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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Botho sah den Onkel verlegen an, fast als ob
er ihn um Diskretion bitten wolle. Der alte Baron
aber, überfroh, das heikle Thema so glücklich beim
Schopfe gefaßt zu haben, fuhr in überströmender
und immer wachsender guter Laune fort: "Ach laß
doch, Botho. Diskretion, Unsinn. Wedell ist Lands¬
mann und wird von der Geschichte so gut wissen,
wie jeder andere. Weshalb schweigen über solche
Dinge. Du bist doch so gut wie gebunden. Und
weiß es Gott, Junge, wenn ich so die Frölens Revue
passiren lasse, 'ne bessre findest Du nicht, Zähne
wie Perlen und lacht immer, daß man die ganze
Schnur sieht. Eine Flachsblondine zum Küssen und
wenn ich dreißig Jahre jünger wäre, höre ... "

Wedell, der Botho's Verlegenheit bemerkte, wollte
ihm zu Hilfe kommen und sagte: "Die Sellenthin'¬
schen Damen sind alle sehr anmuthig, Mutter wie
Töchter; ich war vorigen Sommer mit ihnen in
Norderney, charmant, aber ich würde der zweiten
den Vorzug geben . . ."

"Desto besser, Wedell. Da kommt ihr euch nicht
in die Quer und wir können gleich eine Doppel¬
hochzeit feiern. Und Schönemann kann trauen,
wenn Kluckhuhn, der wie alle Alten empfindlich ist,
es zugiebt, und ich will ihm nicht nur das Fuhr¬
werk stellen, ich will ihm auch das Stück Pfarr¬
acker ohne Weiteres cediren, wenn ich solche Hochzeit

Botho ſah den Onkel verlegen an, faſt als ob
er ihn um Diskretion bitten wolle. Der alte Baron
aber, überfroh, das heikle Thema ſo glücklich beim
Schopfe gefaßt zu haben, fuhr in überſtrömender
und immer wachſender guter Laune fort: „Ach laß
doch, Botho. Diskretion, Unſinn. Wedell iſt Lands¬
mann und wird von der Geſchichte ſo gut wiſſen,
wie jeder andere. Weshalb ſchweigen über ſolche
Dinge. Du biſt doch ſo gut wie gebunden. Und
weiß es Gott, Junge, wenn ich ſo die Frölens Revue
paſſiren laſſe, 'ne beſſre findeſt Du nicht, Zähne
wie Perlen und lacht immer, daß man die ganze
Schnur ſieht. Eine Flachsblondine zum Küſſen und
wenn ich dreißig Jahre jünger wäre, höre ... “

Wedell, der Botho's Verlegenheit bemerkte, wollte
ihm zu Hilfe kommen und ſagte: „Die Sellenthin'¬
ſchen Damen ſind alle ſehr anmuthig, Mutter wie
Töchter; ich war vorigen Sommer mit ihnen in
Norderney, charmant, aber ich würde der zweiten
den Vorzug geben . . .“

„Deſto beſſer, Wedell. Da kommt ihr euch nicht
in die Quer und wir können gleich eine Doppel¬
hochzeit feiern. Und Schönemann kann trauen,
wenn Kluckhuhn, der wie alle Alten empfindlich iſt,
es zugiebt, und ich will ihm nicht nur das Fuhr¬
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[70/0080] Botho ſah den Onkel verlegen an, faſt als ob er ihn um Diskretion bitten wolle. Der alte Baron aber, überfroh, das heikle Thema ſo glücklich beim Schopfe gefaßt zu haben, fuhr in überſtrömender und immer wachſender guter Laune fort: „Ach laß doch, Botho. Diskretion, Unſinn. Wedell iſt Lands¬ mann und wird von der Geſchichte ſo gut wiſſen, wie jeder andere. Weshalb ſchweigen über ſolche Dinge. Du biſt doch ſo gut wie gebunden. Und weiß es Gott, Junge, wenn ich ſo die Frölens Revue paſſiren laſſe, 'ne beſſre findeſt Du nicht, Zähne wie Perlen und lacht immer, daß man die ganze Schnur ſieht. Eine Flachsblondine zum Küſſen und wenn ich dreißig Jahre jünger wäre, höre ... “ Wedell, der Botho's Verlegenheit bemerkte, wollte ihm zu Hilfe kommen und ſagte: „Die Sellenthin'¬ ſchen Damen ſind alle ſehr anmuthig, Mutter wie Töchter; ich war vorigen Sommer mit ihnen in Norderney, charmant, aber ich würde der zweiten den Vorzug geben . . .“ „Deſto beſſer, Wedell. Da kommt ihr euch nicht in die Quer und wir können gleich eine Doppel¬ hochzeit feiern. Und Schönemann kann trauen, wenn Kluckhuhn, der wie alle Alten empfindlich iſt, es zugiebt, und ich will ihm nicht nur das Fuhr¬ werk ſtellen, ich will ihm auch das Stück Pfarr¬ acker ohne Weiteres cediren, wenn ich ſolche Hochzeit

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/80>, abgerufen am 27.11.2024.