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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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sich kommen lassen und nur am ersten Tage von
Station zu Station ein Lebenszeichen geben. Dieser
Vorschlag fand Beifall, sogar bei Rienäcker, und
wurde nur schließlich dahin abgeändert, daß sie zwar
auf jeder Hauptstation bis Köln hin, über das sie
trotz des Umwegs ihre Route nahm, eine Karte
schreiben, alle ihre Karten aber, so viel oder so
wenig ihrer sein möchten, in ein gemeinschaftliches
Couvert stecken solle. Das habe dann den Vorzug,
daß sie sich ohne Furcht vor Postexpedienten und
Briefträgern über ihre Reisegenossen in aller Un¬
genirtheit aussprechen könne.

Nach dem Diner nahm man draußen auf dem
Balkon den Kaffee, bei welcher Gelegenheit sich
Käthe, nachdem sie sich eine Weile gesträubt, in
ihrem Reisecostüm: in Rembrandthut und Staub¬
mantel sammt umgehängter Reisetasche präsentirte.
Sie sah reizend aus. Balafre war entzückter denn
je und bat sie, nicht allzu sehr überrascht sein zu
wollen, wenn sie ihn am andern Morgen, ängstlich
in eine Kupee-Ecke gedrückt, als Reise-Cavalier vor¬
finden sollte.

"Vorausgesetzt, daß er Urlaub kriegt." lachte
Pitt.

"Oder desertirt," setzte Serge hinzu, "was den
Huldigungsakt freilich erst vollkommen machen
würde."

ſich kommen laſſen und nur am erſten Tage von
Station zu Station ein Lebenszeichen geben. Dieſer
Vorſchlag fand Beifall, ſogar bei Rienäcker, und
wurde nur ſchließlich dahin abgeändert, daß ſie zwar
auf jeder Hauptſtation bis Köln hin, über das ſie
trotz des Umwegs ihre Route nahm, eine Karte
ſchreiben, alle ihre Karten aber, ſo viel oder ſo
wenig ihrer ſein möchten, in ein gemeinſchaftliches
Couvert ſtecken ſolle. Das habe dann den Vorzug,
daß ſie ſich ohne Furcht vor Poſtexpedienten und
Briefträgern über ihre Reiſegenoſſen in aller Un¬
genirtheit ausſprechen könne.

Nach dem Diner nahm man draußen auf dem
Balkon den Kaffee, bei welcher Gelegenheit ſich
Käthe, nachdem ſie ſich eine Weile geſträubt, in
ihrem Reiſecoſtüm: in Rembrandthut und Staub¬
mantel ſammt umgehängter Reiſetaſche präſentirte.
Sie ſah reizend aus. Balafré war entzückter denn
je und bat ſie, nicht allzu ſehr überraſcht ſein zu
wollen, wenn ſie ihn am andern Morgen, ängſtlich
in eine Kupee-Ecke gedrückt, als Reiſe-Cavalier vor¬
finden ſollte.

„Vorausgeſetzt, daß er Urlaub kriegt.“ lachte
Pitt.

„Oder deſertirt,“ ſetzte Serge hinzu, „was den
Huldigungsakt freilich erſt vollkommen machen
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[203/0213] ſich kommen laſſen und nur am erſten Tage von Station zu Station ein Lebenszeichen geben. Dieſer Vorſchlag fand Beifall, ſogar bei Rienäcker, und wurde nur ſchließlich dahin abgeändert, daß ſie zwar auf jeder Hauptſtation bis Köln hin, über das ſie trotz des Umwegs ihre Route nahm, eine Karte ſchreiben, alle ihre Karten aber, ſo viel oder ſo wenig ihrer ſein möchten, in ein gemeinſchaftliches Couvert ſtecken ſolle. Das habe dann den Vorzug, daß ſie ſich ohne Furcht vor Poſtexpedienten und Briefträgern über ihre Reiſegenoſſen in aller Un¬ genirtheit ausſprechen könne. Nach dem Diner nahm man draußen auf dem Balkon den Kaffee, bei welcher Gelegenheit ſich Käthe, nachdem ſie ſich eine Weile geſträubt, in ihrem Reiſecoſtüm: in Rembrandthut und Staub¬ mantel ſammt umgehängter Reiſetaſche präſentirte. Sie ſah reizend aus. Balafré war entzückter denn je und bat ſie, nicht allzu ſehr überraſcht ſein zu wollen, wenn ſie ihn am andern Morgen, ängſtlich in eine Kupee-Ecke gedrückt, als Reiſe-Cavalier vor¬ finden ſollte. „Vorausgeſetzt, daß er Urlaub kriegt.“ lachte Pitt. „Oder deſertirt,“ ſetzte Serge hinzu, „was den Huldigungsakt freilich erſt vollkommen machen würde.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/213>, abgerufen am 24.11.2024.