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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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"Glaub's. Und mir ist immer, als ob ich Furcht
vor ihr haben müßte."

"Furcht? Wie das? Warum, Lene?"

Lene lachte herzlich und doch war eine Spur
von Gezwungenheit darin. "Du mußt nicht gleich
denken, daß ich vorhabe, mich bei der Gnädigen
melden zu lassen, und darfst es nicht anders nehmen,
als ob ich gesagt hätte, ich fürchte mich vor der
Kaiserin. Würdest Du deshalb denken, daß ich zu
Hofe wollte? Nein, ängstige Dich nicht; ich verklage
Dich nicht."

"Nein, das thust Du nicht. Dazu bist Du viel
zu stolz und eigentlich eine kleine Demokratin und
ringst Dir jedes freundliche Wort nur so von der
Seele. Hab' ich Recht? Aber wie's auch sei, mache
Dir auf gut Glück hin ein Bild von meiner Mutter.
Wie sieht sie aus?"

"Genau so wie Du: groß und schlank und blau¬
äugig und blond."

"Arme Lene (und das Lachen war diesmal auf
seiner Seite), da hast Du fehl geschossen. Meine
Mutter ist eine kleine Frau mit lebhaften schwarzen
Augen und einer großen Nase."

"Glaub' es nicht. Das ist nicht möglich."

"Und ist doch so. Du mußt nämlich bedenken,
daß ich auch einen Vater habe. Aber das fällt euch
nie ein. Ihr denkt immer, ihr seid die Hauptsache.

„Glaub's. Und mir iſt immer, als ob ich Furcht
vor ihr haben müßte.“

„Furcht? Wie das? Warum, Lene?“

Lene lachte herzlich und doch war eine Spur
von Gezwungenheit darin. „Du mußt nicht gleich
denken, daß ich vorhabe, mich bei der Gnädigen
melden zu laſſen, und darfſt es nicht anders nehmen,
als ob ich geſagt hätte, ich fürchte mich vor der
Kaiſerin. Würdeſt Du deshalb denken, daß ich zu
Hofe wollte? Nein, ängſtige Dich nicht; ich verklage
Dich nicht.“

„Nein, das thuſt Du nicht. Dazu biſt Du viel
zu ſtolz und eigentlich eine kleine Demokratin und
ringſt Dir jedes freundliche Wort nur ſo von der
Seele. Hab' ich Recht? Aber wie's auch ſei, mache
Dir auf gut Glück hin ein Bild von meiner Mutter.
Wie ſieht ſie aus?“

„Genau ſo wie Du: groß und ſchlank und blau¬
äugig und blond.“

„Arme Lene (und das Lachen war diesmal auf
ſeiner Seite), da haſt Du fehl geſchoſſen. Meine
Mutter iſt eine kleine Frau mit lebhaften ſchwarzen
Augen und einer großen Naſe.“

„Glaub' es nicht. Das iſt nicht möglich.“

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daß ich auch einen Vater habe. Aber das fällt euch
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[48/0058] „Glaub's. Und mir iſt immer, als ob ich Furcht vor ihr haben müßte.“ „Furcht? Wie das? Warum, Lene?“ Lene lachte herzlich und doch war eine Spur von Gezwungenheit darin. „Du mußt nicht gleich denken, daß ich vorhabe, mich bei der Gnädigen melden zu laſſen, und darfſt es nicht anders nehmen, als ob ich geſagt hätte, ich fürchte mich vor der Kaiſerin. Würdeſt Du deshalb denken, daß ich zu Hofe wollte? Nein, ängſtige Dich nicht; ich verklage Dich nicht.“ „Nein, das thuſt Du nicht. Dazu biſt Du viel zu ſtolz und eigentlich eine kleine Demokratin und ringſt Dir jedes freundliche Wort nur ſo von der Seele. Hab' ich Recht? Aber wie's auch ſei, mache Dir auf gut Glück hin ein Bild von meiner Mutter. Wie ſieht ſie aus?“ „Genau ſo wie Du: groß und ſchlank und blau¬ äugig und blond.“ „Arme Lene (und das Lachen war diesmal auf ſeiner Seite), da haſt Du fehl geſchoſſen. Meine Mutter iſt eine kleine Frau mit lebhaften ſchwarzen Augen und einer großen Naſe.“ „Glaub' es nicht. Das iſt nicht möglich.“ „Und iſt doch ſo. Du mußt nämlich bedenken, daß ich auch einen Vater habe. Aber das fällt euch nie ein. Ihr denkt immer, ihr ſeid die Hauptſache.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/58>, abgerufen am 10.05.2024.