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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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cercle intime noch einmal um sich versammeln
und so waren denn Wedell und ein junger Osten
und selbstverständlich auch Pitt und Serge zu ver¬
hältnißmäßig früher Stunde geladen wurden. Da¬
zu Käthe's besonderer Liebling Balafre, der, bei
Mars la Tour, damals noch als "Halberstädter",
die große Attacke mitgeritten und wegen eines wahren
Prachthiebes schräg über Stirn und Backe seinen
Beinamen erhalten hatte.

Käthe saß zwischen Wedell und Balafre und
sah nicht aus, als ob sie Schlangenbads oder irgend
einer Badekur der Welt besonders bedürftig sei, sie
hatte Farbe, lachte, that hundert Fragen und be¬
gnügte sich, wenn der Gefragte zu sprechen anhob,
mit einem Minimum von Antwort. Eigentlich
führte sie das Wort und keiner nahm Anstoß daran,
weil sie die Kunst des gefälligen Nichtsagens mit
einer wahren Meisterschaft übte. Balafre fragte,
wie sie sich ihr Leben in den Kurtagen denke?
Schlangenbad sei nicht blos wegen seiner Heil¬
wunder, sondern viel viel mehr noch wegen seiner
Langenweile berühmt und vier Wochen Bade-Lange¬
weile seien selbst unter den günstigsten Kurverhält¬
nissen etwas viel."

"O, lieber Balafre," sagte Käthe, "Sie dürfen
mich nicht ängstigen und würden es auch nicht,
wenn Sie wüßten, wie viel Botho für mich gethan

cercle intime noch einmal um ſich verſammeln
und ſo waren denn Wedell und ein junger Oſten
und ſelbſtverſtändlich auch Pitt und Serge zu ver¬
hältnißmäßig früher Stunde geladen wurden. Da¬
zu Käthe's beſonderer Liebling Balafré, der, bei
Mars la Tour, damals noch als „Halberſtädter“,
die große Attacke mitgeritten und wegen eines wahren
Prachthiebes ſchräg über Stirn und Backe ſeinen
Beinamen erhalten hatte.

Käthe ſaß zwiſchen Wedell und Balafré und
ſah nicht aus, als ob ſie Schlangenbads oder irgend
einer Badekur der Welt beſonders bedürftig ſei, ſie
hatte Farbe, lachte, that hundert Fragen und be¬
gnügte ſich, wenn der Gefragte zu ſprechen anhob,
mit einem Minimum von Antwort. Eigentlich
führte ſie das Wort und keiner nahm Anſtoß daran,
weil ſie die Kunſt des gefälligen Nichtſagens mit
einer wahren Meiſterſchaft übte. Balafré fragte,
wie ſie ſich ihr Leben in den Kurtagen denke?
Schlangenbad ſei nicht blos wegen ſeiner Heil¬
wunder, ſondern viel viel mehr noch wegen ſeiner
Langenweile berühmt und vier Wochen Bade-Lange¬
weile ſeien ſelbſt unter den günſtigſten Kurverhält¬
niſſen etwas viel.“

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[197/0207] cercle intime noch einmal um ſich verſammeln und ſo waren denn Wedell und ein junger Oſten und ſelbſtverſtändlich auch Pitt und Serge zu ver¬ hältnißmäßig früher Stunde geladen wurden. Da¬ zu Käthe's beſonderer Liebling Balafré, der, bei Mars la Tour, damals noch als „Halberſtädter“, die große Attacke mitgeritten und wegen eines wahren Prachthiebes ſchräg über Stirn und Backe ſeinen Beinamen erhalten hatte. Käthe ſaß zwiſchen Wedell und Balafré und ſah nicht aus, als ob ſie Schlangenbads oder irgend einer Badekur der Welt beſonders bedürftig ſei, ſie hatte Farbe, lachte, that hundert Fragen und be¬ gnügte ſich, wenn der Gefragte zu ſprechen anhob, mit einem Minimum von Antwort. Eigentlich führte ſie das Wort und keiner nahm Anſtoß daran, weil ſie die Kunſt des gefälligen Nichtſagens mit einer wahren Meiſterſchaft übte. Balafré fragte, wie ſie ſich ihr Leben in den Kurtagen denke? Schlangenbad ſei nicht blos wegen ſeiner Heil¬ wunder, ſondern viel viel mehr noch wegen ſeiner Langenweile berühmt und vier Wochen Bade-Lange¬ weile ſeien ſelbſt unter den günſtigſten Kurverhält¬ niſſen etwas viel.“ „O, lieber Balafré,“ ſagte Käthe, „Sie dürfen mich nicht ängſtigen und würden es auch nicht, wenn Sie wüßten, wie viel Botho für mich gethan

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/207>, abgerufen am 27.11.2024.