfängt. Die Liebe der Kinder, auch wenn es gute Kinder sind, die hat keine Dauer; die denken an sich und ich will’s auch nicht tadeln und nicht anders haben;<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [83/0090]
Kinder, so spät; nachtschlafende Zeit; ich dachte schon, es wäre was passiert …“
„Jst auch, Mutter.“
„Na, das mag was Schönes sein. Vielleicht hast du dein Vermögen verloren. Aber davon hör’ ich noch immer früh genug. Komm, Manon, gieb mir deine Hand und sieh mich an. Und nun rückt euch Stühle ’ran und erzählt. Und du, Leo, kannst dich unten auf die Bettkante setzen. Es ist immer noch nicht so hart wie Lattenstrafe; die gab es noch, als ich jung war. Jhr seid ja runde sechs Stunden weg gewesen und ein wahres Glück, daß ich Friederike habe, mit der ich mich aussprechen kann.“
„Was du wohl auch redlich gethan hast,“ sagte Therese. „Du machst dich immer so vertraulich mit ihr, mehr als eine Herrschaft wohl eigentlich sollte.“
„Meinst du?“ sagte die Majorin, während sie sich in ihrem Bett noch etwas höher hinaufrückte. „Was meine vornehme Therese nicht alles weiß und meint. Aber nun will ich dir auch sagen, was ich meine. Jch meine, daß solche schlichte Treue das allerschönste ist, das schönste für den, der sie giebt, und das schönste für den, der sie empfängt. Die Liebe der Kinder, auch wenn es gute Kinder sind, die hat keine Dauer; die denken an sich und ich will’s auch nicht tadeln und nicht anders haben;
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897/90>, abgerufen am 28.07.2024. |