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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Halberstädter mit schwefelgelbem Kragen eigentlich
auch St. Privat allerpersönlichst gestürmt und um
Sedan herum den großen Zirkel gezogen habe. Botho,
damit darfst Du mir nicht kommen. Er war ein
Referendar und hat auf der Potsdamer Regierung
gearbeitet, sogar unter dem alten Meding, der nie
gut auf ihn zu sprechen war, ich weiß das, und hat
eigentlich nichts gelernt als Depeschen schreiben.
Soviel will ich ihm lassen, das versteht er, oder
mit andern Worten, er ist ein Federfuchser. Aber
nicht die Federfuchser haben Preußen groß gemacht.
War der bei Fehrbellin ein Federfuchser? War der
bei Leuthen ein Federfuchser? War Blücher ein
Federfuchser oder York? Hier sitzt die preußische
Feder. Ich kann diesen Cultus nicht leiden."

"Aber lieber Onkel . . ."

"Aber, aber, ich dulde kein aber. Glaube mir,
Botho, zu solcher Frage, dazu gehören Jahre; derlei
Dinge versteh' ich besser. Wie steht es denn? Er
stößt die Leiter um, drauf er emporgestiegen, und
verbietet sogar die Kreuzzeitung und rund heraus,
er ruinirt uns; er denkt klein von uns, er sagt uns
Sottisen und wenn ihm der Sinn danach steht,
verklagt er uns auf Diebstahl oder Unterschlagung
und schickt uns auf die Festung. Ach, was sag' ich
auf die Festung. Festung ist für anständige Leute,
nein, ins Landarmenhaus schickt er uns, um Wolle

Halberſtädter mit ſchwefelgelbem Kragen eigentlich
auch St. Privat allerperſönlichſt geſtürmt und um
Sedan herum den großen Zirkel gezogen habe. Botho,
damit darfſt Du mir nicht kommen. Er war ein
Referendar und hat auf der Potsdamer Regierung
gearbeitet, ſogar unter dem alten Meding, der nie
gut auf ihn zu ſprechen war, ich weiß das, und hat
eigentlich nichts gelernt als Depeſchen ſchreiben.
Soviel will ich ihm laſſen, das verſteht er, oder
mit andern Worten, er iſt ein Federfuchſer. Aber
nicht die Federfuchſer haben Preußen groß gemacht.
War der bei Fehrbellin ein Federfuchſer? War der
bei Leuthen ein Federfuchſer? War Blücher ein
Federfuchſer oder York? Hier ſitzt die preußiſche
Feder. Ich kann dieſen Cultus nicht leiden.“

„Aber lieber Onkel . . .“

„Aber, aber, ich dulde kein aber. Glaube mir,
Botho, zu ſolcher Frage, dazu gehören Jahre; derlei
Dinge verſteh' ich beſſer. Wie ſteht es denn? Er
ſtößt die Leiter um, drauf er emporgeſtiegen, und
verbietet ſogar die Kreuzzeitung und rund heraus,
er ruinirt uns; er denkt klein von uns, er ſagt uns
Sottiſen und wenn ihm der Sinn danach ſteht,
verklagt er uns auf Diebſtahl oder Unterſchlagung
und ſchickt uns auf die Feſtung. Ach, was ſag' ich
auf die Feſtung. Feſtung iſt für anſtändige Leute,
nein, ins Landarmenhaus ſchickt er uns, um Wolle

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[66/0076] Halberſtädter mit ſchwefelgelbem Kragen eigentlich auch St. Privat allerperſönlichſt geſtürmt und um Sedan herum den großen Zirkel gezogen habe. Botho, damit darfſt Du mir nicht kommen. Er war ein Referendar und hat auf der Potsdamer Regierung gearbeitet, ſogar unter dem alten Meding, der nie gut auf ihn zu ſprechen war, ich weiß das, und hat eigentlich nichts gelernt als Depeſchen ſchreiben. Soviel will ich ihm laſſen, das verſteht er, oder mit andern Worten, er iſt ein Federfuchſer. Aber nicht die Federfuchſer haben Preußen groß gemacht. War der bei Fehrbellin ein Federfuchſer? War der bei Leuthen ein Federfuchſer? War Blücher ein Federfuchſer oder York? Hier ſitzt die preußiſche Feder. Ich kann dieſen Cultus nicht leiden.“ „Aber lieber Onkel . . .“ „Aber, aber, ich dulde kein aber. Glaube mir, Botho, zu ſolcher Frage, dazu gehören Jahre; derlei Dinge verſteh' ich beſſer. Wie ſteht es denn? Er ſtößt die Leiter um, drauf er emporgeſtiegen, und verbietet ſogar die Kreuzzeitung und rund heraus, er ruinirt uns; er denkt klein von uns, er ſagt uns Sottiſen und wenn ihm der Sinn danach ſteht, verklagt er uns auf Diebſtahl oder Unterſchlagung und ſchickt uns auf die Feſtung. Ach, was ſag' ich auf die Feſtung. Feſtung iſt für anſtändige Leute, nein, ins Landarmenhaus ſchickt er uns, um Wolle

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/76>, abgerufen am 09.05.2024.