Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.steckten, in der Schulstube des Krause'schen Hauses. Das Krause'sche Haus, von dem ich in Kapitel 8 bereits ausführlicher gesprochen, war mir damals schon wohlbekannt, aber in den Theil des Hauses, der zunächst das Schulzimmer und rechts und links daneben zwei für den Hauslehrer eingerichtete Mansardenstuben enthielt, war ich noch nie gekommen. Ich empfing auch hier wieder sofort den freundlichsten Eindruck, indessen so freundlich derselbe war, so war doch keine Zeit, mich mußevoll umzuthun, denn der Lehrer saß schon auf seinem kurulischen Stuhl, einem großen Sessel in Gartenstuhlformat, die zwei jüngeren Krause'schen Kinder neben sich, mein Freund Wilhelm ihm gegenüber.*) *) Wilhelm Krause, dem zuliebe der Hauslehrer überhaupt gehalten wurde, war ein bildhübscher Junge, aber sehr zart und von jenen rothen Backen ("wie gemalt") die kein langes Leben prophezeien. Und so kam es auch. Mit kaum 20 Jahren schickte man ihn nach Malaga, von dessen Klima man sich Gutes für seine Gesundheit versprach. Er war sehr musikalisch und nahm an Bord des Schiffes, auf dem er die Reise machte, seinen schönen Kisting'schen Flügel mit. Dieser Flügel nun war, bei Ankunft in Malaga, wegen zu enger Thüren und Treppen nicht gleich unterzubringen und stand eine Stunde lang oder länger auf der Straße, was viel Volk herbeilockte. Jedem sollt er sagen, was es mit dem Kasten eigentlich sei, worauf er die prompteste Antwort gab, indem er den Flügel aufschlug und darauf spielte. Das Volk war entzückt, so daß sich sagen läßt, dieser glückliche
steckten, in der Schulstube des Krause’schen Hauses. Das Krause’sche Haus, von dem ich in Kapitel 8 bereits ausführlicher gesprochen, war mir damals schon wohlbekannt, aber in den Theil des Hauses, der zunächst das Schulzimmer und rechts und links daneben zwei für den Hauslehrer eingerichtete Mansardenstuben enthielt, war ich noch nie gekommen. Ich empfing auch hier wieder sofort den freundlichsten Eindruck, indessen so freundlich derselbe war, so war doch keine Zeit, mich mußevoll umzuthun, denn der Lehrer saß schon auf seinem kurulischen Stuhl, einem großen Sessel in Gartenstuhlformat, die zwei jüngeren Krause’schen Kinder neben sich, mein Freund Wilhelm ihm gegenüber.*) *) Wilhelm Krause, dem zuliebe der Hauslehrer überhaupt gehalten wurde, war ein bildhübscher Junge, aber sehr zart und von jenen rothen Backen („wie gemalt“) die kein langes Leben prophezeien. Und so kam es auch. Mit kaum 20 Jahren schickte man ihn nach Malaga, von dessen Klima man sich Gutes für seine Gesundheit versprach. Er war sehr musikalisch und nahm an Bord des Schiffes, auf dem er die Reise machte, seinen schönen Kisting’schen Flügel mit. Dieser Flügel nun war, bei Ankunft in Malaga, wegen zu enger Thüren und Treppen nicht gleich unterzubringen und stand eine Stunde lang oder länger auf der Straße, was viel Volk herbeilockte. Jedem sollt er sagen, was es mit dem Kasten eigentlich sei, worauf er die prompteste Antwort gab, indem er den Flügel aufschlug und darauf spielte. Das Volk war entzückt, so daß sich sagen läßt, dieser glückliche
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0227" n="219"/> steckten, in der Schulstube des Krause’schen Hauses. Das Krause’sche Haus, von dem ich in Kapitel 8 bereits ausführlicher gesprochen, war mir damals schon wohlbekannt, aber in <hi rendition="#g">den</hi> Theil des Hauses, der zunächst das Schulzimmer und rechts und links daneben zwei für den Hauslehrer eingerichtete Mansardenstuben enthielt, war ich noch nie gekommen. Ich empfing auch hier wieder sofort den freundlichsten Eindruck, indessen so freundlich derselbe war, so war doch keine Zeit, mich mußevoll umzuthun, denn der Lehrer saß schon auf seinem kurulischen Stuhl, einem großen Sessel in Gartenstuhlformat, die zwei jüngeren Krause’schen Kinder neben sich, mein Freund Wilhelm ihm gegenüber.<note xml:id="note-0227" next="note-0228" place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Wilhelm Krause</hi>, dem zuliebe der Hauslehrer überhaupt gehalten wurde, war ein bildhübscher Junge, aber sehr zart und von jenen rothen Backen („wie gemalt“) die kein langes Leben prophezeien. Und so kam es auch. Mit kaum 20 Jahren schickte man ihn nach Malaga, von dessen Klima man sich Gutes für seine Gesundheit versprach. Er war sehr musikalisch und nahm an Bord des Schiffes, auf dem er die Reise machte, seinen schönen Kisting’schen Flügel mit. Dieser Flügel nun war, bei Ankunft in Malaga, wegen zu enger Thüren und Treppen nicht gleich unterzubringen und stand eine Stunde lang oder länger auf der Straße, was viel Volk herbeilockte. Jedem sollt er sagen, was es mit dem Kasten eigentlich sei, worauf er die prompteste Antwort gab, indem er den Flügel aufschlug und darauf spielte. Das Volk war entzückt, so daß sich sagen läßt, dieser glückliche</note> </p> </div> </body> </text> </TEI> [219/0227]
steckten, in der Schulstube des Krause’schen Hauses. Das Krause’sche Haus, von dem ich in Kapitel 8 bereits ausführlicher gesprochen, war mir damals schon wohlbekannt, aber in den Theil des Hauses, der zunächst das Schulzimmer und rechts und links daneben zwei für den Hauslehrer eingerichtete Mansardenstuben enthielt, war ich noch nie gekommen. Ich empfing auch hier wieder sofort den freundlichsten Eindruck, indessen so freundlich derselbe war, so war doch keine Zeit, mich mußevoll umzuthun, denn der Lehrer saß schon auf seinem kurulischen Stuhl, einem großen Sessel in Gartenstuhlformat, die zwei jüngeren Krause’schen Kinder neben sich, mein Freund Wilhelm ihm gegenüber. *)
*) Wilhelm Krause, dem zuliebe der Hauslehrer überhaupt gehalten wurde, war ein bildhübscher Junge, aber sehr zart und von jenen rothen Backen („wie gemalt“) die kein langes Leben prophezeien. Und so kam es auch. Mit kaum 20 Jahren schickte man ihn nach Malaga, von dessen Klima man sich Gutes für seine Gesundheit versprach. Er war sehr musikalisch und nahm an Bord des Schiffes, auf dem er die Reise machte, seinen schönen Kisting’schen Flügel mit. Dieser Flügel nun war, bei Ankunft in Malaga, wegen zu enger Thüren und Treppen nicht gleich unterzubringen und stand eine Stunde lang oder länger auf der Straße, was viel Volk herbeilockte. Jedem sollt er sagen, was es mit dem Kasten eigentlich sei, worauf er die prompteste Antwort gab, indem er den Flügel aufschlug und darauf spielte. Das Volk war entzückt, so daß sich sagen läßt, dieser glückliche
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |