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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Der Hummer war noch nicht gekommen, aber
der Chablis stand schon da. Voll Unruhe nahm
der alte Osten eins der Brötchen aus dem Korb und
schnitt es mit ebenso viel Hast wie Virtuosität in
Schrägstücke, blos um etwas zu thun zu haben.
Dann lies; er das Messer wieder fallen und reichte
Wedell die Hand, "Ihnen unendlich verbunden,
Herr v. Wedell, und brillanter Einfall von Botho,
Sie dem Club auf ein paar Stunden abspänstig
gemacht zu haben. Ich nehm' es als eine gute
Vorbedeutung, gleich bei meinem ersten Ausgang in
Berlin einen Wedell begrüßen zu dürfen."

Und nun begann er einzuschenken, weil er seiner
Unruhe nicht länger Herr bleiben konnte, befahl eine
Cliquot kalt zu stellen und fuhr dann fort: "Eigent¬
lich, lieber Wedell, sind wir verwandt; es giebt keine
Wedell's, mit denen wir nicht verwandt wären, und
wenn's auch blos durch einen Scheffel Erbsen wäre;
neumärkisch Blut ist in allen. Und wenn ich nun
gar mein altes Dragonerblau wiedersehe, da schlägt
mir das Herz bis in den Hals hinein. Ja, Herr
v. Wedell, alte Liebe rostet nicht. Aber da kommt
der Hummer . . . Bitte, hier die große Scheere.
Die Scheeren sind immer das Beste . . . Aber, was
ich sagen wollte, alte Liebe rostet nicht und der
Schneid auch nicht. Und ich setze hinzu, Gott sei
Dank. Damals hatten wir noch den alten Dobeneck.

Der Hummer war noch nicht gekommen, aber
der Chablis ſtand ſchon da. Voll Unruhe nahm
der alte Oſten eins der Brötchen aus dem Korb und
ſchnitt es mit ebenſo viel Haſt wie Virtuoſität in
Schrägſtücke, blos um etwas zu thun zu haben.
Dann lies; er das Meſſer wieder fallen und reichte
Wedell die Hand, „Ihnen unendlich verbunden,
Herr v. Wedell, und brillanter Einfall von Botho,
Sie dem Club auf ein paar Stunden abſpänſtig
gemacht zu haben. Ich nehm' es als eine gute
Vorbedeutung, gleich bei meinem erſten Ausgang in
Berlin einen Wedell begrüßen zu dürfen.“

Und nun begann er einzuſchenken, weil er ſeiner
Unruhe nicht länger Herr bleiben konnte, befahl eine
Cliquot kalt zu ſtellen und fuhr dann fort: „Eigent¬
lich, lieber Wedell, ſind wir verwandt; es giebt keine
Wedell's, mit denen wir nicht verwandt wären, und
wenn's auch blos durch einen Scheffel Erbſen wäre;
neumärkiſch Blut iſt in allen. Und wenn ich nun
gar mein altes Dragonerblau wiederſehe, da ſchlägt
mir das Herz bis in den Hals hinein. Ja, Herr
v. Wedell, alte Liebe roſtet nicht. Aber da kommt
der Hummer . . . Bitte, hier die große Scheere.
Die Scheeren ſind immer das Beſte . . . Aber, was
ich ſagen wollte, alte Liebe roſtet nicht und der
Schneid auch nicht. Und ich ſetze hinzu, Gott ſei
Dank. Damals hatten wir noch den alten Dobeneck.

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[64/0074] Der Hummer war noch nicht gekommen, aber der Chablis ſtand ſchon da. Voll Unruhe nahm der alte Oſten eins der Brötchen aus dem Korb und ſchnitt es mit ebenſo viel Haſt wie Virtuoſität in Schrägſtücke, blos um etwas zu thun zu haben. Dann lies; er das Meſſer wieder fallen und reichte Wedell die Hand, „Ihnen unendlich verbunden, Herr v. Wedell, und brillanter Einfall von Botho, Sie dem Club auf ein paar Stunden abſpänſtig gemacht zu haben. Ich nehm' es als eine gute Vorbedeutung, gleich bei meinem erſten Ausgang in Berlin einen Wedell begrüßen zu dürfen.“ Und nun begann er einzuſchenken, weil er ſeiner Unruhe nicht länger Herr bleiben konnte, befahl eine Cliquot kalt zu ſtellen und fuhr dann fort: „Eigent¬ lich, lieber Wedell, ſind wir verwandt; es giebt keine Wedell's, mit denen wir nicht verwandt wären, und wenn's auch blos durch einen Scheffel Erbſen wäre; neumärkiſch Blut iſt in allen. Und wenn ich nun gar mein altes Dragonerblau wiederſehe, da ſchlägt mir das Herz bis in den Hals hinein. Ja, Herr v. Wedell, alte Liebe roſtet nicht. Aber da kommt der Hummer . . . Bitte, hier die große Scheere. Die Scheeren ſind immer das Beſte . . . Aber, was ich ſagen wollte, alte Liebe roſtet nicht und der Schneid auch nicht. Und ich ſetze hinzu, Gott ſei Dank. Damals hatten wir noch den alten Dobeneck.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/74>, abgerufen am 10.05.2024.