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Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.

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hat, der hat doch wenigstens einen Großvater oder einen Paten oder eine Stiftsdame. Stiftsdame ist das beste. Die glauben alles, jede Geschichte, die man ihnen vorerzählt, und wenn sie auch selber nicht viel haben, so geben sie doch alles, ihr letztes."

"Ach, Leo, rede doch nicht so. Sie können doch nicht alles geben."

"Alles, sag' ich. Denn was eine richtige Stiftsdame ist, die kann auch alles geben, weil sie gar nichts braucht. Sie hat Wohnung und Fisch und Wild, und die Puthühner laufen im Hof herum, und die Tauben sitzen auf dem Dach, und in dem großen Gemüsegarten, den sie natürlich selber besorgen (denn sie haben ja nichts zu thun), da steht immer irgendwo ein Kohlrabi oder eine Mohrrübe, und in der Küche ist immer Feuer, weil sie frei Holz haben. Und deshalb, ja, ich muß es noch einmal sagen, deshalb können sie alles geben, weil sie alles haben und nichts brauchen."

"Aber sie müssen sich doch kleiden."

"Kleiden? J bewahre. Die kleiden sich nicht. Sie haben ein Kleid und das dauert dreißig Jahre. Sie ziehen sich bloß an; natürlich, denn auf Eva im Paradiese sind sie nicht eingerichtet ... Aber da kommt ja die Leber; riecht köstlich, delikat. Und nun, Kinder, wollen wir teilen: Mutter Mittelstück,

hat, der hat doch wenigstens einen Großvater oder einen Paten oder eine Stiftsdame. Stiftsdame ist das beste. Die glauben alles, jede Geschichte, die man ihnen vorerzählt, und wenn sie auch selber nicht viel haben, so geben sie doch alles, ihr letztes.“

„Ach, Leo, rede doch nicht so. Sie können doch nicht alles geben.“

„Alles, sag’ ich. Denn was eine richtige Stiftsdame ist, die kann auch alles geben, weil sie gar nichts braucht. Sie hat Wohnung und Fisch und Wild, und die Puthühner laufen im Hof herum, und die Tauben sitzen auf dem Dach, und in dem großen Gemüsegarten, den sie natürlich selber besorgen (denn sie haben ja nichts zu thun), da steht immer irgendwo ein Kohlrabi oder eine Mohrrübe, und in der Küche ist immer Feuer, weil sie frei Holz haben. Und deshalb, ja, ich muß es noch einmal sagen, deshalb können sie alles geben, weil sie alles haben und nichts brauchen.“

„Aber sie müssen sich doch kleiden.“

„Kleiden? J bewahre. Die kleiden sich nicht. Sie haben ein Kleid und das dauert dreißig Jahre. Sie ziehen sich bloß an; natürlich, denn auf Eva im Paradiese sind sie nicht eingerichtet … Aber da kommt ja die Leber; riecht köstlich, delikat. Und nun, Kinder, wollen wir teilen: Mutter Mittelstück,

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[32/0039] hat, der hat doch wenigstens einen Großvater oder einen Paten oder eine Stiftsdame. Stiftsdame ist das beste. Die glauben alles, jede Geschichte, die man ihnen vorerzählt, und wenn sie auch selber nicht viel haben, so geben sie doch alles, ihr letztes.“ „Ach, Leo, rede doch nicht so. Sie können doch nicht alles geben.“ „Alles, sag’ ich. Denn was eine richtige Stiftsdame ist, die kann auch alles geben, weil sie gar nichts braucht. Sie hat Wohnung und Fisch und Wild, und die Puthühner laufen im Hof herum, und die Tauben sitzen auf dem Dach, und in dem großen Gemüsegarten, den sie natürlich selber besorgen (denn sie haben ja nichts zu thun), da steht immer irgendwo ein Kohlrabi oder eine Mohrrübe, und in der Küche ist immer Feuer, weil sie frei Holz haben. Und deshalb, ja, ich muß es noch einmal sagen, deshalb können sie alles geben, weil sie alles haben und nichts brauchen.“ „Aber sie müssen sich doch kleiden.“ „Kleiden? J bewahre. Die kleiden sich nicht. Sie haben ein Kleid und das dauert dreißig Jahre. Sie ziehen sich bloß an; natürlich, denn auf Eva im Paradiese sind sie nicht eingerichtet … Aber da kommt ja die Leber; riecht köstlich, delikat. Und nun, Kinder, wollen wir teilen: Mutter Mittelstück,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T11:03:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T11:03:16Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
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  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897/39>, abgerufen am 26.04.2024.