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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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"Nein, wenn er hier ist, hab' ich Dich nur noch
halb. Und sprichst Du dann gar noch von der
stattlichen Frau Dörr, so hab' ich Dich so gut wie
garnicht mehr."

"Gut," lachte Botho, "Sultan mag bleiben, wo
er ist. Ich bin es zufrieden. Aber von Frau
Dörr muß ich noch weiter sprechen. Ist sie wirklich
so gut?"

"Ja, das ist sie, trotzdem sie sonderbare Dinge
sagt, Dinge, die wie Zweideutigkeiten klingen und
es auch sein mögen. Aber sie weiß nichts davon
und in ihrem Thun und Wandel ist nicht das
Geringste, was an ihre Vergangenheit erinnern
könnte."

"Hat sie denn eine?"

"Ja. Wenigstens stand sie jahrelang in einem
Verhältniß und "ging mit ihm" wie sie sich aus¬
zudrücken pflegt. Und darüber ist wohl kein Zweifel,
daß über dies Verhältniß und natürlich auch über
die gute Frau Dörr selbst viel, sehr viel geredet
worden ist. Und sie wird auch Anstoß über Anstoß
gegeben haben. Nur sie selber hat sich in ihrer
Einfalt nie Gedanken darüber gemacht und noch
weniger Vorwürfe. Sie spricht davon wie von einem
unbequemen Dienst, den sie getreulich und ehrlich
erfüllt hat, blos aus Pflichtgefühl. Du lachst und
es klingt auch sonderbar genug. Aber es läßt sich

„Nein, wenn er hier iſt, hab' ich Dich nur noch
halb. Und ſprichſt Du dann gar noch von der
ſtattlichen Frau Dörr, ſo hab' ich Dich ſo gut wie
garnicht mehr.“

„Gut,“ lachte Botho, „Sultan mag bleiben, wo
er iſt. Ich bin es zufrieden. Aber von Frau
Dörr muß ich noch weiter ſprechen. Iſt ſie wirklich
ſo gut?“

„Ja, das iſt ſie, trotzdem ſie ſonderbare Dinge
ſagt, Dinge, die wie Zweideutigkeiten klingen und
es auch ſein mögen. Aber ſie weiß nichts davon
und in ihrem Thun und Wandel iſt nicht das
Geringſte, was an ihre Vergangenheit erinnern
könnte.“

„Hat ſie denn eine?“

„Ja. Wenigſtens ſtand ſie jahrelang in einem
Verhältniß und „ging mit ihm“ wie ſie ſich aus¬
zudrücken pflegt. Und darüber iſt wohl kein Zweifel,
daß über dies Verhältniß und natürlich auch über
die gute Frau Dörr ſelbſt viel, ſehr viel geredet
worden iſt. Und ſie wird auch Anſtoß über Anſtoß
gegeben haben. Nur ſie ſelber hat ſich in ihrer
Einfalt nie Gedanken darüber gemacht und noch
weniger Vorwürfe. Sie ſpricht davon wie von einem
unbequemen Dienſt, den ſie getreulich und ehrlich
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[46/0056] „Nein, wenn er hier iſt, hab' ich Dich nur noch halb. Und ſprichſt Du dann gar noch von der ſtattlichen Frau Dörr, ſo hab' ich Dich ſo gut wie garnicht mehr.“ „Gut,“ lachte Botho, „Sultan mag bleiben, wo er iſt. Ich bin es zufrieden. Aber von Frau Dörr muß ich noch weiter ſprechen. Iſt ſie wirklich ſo gut?“ „Ja, das iſt ſie, trotzdem ſie ſonderbare Dinge ſagt, Dinge, die wie Zweideutigkeiten klingen und es auch ſein mögen. Aber ſie weiß nichts davon und in ihrem Thun und Wandel iſt nicht das Geringſte, was an ihre Vergangenheit erinnern könnte.“ „Hat ſie denn eine?“ „Ja. Wenigſtens ſtand ſie jahrelang in einem Verhältniß und „ging mit ihm“ wie ſie ſich aus¬ zudrücken pflegt. Und darüber iſt wohl kein Zweifel, daß über dies Verhältniß und natürlich auch über die gute Frau Dörr ſelbſt viel, ſehr viel geredet worden iſt. Und ſie wird auch Anſtoß über Anſtoß gegeben haben. Nur ſie ſelber hat ſich in ihrer Einfalt nie Gedanken darüber gemacht und noch weniger Vorwürfe. Sie ſpricht davon wie von einem unbequemen Dienſt, den ſie getreulich und ehrlich erfüllt hat, blos aus Pflichtgefühl. Du lachſt und es klingt auch ſonderbar genug. Aber es läßt ſich

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/56>, abgerufen am 23.11.2024.