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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Es ist ein stickiges Nest. Alles andre mündlich.
Ich erwarte Dich 1 Uhr bei Hiller. Dann wollen
mir einen Sattel kaufen. Und dann Abends zu
Renz. Sei pünktlich. Dein alter Onkel Kurt
Anton."

Rienäcker lachte. "Dacht' ich's doch! Und doch
eine Neuerung. Früher war es Borchardt, jetzt
Hiller. Ei, ei, Onkelchen, was ein richtiger Konser¬
vativer ist, ist es auch in kleinen Dingen . . Und
nun meine liebe Lene . . . Was Onkel Kurt Anton
wohl sagen würde, wenn er wüßte, in welcher Be¬
gleitung sein Brief und seine Befehle hier ein¬
getroffen sind."

Und während er so sprach, erbrach er Lene's
Billet und las.

"Es sind nun schon volle fünf Tage, daß ich
Dich nicht gesehen habe. Soll es eine volle Woche
werden? Und ich dachte, Du müßtest den andern
Tag wiederkommen, so glücklich war ich den Abend.
Und Du warst so lieb und gut. Mutter neckt mich
schon und sagt: "er kommt nicht wieder." Ach, wie
mir das immer einen Stich ins Herz giebt, weil es
ja mal so kommen muß und weil ich fühle, daß es
jeden Tag kommen kann. Daran wurd' ich gestern
wieder erinnert. Denn wenn ich Dir eben schrieb,
ich hätte Dich fünf Tage lang nicht gesehen, so
hab' ich nicht die Wahrheit gesagt, ich habe Dich

Es iſt ein ſtickiges Neſt. Alles andre mündlich.
Ich erwarte Dich 1 Uhr bei Hiller. Dann wollen
mir einen Sattel kaufen. Und dann Abends zu
Renz. Sei pünktlich. Dein alter Onkel Kurt
Anton.“

Rienäcker lachte. „Dacht' ich's doch! Und doch
eine Neuerung. Früher war es Borchardt, jetzt
Hiller. Ei, ei, Onkelchen, was ein richtiger Konſer¬
vativer iſt, iſt es auch in kleinen Dingen . . Und
nun meine liebe Lene . . . Was Onkel Kurt Anton
wohl ſagen würde, wenn er wüßte, in welcher Be¬
gleitung ſein Brief und ſeine Befehle hier ein¬
getroffen ſind.“

Und während er ſo ſprach, erbrach er Lene's
Billet und las.

„Es ſind nun ſchon volle fünf Tage, daß ich
Dich nicht geſehen habe. Soll es eine volle Woche
werden? Und ich dachte, Du müßteſt den andern
Tag wiederkommen, ſo glücklich war ich den Abend.
Und Du warſt ſo lieb und gut. Mutter neckt mich
ſchon und ſagt: „er kommt nicht wieder.“ Ach, wie
mir das immer einen Stich ins Herz giebt, weil es
ja mal ſo kommen muß und weil ich fühle, daß es
jeden Tag kommen kann. Daran wurd' ich geſtern
wieder erinnert. Denn wenn ich Dir eben ſchrieb,
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[55/0065] Es iſt ein ſtickiges Neſt. Alles andre mündlich. Ich erwarte Dich 1 Uhr bei Hiller. Dann wollen mir einen Sattel kaufen. Und dann Abends zu Renz. Sei pünktlich. Dein alter Onkel Kurt Anton.“ Rienäcker lachte. „Dacht' ich's doch! Und doch eine Neuerung. Früher war es Borchardt, jetzt Hiller. Ei, ei, Onkelchen, was ein richtiger Konſer¬ vativer iſt, iſt es auch in kleinen Dingen . . Und nun meine liebe Lene . . . Was Onkel Kurt Anton wohl ſagen würde, wenn er wüßte, in welcher Be¬ gleitung ſein Brief und ſeine Befehle hier ein¬ getroffen ſind.“ Und während er ſo ſprach, erbrach er Lene's Billet und las. „Es ſind nun ſchon volle fünf Tage, daß ich Dich nicht geſehen habe. Soll es eine volle Woche werden? Und ich dachte, Du müßteſt den andern Tag wiederkommen, ſo glücklich war ich den Abend. Und Du warſt ſo lieb und gut. Mutter neckt mich ſchon und ſagt: „er kommt nicht wieder.“ Ach, wie mir das immer einen Stich ins Herz giebt, weil es ja mal ſo kommen muß und weil ich fühle, daß es jeden Tag kommen kann. Daran wurd' ich geſtern wieder erinnert. Denn wenn ich Dir eben ſchrieb, ich hätte Dich fünf Tage lang nicht geſehen, ſo hab' ich nicht die Wahrheit geſagt, ich habe Dich

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/65>, abgerufen am 23.11.2024.