mitgewirkt und ihr früheres Verhältniß zu dem Grafen, statt ihr schädlich zu sein, gerad umgekehrt den Ausschlag zum Guten hin gegeben und einfach den Vollbeweis ihrer Unwiderstehlichkeit erbracht hatte. Wenn sich dabei mit gutem Grunde von Ueberschätzung sprechen ließ, so doch freilich nicht von Seiten Dörr's in Person, für den die Natur, so weit Aeußerlichkeiten in Betracht kamen, ganz ungewöhnlich wenig gethan hatte. Mager, mittel¬ groß und mit fünf grauen Haarsträhnen über Kopf und Stirn, wär' er eine vollkommene Trivial-Er¬ scheinung gewesen, wenn ihm nicht eine zwischen Augenwinkel und linker Schläfe sitzende braune Pocke 'was Apartes gegeben hätte. Weshalb denn auch seine Frau nicht mit Unrecht und in der ihr eigenen ungenierten Weise zu sagen pflegte: "Schrumplig is er man, aber von links her hat er so was Bors¬ dorfriges"
Damit war er gut getroffen und hätte nach diesem Signalement überall erkannt werden müssen, wenn er nicht tagaus tagein eine mit einem großen Schirm ausgestattete Leinwandmütze getragen hätte, die, tief ins Gesicht gezogen, sowohl das Alltägliche, wie das Besondere seiner Physiognomie verbarg.
Und so, die Mütze sammt Schirm ins Gesicht gezogen, stand er auch heute wieder, am Tage nach dem zwischen Frau Dörr und Frau Nimptsch ge¬
mitgewirkt und ihr früheres Verhältniß zu dem Grafen, ſtatt ihr ſchädlich zu ſein, gerad umgekehrt den Ausſchlag zum Guten hin gegeben und einfach den Vollbeweis ihrer Unwiderſtehlichkeit erbracht hatte. Wenn ſich dabei mit gutem Grunde von Ueberſchätzung ſprechen ließ, ſo doch freilich nicht von Seiten Dörr's in Perſon, für den die Natur, ſo weit Aeußerlichkeiten in Betracht kamen, ganz ungewöhnlich wenig gethan hatte. Mager, mittel¬ groß und mit fünf grauen Haarſträhnen über Kopf und Stirn, wär' er eine vollkommene Trivial-Er¬ ſcheinung geweſen, wenn ihm nicht eine zwiſchen Augenwinkel und linker Schläfe ſitzende braune Pocke 'was Apartes gegeben hätte. Weshalb denn auch ſeine Frau nicht mit Unrecht und in der ihr eigenen ungenierten Weiſe zu ſagen pflegte: „Schrumplig is er man, aber von links her hat er ſo was Bors¬ dorfriges“
Damit war er gut getroffen und hätte nach dieſem Signalement überall erkannt werden müſſen, wenn er nicht tagaus tagein eine mit einem großen Schirm ausgeſtattete Leinwandmütze getragen hätte, die, tief ins Geſicht gezogen, ſowohl das Alltägliche, wie das Beſondere ſeiner Phyſiognomie verbarg.
Und ſo, die Mütze ſammt Schirm ins Geſicht gezogen, ſtand er auch heute wieder, am Tage nach dem zwiſchen Frau Dörr und Frau Nimptſch ge¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0021"n="11"/>
mitgewirkt und ihr früheres Verhältniß zu dem<lb/>
Grafen, ſtatt ihr ſchädlich zu ſein, gerad umgekehrt<lb/>
den Ausſchlag zum Guten hin gegeben und einfach<lb/>
den Vollbeweis ihrer Unwiderſtehlichkeit erbracht<lb/>
hatte. Wenn ſich dabei mit gutem Grunde von<lb/>
Ueberſchätzung ſprechen ließ, ſo doch freilich nicht<lb/>
von Seiten Dörr's in Perſon, für den die Natur,<lb/>ſo weit Aeußerlichkeiten in Betracht kamen, ganz<lb/>
ungewöhnlich wenig gethan hatte. Mager, mittel¬<lb/>
groß und mit fünf grauen Haarſträhnen über Kopf<lb/>
und Stirn, wär' er eine vollkommene Trivial-Er¬<lb/>ſcheinung geweſen, wenn ihm nicht eine zwiſchen<lb/>
Augenwinkel und linker Schläfe ſitzende braune Pocke<lb/>
'was Apartes gegeben hätte. Weshalb denn auch<lb/>ſeine Frau nicht mit Unrecht und in der ihr eigenen<lb/>
ungenierten Weiſe zu ſagen pflegte: „Schrumplig<lb/>
is er man, aber von links her hat er ſo was Bors¬<lb/>
dorfriges“</p><lb/><p>Damit war er gut getroffen und hätte nach<lb/>
dieſem Signalement überall erkannt werden müſſen,<lb/>
wenn er nicht tagaus tagein eine mit einem großen<lb/>
Schirm ausgeſtattete Leinwandmütze getragen hätte,<lb/>
die, tief ins Geſicht gezogen, ſowohl das Alltägliche,<lb/>
wie das Beſondere ſeiner Phyſiognomie verbarg.</p><lb/><p>Und ſo, die Mütze ſammt Schirm ins Geſicht<lb/>
gezogen, ſtand er auch heute wieder, am Tage nach<lb/>
dem zwiſchen Frau Dörr und Frau Nimptſch ge¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[11/0021]
mitgewirkt und ihr früheres Verhältniß zu dem
Grafen, ſtatt ihr ſchädlich zu ſein, gerad umgekehrt
den Ausſchlag zum Guten hin gegeben und einfach
den Vollbeweis ihrer Unwiderſtehlichkeit erbracht
hatte. Wenn ſich dabei mit gutem Grunde von
Ueberſchätzung ſprechen ließ, ſo doch freilich nicht
von Seiten Dörr's in Perſon, für den die Natur,
ſo weit Aeußerlichkeiten in Betracht kamen, ganz
ungewöhnlich wenig gethan hatte. Mager, mittel¬
groß und mit fünf grauen Haarſträhnen über Kopf
und Stirn, wär' er eine vollkommene Trivial-Er¬
ſcheinung geweſen, wenn ihm nicht eine zwiſchen
Augenwinkel und linker Schläfe ſitzende braune Pocke
'was Apartes gegeben hätte. Weshalb denn auch
ſeine Frau nicht mit Unrecht und in der ihr eigenen
ungenierten Weiſe zu ſagen pflegte: „Schrumplig
is er man, aber von links her hat er ſo was Bors¬
dorfriges“
Damit war er gut getroffen und hätte nach
dieſem Signalement überall erkannt werden müſſen,
wenn er nicht tagaus tagein eine mit einem großen
Schirm ausgeſtattete Leinwandmütze getragen hätte,
die, tief ins Geſicht gezogen, ſowohl das Alltägliche,
wie das Beſondere ſeiner Phyſiognomie verbarg.
Und ſo, die Mütze ſammt Schirm ins Geſicht
gezogen, ſtand er auch heute wieder, am Tage nach
dem zwiſchen Frau Dörr und Frau Nimptſch ge¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/21>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.