Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

blos ihm zuliebe citirte. "Ja, das war immer meine Lieblingsstelle. Für gewöhnlich lernten wir damals, als ich noch jeden Morgen von Schloß Nieder-Schönhausen in's Graue Kloster mußte, nur "Johann den muntern Seifensieder" und "Gott Grüß Euch Alter, schmeckt das Pfeifchen" und Schiller war damals noch nicht halb so berühmt wie jetzt und noch nicht so zu sagen unter den Heroen. Aber "die Kraniche des Ibykus" habe ich doch damals schon gelernt und ist mir auch sitzen geblieben. Es muß so was drin sein. Hast Du denn auch Alles behalten von früher?"

"Na, es geht. Eigentlich ist es merkwürdig, daß noch so viel sitzen bleibt."

"Da hast Du Recht."

Und nun traten wir aus dem Wald auf eine breite geradlinige Chaussee heraus, die von Ebereschenbäumen eingefaßt war.

"Das ist ja eine wundervolle Chaussee für solche Gegend" sagte ich. "Wo läuft die denn hin?"

"Die läuft, glaube ich, auf Oderberg zu; aber zunächst läuft sie hier bis Neuenhagen."

"Neuenhagen. Du nanntest es schon vorhin. Ja, da bin ich vor Jahren auch einmal gewesen und

blos ihm zuliebe citirte. „Ja, das war immer meine Lieblingsstelle. Für gewöhnlich lernten wir damals, als ich noch jeden Morgen von Schloß Nieder-Schönhausen in’s Graue Kloster mußte, nur „Johann den muntern Seifensieder“ und „Gott Grüß Euch Alter, schmeckt das Pfeifchen“ und Schiller war damals noch nicht halb so berühmt wie jetzt und noch nicht so zu sagen unter den Heroen. Aber „die Kraniche des Ibykus“ habe ich doch damals schon gelernt und ist mir auch sitzen geblieben. Es muß so was drin sein. Hast Du denn auch Alles behalten von früher?“

„Na, es geht. Eigentlich ist es merkwürdig, daß noch so viel sitzen bleibt.“

„Da hast Du Recht.“

Und nun traten wir aus dem Wald auf eine breite geradlinige Chaussee heraus, die von Ebereschenbäumen eingefaßt war.

„Das ist ja eine wundervolle Chaussee für solche Gegend“ sagte ich. „Wo läuft die denn hin?“

„Die läuft, glaube ich, auf Oderberg zu; aber zunächst läuft sie hier bis Neuenhagen.“

„Neuenhagen. Du nanntest es schon vorhin. Ja, da bin ich vor Jahren auch einmal gewesen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0293" n="285"/>
blos ihm zuliebe citirte. &#x201E;Ja, das war immer meine Lieblingsstelle. Für gewöhnlich lernten wir damals, als ich noch jeden Morgen von Schloß Nieder-Schönhausen in&#x2019;s Graue Kloster mußte, nur &#x201E;Johann den muntern Seifensieder&#x201C; und &#x201E;Gott Grüß Euch Alter, schmeckt das Pfeifchen&#x201C; und Schiller war damals noch nicht halb so berühmt wie jetzt und noch nicht so zu sagen unter den Heroen. Aber &#x201E;die Kraniche des Ibykus&#x201C; habe ich doch damals schon gelernt und ist mir auch sitzen geblieben. Es muß so was drin sein. Hast Du denn auch Alles behalten von früher?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Na, es geht. Eigentlich ist es merkwürdig, daß noch so viel sitzen bleibt.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Da hast Du Recht.&#x201C;</p>
        <p>Und nun traten wir aus dem Wald auf eine breite geradlinige Chaussee heraus, die von Ebereschenbäumen eingefaßt war.</p>
        <p>&#x201E;Das ist ja eine wundervolle Chaussee für solche Gegend&#x201C; sagte ich. &#x201E;Wo läuft die denn hin?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Die läuft, glaube ich, auf Oderberg zu; aber zunächst läuft sie hier bis Neuenhagen.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Neuenhagen. Du nanntest es schon vorhin. Ja, da bin ich vor Jahren auch einmal gewesen und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0293] blos ihm zuliebe citirte. „Ja, das war immer meine Lieblingsstelle. Für gewöhnlich lernten wir damals, als ich noch jeden Morgen von Schloß Nieder-Schönhausen in’s Graue Kloster mußte, nur „Johann den muntern Seifensieder“ und „Gott Grüß Euch Alter, schmeckt das Pfeifchen“ und Schiller war damals noch nicht halb so berühmt wie jetzt und noch nicht so zu sagen unter den Heroen. Aber „die Kraniche des Ibykus“ habe ich doch damals schon gelernt und ist mir auch sitzen geblieben. Es muß so was drin sein. Hast Du denn auch Alles behalten von früher?“ „Na, es geht. Eigentlich ist es merkwürdig, daß noch so viel sitzen bleibt.“ „Da hast Du Recht.“ Und nun traten wir aus dem Wald auf eine breite geradlinige Chaussee heraus, die von Ebereschenbäumen eingefaßt war. „Das ist ja eine wundervolle Chaussee für solche Gegend“ sagte ich. „Wo läuft die denn hin?“ „Die läuft, glaube ich, auf Oderberg zu; aber zunächst läuft sie hier bis Neuenhagen.“ „Neuenhagen. Du nanntest es schon vorhin. Ja, da bin ich vor Jahren auch einmal gewesen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/293
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/293>, abgerufen am 22.11.2024.