Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Botho sah vor sich hin und hatte Mühe, die
Bewegung seines Herzens zu bezwingen. Endlich
aber war er wieder Herr seiner selbst und sagte:
"Sie sind ein ordentlicher Mann, Herr Franke,
der das Glück der Lene will, so viel hör' und seh'
ich, und das giebt Ihnen ein gutes Recht auf
Antwort. Was ich Ihnen zu sagen habe, darüber
ist mir kein Zweifel, und ich schwanke nur noch
wie. Das Beste wird sein, ich erzähl' Ihnen,
wie's kam und weiter ging und dann abschloß."

Franke verbeugte sich abermals, zum Zeichen,
daß er auch seinerseits dies für das Beste halte.

"Nun denn," hob Rienäcker an, "es geht jetzt
ins dritte Jahr oder ist auch schon ein paar Monate
darüber, daß ich bei Gelegenheit einer Kahnfahrt
um die Treptower Liebesinsel herum in die Lage
kam, zwei jungen Mädchen einen Dienst zu leisten
und sie vor dem Kentern ihres Bootes zu bewahren.
Eins der beiden Mädchen war die Lene und an der
Art, wie sie dankte, sah ich gleich, daß sie anders
war als andere. Von Redensarten keine Spur,
auch später nicht, was ich gleich hier hervorheben
möchte. Denn so heiter und mitunter beinahe
ausgelassen sie sein kann, von Natur ist sie
nachdenklich, ernst und einfach."

Botho schob mechanisch das noch auf dem Tische
stehende Tablett bei Seite, strich die Decke glatt und

Botho ſah vor ſich hin und hatte Mühe, die
Bewegung ſeines Herzens zu bezwingen. Endlich
aber war er wieder Herr ſeiner ſelbſt und ſagte:
„Sie ſind ein ordentlicher Mann, Herr Franke,
der das Glück der Lene will, ſo viel hör' und ſeh'
ich, und das giebt Ihnen ein gutes Recht auf
Antwort. Was ich Ihnen zu ſagen habe, darüber
iſt mir kein Zweifel, und ich ſchwanke nur noch
wie. Das Beſte wird ſein, ich erzähl' Ihnen,
wie's kam und weiter ging und dann abſchloß.“

Franke verbeugte ſich abermals, zum Zeichen,
daß er auch ſeinerſeits dies für das Beſte halte.

„Nun denn,“ hob Rienäcker an, „es geht jetzt
ins dritte Jahr oder iſt auch ſchon ein paar Monate
darüber, daß ich bei Gelegenheit einer Kahnfahrt
um die Treptower Liebesinſel herum in die Lage
kam, zwei jungen Mädchen einen Dienſt zu leiſten
und ſie vor dem Kentern ihres Bootes zu bewahren.
Eins der beiden Mädchen war die Lene und an der
Art, wie ſie dankte, ſah ich gleich, daß ſie anders
war als andere. Von Redensarten keine Spur,
auch ſpäter nicht, was ich gleich hier hervorheben
möchte. Denn ſo heiter und mitunter beinahe
ausgelaſſen ſie ſein kann, von Natur iſt ſie
nachdenklich, ernſt und einfach.“

Botho ſchob mechaniſch das noch auf dem Tiſche
ſtehende Tablett bei Seite, ſtrich die Decke glatt und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0234" n="224"/>
        <p>Botho &#x017F;ah vor &#x017F;ich hin und hatte Mühe, die<lb/>
Bewegung &#x017F;eines Herzens zu bezwingen. Endlich<lb/>
aber war er wieder Herr &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t und &#x017F;agte:<lb/>
&#x201E;Sie &#x017F;ind ein ordentlicher Mann, Herr Franke,<lb/>
der das Glück der Lene will, &#x017F;o viel hör' und &#x017F;eh'<lb/>
ich, und das giebt Ihnen ein gutes Recht auf<lb/>
Antwort. Was ich Ihnen zu &#x017F;agen habe, darüber<lb/>
i&#x017F;t mir kein Zweifel, und ich &#x017F;chwanke nur noch<lb/><hi rendition="#g">wie</hi>. Das Be&#x017F;te wird &#x017F;ein, ich erzähl' Ihnen,<lb/>
wie's kam und weiter ging und dann ab&#x017F;chloß.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Franke verbeugte &#x017F;ich abermals, zum Zeichen,<lb/>
daß er auch &#x017F;einer&#x017F;eits dies für das Be&#x017F;te halte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun denn,&#x201C; hob Rienäcker an, &#x201E;es geht jetzt<lb/>
ins dritte Jahr oder i&#x017F;t auch &#x017F;chon ein paar Monate<lb/>
darüber, daß ich bei Gelegenheit einer Kahnfahrt<lb/>
um die Treptower Liebesin&#x017F;el herum in die Lage<lb/>
kam, zwei jungen Mädchen einen Dien&#x017F;t zu lei&#x017F;ten<lb/>
und &#x017F;ie vor dem Kentern ihres Bootes zu bewahren.<lb/>
Eins der beiden Mädchen war die Lene und an der<lb/>
Art, wie &#x017F;ie dankte, &#x017F;ah ich gleich, daß &#x017F;ie anders<lb/>
war als andere. Von Redensarten keine Spur,<lb/>
auch &#x017F;päter nicht, was ich gleich hier hervorheben<lb/>
möchte. Denn &#x017F;o heiter und mitunter beinahe<lb/>
ausgela&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ein kann, von Natur i&#x017F;t &#x017F;ie<lb/>
nachdenklich, ern&#x017F;t und einfach.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Botho &#x017F;chob mechani&#x017F;ch das noch auf dem Ti&#x017F;che<lb/>
&#x017F;tehende Tablett bei Seite, &#x017F;trich die Decke glatt und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0234] Botho ſah vor ſich hin und hatte Mühe, die Bewegung ſeines Herzens zu bezwingen. Endlich aber war er wieder Herr ſeiner ſelbſt und ſagte: „Sie ſind ein ordentlicher Mann, Herr Franke, der das Glück der Lene will, ſo viel hör' und ſeh' ich, und das giebt Ihnen ein gutes Recht auf Antwort. Was ich Ihnen zu ſagen habe, darüber iſt mir kein Zweifel, und ich ſchwanke nur noch wie. Das Beſte wird ſein, ich erzähl' Ihnen, wie's kam und weiter ging und dann abſchloß.“ Franke verbeugte ſich abermals, zum Zeichen, daß er auch ſeinerſeits dies für das Beſte halte. „Nun denn,“ hob Rienäcker an, „es geht jetzt ins dritte Jahr oder iſt auch ſchon ein paar Monate darüber, daß ich bei Gelegenheit einer Kahnfahrt um die Treptower Liebesinſel herum in die Lage kam, zwei jungen Mädchen einen Dienſt zu leiſten und ſie vor dem Kentern ihres Bootes zu bewahren. Eins der beiden Mädchen war die Lene und an der Art, wie ſie dankte, ſah ich gleich, daß ſie anders war als andere. Von Redensarten keine Spur, auch ſpäter nicht, was ich gleich hier hervorheben möchte. Denn ſo heiter und mitunter beinahe ausgelaſſen ſie ſein kann, von Natur iſt ſie nachdenklich, ernſt und einfach.“ Botho ſchob mechaniſch das noch auf dem Tiſche ſtehende Tablett bei Seite, ſtrich die Decke glatt und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/234
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/234>, abgerufen am 24.11.2024.