Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.

Bild:
<< vorherige Seite

"Und willst auch? Und willst es auch gern?"

"Natürlich. Es ist ja abgemacht. Und wenn es auch nicht abgemacht wäre, ich bin gern in Adamsdorf und gern bei der Tante."

"Wer wär' es nicht," sagte Therese. "Der Park und die Gruft, darin nun der General, unser Onkel, ruht. Dahin zieht es wohl jeden. Und diese Frau, der ich viel abbitten muß, ich hielt sie für befangen in Bürgerlichkeit, aber sie hat ganz die Formen der vornehmen Welt. Es ist schade, daß sich dieser Umwandlungsprozeß so selten vollzieht."

Sophie und Manon warfen der Schwester Blicke zu mit der offenbaren Absicht, sie von dem heiklen Thema abzubringen. Aber so gut gemeint dies war, so war es doch nicht nötig, weil die Mama nichts von Bitterkeit dabei empfand. Sie lächelte nur wehmütig vor sich hin mit jener stillen Ueberlegenheit, die das Leben und das Bewußtsein gibt, die Kämpfe des Lebens ehrlich durchgefochten zu haben. "Ach, meine liebe vornehme Tochter," sagte sie, "was du da wieder sprichst."

"Jch habe dich nicht kränken wollen, Mama."

"Weiß ich. Und es kränkt mich auch nicht. Jch hatte auch 'mal mein Selbstgefühl und meinen Stolz, aber all das hat das Leben zerrieben und mich mürbe gemacht ... Das mit der Tante, ja, da hast du

„Und willst auch? Und willst es auch gern?“

„Natürlich. Es ist ja abgemacht. Und wenn es auch nicht abgemacht wäre, ich bin gern in Adamsdorf und gern bei der Tante.“

„Wer wär’ es nicht,“ sagte Therese. „Der Park und die Gruft, darin nun der General, unser Onkel, ruht. Dahin zieht es wohl jeden. Und diese Frau, der ich viel abbitten muß, ich hielt sie für befangen in Bürgerlichkeit, aber sie hat ganz die Formen der vornehmen Welt. Es ist schade, daß sich dieser Umwandlungsprozeß so selten vollzieht.“

Sophie und Manon warfen der Schwester Blicke zu mit der offenbaren Absicht, sie von dem heiklen Thema abzubringen. Aber so gut gemeint dies war, so war es doch nicht nötig, weil die Mama nichts von Bitterkeit dabei empfand. Sie lächelte nur wehmütig vor sich hin mit jener stillen Ueberlegenheit, die das Leben und das Bewußtsein gibt, die Kämpfe des Lebens ehrlich durchgefochten zu haben. „Ach, meine liebe vornehme Tochter,“ sagte sie, „was du da wieder sprichst.“

„Jch habe dich nicht kränken wollen, Mama.“

„Weiß ich. Und es kränkt mich auch nicht. Jch hatte auch ’mal mein Selbstgefühl und meinen Stolz, aber all das hat das Leben zerrieben und mich mürbe gemacht … Das mit der Tante, ja, da hast du

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0179" n="172"/>
        <p>&#x201E;Und willst auch? Und willst es auch gern?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Natürlich. Es ist ja abgemacht. Und wenn es auch nicht abgemacht wäre, ich bin                      gern in Adamsdorf und gern bei der Tante.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer wär&#x2019; es nicht,&#x201C; sagte Therese. &#x201E;Der Park und die Gruft, darin nun der                      General, unser Onkel, ruht. Dahin zieht es wohl jeden. Und diese Frau, der ich                      viel abbitten muß, ich hielt sie für befangen in Bürgerlichkeit, aber sie hat                      ganz die Formen der vornehmen Welt. Es ist schade, daß sich dieser                      Umwandlungsprozeß so selten vollzieht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sophie und Manon warfen der Schwester Blicke zu mit der offenbaren Absicht, sie                      von dem heiklen Thema abzubringen. Aber so gut gemeint dies war, so war es doch                      nicht nötig, weil die Mama nichts von Bitterkeit dabei empfand. Sie lächelte nur                      wehmütig vor sich hin mit jener stillen Ueberlegenheit, die das Leben und das                      Bewußtsein gibt, die Kämpfe des Lebens ehrlich durchgefochten zu haben. &#x201E;Ach,                      meine liebe vornehme Tochter,&#x201C; sagte sie, &#x201E;was du da wieder sprichst.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch habe dich nicht kränken wollen, Mama.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weiß ich. Und es kränkt mich auch nicht. Jch hatte auch &#x2019;mal mein Selbstgefühl                      und meinen Stolz, aber all das hat das Leben zerrieben und mich mürbe gemacht &#x2026;                      Das mit der Tante, ja, da hast du<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0179] „Und willst auch? Und willst es auch gern?“ „Natürlich. Es ist ja abgemacht. Und wenn es auch nicht abgemacht wäre, ich bin gern in Adamsdorf und gern bei der Tante.“ „Wer wär’ es nicht,“ sagte Therese. „Der Park und die Gruft, darin nun der General, unser Onkel, ruht. Dahin zieht es wohl jeden. Und diese Frau, der ich viel abbitten muß, ich hielt sie für befangen in Bürgerlichkeit, aber sie hat ganz die Formen der vornehmen Welt. Es ist schade, daß sich dieser Umwandlungsprozeß so selten vollzieht.“ Sophie und Manon warfen der Schwester Blicke zu mit der offenbaren Absicht, sie von dem heiklen Thema abzubringen. Aber so gut gemeint dies war, so war es doch nicht nötig, weil die Mama nichts von Bitterkeit dabei empfand. Sie lächelte nur wehmütig vor sich hin mit jener stillen Ueberlegenheit, die das Leben und das Bewußtsein gibt, die Kämpfe des Lebens ehrlich durchgefochten zu haben. „Ach, meine liebe vornehme Tochter,“ sagte sie, „was du da wieder sprichst.“ „Jch habe dich nicht kränken wollen, Mama.“ „Weiß ich. Und es kränkt mich auch nicht. Jch hatte auch ’mal mein Selbstgefühl und meinen Stolz, aber all das hat das Leben zerrieben und mich mürbe gemacht … Das mit der Tante, ja, da hast du

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T11:03:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T11:03:16Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897/179
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897/179>, abgerufen am 26.11.2024.