bei Scanzoni, für den sie schwärmt. Ihr Vertrauen gegen mich ist beschämend und beinahe peinlich. Im Uebrigen ist sie, wie ich nur wiederholen kann, durchaus comme il faut. Um Dir blos eines zu nennen, welch' Reisenecessaire! Die Wiener sind uns in solchen Dingen doch sehr überlegen; man merkt die ältere Kultur."
"Wundervoll," lachte Botho. "Wenn Käthe kulturhistorische Betrachtungen anstellt, übertrifft sie sich selbst. Aber aller guten Dinge sind drei. Laß sehn."
Und dabei nahm er die dritte Karte.
"Köln, 8 Uhr Abends. Kommandantur. Ich will meine Karten doch lieber noch hier zur Post geben und nicht bis Schlangenbad warten, wo Frau Salinger und ich morgen Mittag einzutreffen ge¬ denken. Mir geht es gut. Schroffensteins sehr liebenswürdig; besonders er. Uebrigens, um nichts zu vergessen, Frau Salinger wurde durch Oppenheim's Equipage vom Bahnhofe abgeholt. Unsere Fahrt, anfangs so reizvoll, gestaltete sich von Hamm aus einigermaßen beschwerlich und unschön. Die Kleine litt schwer und leider durch Schuld der Mutter. "Was möchtest Du noch," fragte sie, nachdem unser Zug eben den Bahnhof Hamm passirt hatte, worauf das Kind antwortete: "Drops." Und erst von dem Augenblicke an wurd' es so schlimm . . Ach, [l]ieber Botho, jung oder alt, unsere Wünsche
bei Scanzoni, für den ſie ſchwärmt. Ihr Vertrauen gegen mich iſt beſchämend und beinahe peinlich. Im Uebrigen iſt ſie, wie ich nur wiederholen kann, durchaus comme il faut. Um Dir blos eines zu nennen, welch' Reiſeneceſſaire! Die Wiener ſind uns in ſolchen Dingen doch ſehr überlegen; man merkt die ältere Kultur.“
„Wundervoll,“ lachte Botho. „Wenn Käthe kulturhiſtoriſche Betrachtungen anſtellt, übertrifft ſie ſich ſelbſt. Aber aller guten Dinge ſind drei. Laß ſehn.“
Und dabei nahm er die dritte Karte.
„Köln, 8 Uhr Abends. Kommandantur. Ich will meine Karten doch lieber noch hier zur Poſt geben und nicht bis Schlangenbad warten, wo Frau Salinger und ich morgen Mittag einzutreffen ge¬ denken. Mir geht es gut. Schroffenſteins ſehr liebenswürdig; beſonders er. Uebrigens, um nichts zu vergeſſen, Frau Salinger wurde durch Oppenheim's Equipage vom Bahnhofe abgeholt. Unſere Fahrt, anfangs ſo reizvoll, geſtaltete ſich von Hamm aus einigermaßen beſchwerlich und unſchön. Die Kleine litt ſchwer und leider durch Schuld der Mutter. „Was möchteſt Du noch,“ fragte ſie, nachdem unſer Zug eben den Bahnhof Hamm paſſirt hatte, worauf das Kind antwortete: „Drops.“ Und erſt von dem Augenblicke an wurd' es ſo ſchlimm . . Ach, [l]ieber Botho, jung oder alt, unſere Wünſche
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0228"n="218"/>
bei Scanzoni, für den ſie ſchwärmt. Ihr Vertrauen<lb/>
gegen mich iſt beſchämend und beinahe peinlich. Im<lb/>
Uebrigen iſt ſie, wie ich nur wiederholen kann,<lb/>
durchaus <hirendition="#aq">comme il faut</hi>. Um Dir blos eines zu<lb/>
nennen, welch' Reiſeneceſſaire! Die Wiener ſind uns<lb/>
in ſolchen Dingen doch ſehr überlegen; man merkt<lb/>
die ältere Kultur.“</p><lb/><p>„Wundervoll,“ lachte Botho. „Wenn Käthe<lb/>
kulturhiſtoriſche Betrachtungen anſtellt, übertrifft ſie<lb/>ſich ſelbſt. Aber aller guten Dinge ſind drei. Laß ſehn.“</p><lb/><p>Und dabei nahm er die dritte Karte.</p><lb/><p>„<hirendition="#g">Köln</hi>, 8 Uhr Abends. Kommandantur. Ich<lb/>
will meine Karten doch lieber noch <hirendition="#g">hier</hi> zur Poſt<lb/>
geben und nicht bis Schlangenbad warten, wo Frau<lb/>
Salinger und ich morgen Mittag einzutreffen ge¬<lb/>
denken. Mir geht es gut. Schroffenſteins ſehr<lb/>
liebenswürdig; beſonders er. Uebrigens, um nichts<lb/>
zu vergeſſen, Frau Salinger wurde durch Oppenheim's<lb/>
Equipage vom Bahnhofe abgeholt. Unſere Fahrt,<lb/>
anfangs ſo reizvoll, geſtaltete ſich von Hamm aus<lb/>
einigermaßen beſchwerlich und unſchön. Die Kleine<lb/>
litt ſchwer und leider durch Schuld der Mutter.<lb/>„Was möchteſt Du noch,“ fragte ſie, nachdem unſer<lb/>
Zug eben den Bahnhof Hamm paſſirt hatte, worauf<lb/>
das Kind antwortete: „Drops.“ Und erſt von<lb/><hirendition="#g">dem</hi> Augenblicke an wurd' es ſo ſchlimm . . Ach,<lb/><supplied>l</supplied>ieber Botho, jung oder alt, unſere Wünſche<lb/></p></div></body></text></TEI>
[218/0228]
bei Scanzoni, für den ſie ſchwärmt. Ihr Vertrauen
gegen mich iſt beſchämend und beinahe peinlich. Im
Uebrigen iſt ſie, wie ich nur wiederholen kann,
durchaus comme il faut. Um Dir blos eines zu
nennen, welch' Reiſeneceſſaire! Die Wiener ſind uns
in ſolchen Dingen doch ſehr überlegen; man merkt
die ältere Kultur.“
„Wundervoll,“ lachte Botho. „Wenn Käthe
kulturhiſtoriſche Betrachtungen anſtellt, übertrifft ſie
ſich ſelbſt. Aber aller guten Dinge ſind drei. Laß ſehn.“
Und dabei nahm er die dritte Karte.
„Köln, 8 Uhr Abends. Kommandantur. Ich
will meine Karten doch lieber noch hier zur Poſt
geben und nicht bis Schlangenbad warten, wo Frau
Salinger und ich morgen Mittag einzutreffen ge¬
denken. Mir geht es gut. Schroffenſteins ſehr
liebenswürdig; beſonders er. Uebrigens, um nichts
zu vergeſſen, Frau Salinger wurde durch Oppenheim's
Equipage vom Bahnhofe abgeholt. Unſere Fahrt,
anfangs ſo reizvoll, geſtaltete ſich von Hamm aus
einigermaßen beſchwerlich und unſchön. Die Kleine
litt ſchwer und leider durch Schuld der Mutter.
„Was möchteſt Du noch,“ fragte ſie, nachdem unſer
Zug eben den Bahnhof Hamm paſſirt hatte, worauf
das Kind antwortete: „Drops.“ Und erſt von
dem Augenblicke an wurd' es ſo ſchlimm . . Ach,
lieber Botho, jung oder alt, unſere Wünſche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/228>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.