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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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der Onkel! Entweder kommt er wieder als Abge¬
sandter von meiner Mutter oder er hat Pläne für
mich aus sich selbst, aus eigner Initiative. Nun,
ich werde ja sehen. Eine diplomatsche Verstellungs¬
schule hat er nicht durchgemacht, und wenn er zehn
Eide geschworen hat zu schweigen, es kommt doch
heraus. Ich will's schon erfahren, trotzdem ich in
der Kunst der Intrigue gleich nach ihm selber
komme."

Dabei zog er ein Fach seines Schreibtisches auf,
darin, von einem rothen Bändchen umwunden, schon
andere Briefe Lenens lagen. Und nun klingelte er
nach dem Diener, der ihm beim Ankleiden behilflich
sein sollte. "So, Johann, das wäre gethan . . .
Und nun vergiß nicht, die Jalousieen herunter zu
lassen. Und wenn wer kommt und nach mir fragt, bis
12 bin ich in der Kaserne, nach 1 bei Hiller und
am Abend bei Renz. Und zieh auch die Jalousieen
zu rechter Zeit wieder auf, daß ich nicht wieder
einen Brütofen vorfinde. Und laß die Lampe vorn
brennen. Aber nicht in meinem Schlafzimmer; die
Mücken sind wie toll in diesem Jahr. Verstanden?"

"Zu Befehl, Herr Baron."

Und unter diesem Gespräche, das schon halb im
Korridor geführt worden war, trat Rienäcker in
den Hausflur, ziepte draußen im Vorgarten die
13 jährige, sich gerad' über den Wagen ihres kleinen

der Onkel! Entweder kommt er wieder als Abge¬
ſandter von meiner Mutter oder er hat Pläne für
mich aus ſich ſelbſt, aus eigner Initiative. Nun,
ich werde ja ſehen. Eine diplomatſche Verſtellungs¬
ſchule hat er nicht durchgemacht, und wenn er zehn
Eide geſchworen hat zu ſchweigen, es kommt doch
heraus. Ich will's ſchon erfahren, trotzdem ich in
der Kunſt der Intrigue gleich nach ihm ſelber
komme.“

Dabei zog er ein Fach ſeines Schreibtiſches auf,
darin, von einem rothen Bändchen umwunden, ſchon
andere Briefe Lenens lagen. Und nun klingelte er
nach dem Diener, der ihm beim Ankleiden behilflich
ſein ſollte. „So, Johann, das wäre gethan . . .
Und nun vergiß nicht, die Jalouſieen herunter zu
laſſen. Und wenn wer kommt und nach mir fragt, bis
12 bin ich in der Kaſerne, nach 1 bei Hiller und
am Abend bei Renz. Und zieh auch die Jalouſieen
zu rechter Zeit wieder auf, daß ich nicht wieder
einen Brütofen vorfinde. Und laß die Lampe vorn
brennen. Aber nicht in meinem Schlafzimmer; die
Mücken ſind wie toll in dieſem Jahr. Verſtanden?“

„Zu Befehl, Herr Baron.“

Und unter dieſem Geſpräche, das ſchon halb im
Korridor geführt worden war, trat Rienäcker in
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[58/0068] der Onkel! Entweder kommt er wieder als Abge¬ ſandter von meiner Mutter oder er hat Pläne für mich aus ſich ſelbſt, aus eigner Initiative. Nun, ich werde ja ſehen. Eine diplomatſche Verſtellungs¬ ſchule hat er nicht durchgemacht, und wenn er zehn Eide geſchworen hat zu ſchweigen, es kommt doch heraus. Ich will's ſchon erfahren, trotzdem ich in der Kunſt der Intrigue gleich nach ihm ſelber komme.“ Dabei zog er ein Fach ſeines Schreibtiſches auf, darin, von einem rothen Bändchen umwunden, ſchon andere Briefe Lenens lagen. Und nun klingelte er nach dem Diener, der ihm beim Ankleiden behilflich ſein ſollte. „So, Johann, das wäre gethan . . . Und nun vergiß nicht, die Jalouſieen herunter zu laſſen. Und wenn wer kommt und nach mir fragt, bis 12 bin ich in der Kaſerne, nach 1 bei Hiller und am Abend bei Renz. Und zieh auch die Jalouſieen zu rechter Zeit wieder auf, daß ich nicht wieder einen Brütofen vorfinde. Und laß die Lampe vorn brennen. Aber nicht in meinem Schlafzimmer; die Mücken ſind wie toll in dieſem Jahr. Verſtanden?“ „Zu Befehl, Herr Baron.“ Und unter dieſem Geſpräche, das ſchon halb im Korridor geführt worden war, trat Rienäcker in den Hausflur, ziepte draußen im Vorgarten die 13 jährige, ſich gerad' über den Wagen ihres kleinen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/68>, abgerufen am 24.11.2024.